„Keine dauerhafte Alternative“
Ausbildung in Zeiten von Corona: Drei Jugendliche und ein Ausbildungsleiterin erzählen

Ausbildung in Corona-Zeiten mit Maske und Abstand (von links): die beiden Azubis der Firma Eder GmbH, Korbinian Wiedemann und Antonia Huber, zusammen mit ihrer Ausbildungsleiterin Angi Eder. (Foto: Eder GmbH)
Die Coronakrise betrifft auch den Ausbildungsmarkt. Durch die Pandemie hat jedes zehnte Unternehmen weniger Auszubildende übernommen als ursprünglich geplant. Bei großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern war es sogar jeder fünfte Betrieb. Die Ergebnisse stammen aus der Randstad-ifo-Personalleiterbefragung vom dritten Quartal 2020. Im Ausbildungsjahr 2019/20 wurden in 79 Prozent aller deutschen Unternehmen Nachwuchskräfte ausgebildet. Doch bei nur knapp zwei Drittel der Auszubildenden sei die Übernahme wie zu Jahresbeginn geplant verlaufen.
„Praxiserfahrung ist wichtig“
Doch wie sieht es eigentlich bei den Auszubildenden selbst aus? Wie schätzen sie das Ganze ein? Und wie läuft es wirklich im Arbeitsalltag unter Coronabedingungen und in der Berufsschule mit Wechsel- oder Distanzunterricht? „Da ich zum Ausbildungsstart mit einem Laptop ausgestattet wurde, ist der Umstieg auf Homeschooling in der Berufsschule technisch kein Problem. Allerdings ersetzt es keineswegs den Präsenzunterricht“, erzählt Paul Parthum, auszubildender Kaufmann für Büromanagement bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. „Ich freue mich über die Möglichkeit, dass ich tageweise im Homeoffice arbeiten kann. Über MS-Teams bin ich mit den Ausbildern und den Kollegen zwar in ständigem Kontakt. Doch auch das ist keine dauerhafte Alternative für die wichtige Praxiserfahrung im Betrieb.“
„Kein Weltuntergang“
Und Bojana Blagojevic betont: „Der Online-Unterricht funktioniert eigentlich ganz gut. Das war im ersten Lockdown noch anders“, sagt die 18-Jährige, die bei der BoKaTA GmbH ihre Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement macht. „Für die Prüfungsvorbereitung hätte ich mir aber gewünscht, dass wir das alle zusammen in der Berufsschule hätten machen können.“ Zusammen mit den Mitschülern lernen, das sei dann doch etwas ganz anderes. „In der Vorbereitung unterstützen und ergänzen wir uns. Das ist online so nicht möglich.“ Und auch der persönliche Kontakt zu den Lehrern fehle. „Aber nichtsdestotrotz komme ich auch so klar. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe und immerhin können wir uns hier austauschen. Deshalb ist die aktuelle Situation für mich kein Weltuntergang. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass wir durch den Schul-Lockdown in irgendeiner Form abgehängt sind.“
„Manche, wissen nicht, wie es weitergeht“
Dass es aber Betriebe und Unternehmen geben wird, die in diesem Jahr nicht ausbilden, befürchtet Agni Eder. Die Ausbildungsleiterin der Firma Eder ist an ihrem Standort in Tuntenhausen für insgesamt 100 Azubis zuständig. „Im Handwerk läuft es ja tatsächlich noch gut. Aber es gibt andere Bereiche, in denen die Menschen nicht wissen, wie es weitergehen wird.“ Sie sei vor Corona generell immer viel in Schulen unterwegs gewesen, um so direkten Kontakt zu den Jugendlichen zu haben. „Das ist momentan kaum möglich. Ich befürchte, dass viele Schüler weiter zur Schule gehen werden, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen wird oder ob sie überhaupt einen Ausbildungsplatz finden.“ Das könne für auszubildenden Betriebe problematisch werden.
Nachhilfeunterricht
Und wie schaut es mit den Schulabschlüssen aus? Hat man als potenzieller Ausbildungsbetrieb in Corona-Zeiten einen anderen Blick auf die Noten? „Ich stelle von Haus aus nicht nach Zeugnis ein“, erklärt Angi Eder. „Vielmehr schaue ich mir an, wie die jungen Leute rein passen. Da habe ich mit den Jahren schon Erfahrung gesammelt und kann das gut einschätzen.“ Sie selbst kann sich eigenen Angaben zufolge nicht vorstellen, dass die Noten aus den Abschlusszeugnissen ein Hindernis auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind. „Doch eines ist klar: Der Schul-Lockdown über so lagen Zeit ist natürlich für die Schüler eine brutale Nummer, egal in welcher Jahrgangsstufe.“ In der Firma Eder werden die Jugendlichen aber gut aufgefangen. „Wir haben schon sehr lange einen eigenen Nachhilfeunterricht bei uns in der Firma, den die Azubis innerhalb ihrer Arbeitszeit ausnützen können.“
„Situation annehmen, wie sie ist“
Dass man die Situation so annehmen muss, wie sie ist, erklärt Korbinian Wiedemann. Der 24-Jährige hat im Frühjahr 2020 seine Ausbildung zum Land- und Baumaschinen-Mechatroniker bei der Firma Eder abgeschlossen. „Wir tragen im Unterricht Masken. Das war und ist nicht immer angenehm, aber es muss natürlich sein.“ Und in der Arbeit achte man darauf, die Abstände und das Hygienekonzept einzuhalten. „Das funktioniert sehr gut. Da hat sich insgesamt gar nicht viel geändert. Die Situation ist wie sie ist und für mich ist das Ganze zum Aushalten.“ Für die Mechatroniker-Azubis hat die Firma sogar eigens einen alten Stapler in eine Halle gestellt, an dem sie arbeiten konnten. „Wir haben einfach geschaut, dass wir unsere Auszubildenden beschäftigen, so gut es geht, damit sie weiter etwas lernen“, sagt Angi Eder.
„Nicht immer ganz einfach“
Und auch Antonia Huber weiß, was es bedeutet in Zeiten von Corona eine Ausbildung zu absolvieren. Die 19-Jährige hat von Präsenz-Unterricht mit Abstand über Wechselunterricht, dem permanenten Maske tragen in der Schule bis hin zum kompletten Online-Unterricht alles mitgemacht. Auch sie arbeitet bei der Firma Eder und macht eine Ausbildung zur Verkäuferin. Im Anschluss soll dann noch Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel folgen. „Gerade beim Online-Unterricht gab es durchaus viele technische Probleme, was es nicht immer ganz einfach gemacht hat“, erzählt sie. „Insgesamt wäre es natürlich besser gewesen, wenn wir ganz normal in die Schule hätten gehen können. Der persönliche Kontakt ist sehr wichtig – das gilt im Übrigen auch für den Kontakt mit unseren Kunden. Aber dafür habe ich meine Kollegen besser kennengelernt.“
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