Ich sehe was, was du nicht weißt
Vor 25 Jahren wurde die Stasi aufgelöst. Heute greift man - wer eigentlich? - ungeniert unsere privatesten Daten ab.

"Soziale" Netzwerke: Seien Sie äußert sparsam bei der Preisgabe von Privatem! (Foto: Alexander Klaus pixelio.de)
„Bewährte Methoden der Zersetzung sind: die Verwendung anonymer oder pseudoanonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe usw.; die gezielte Verbreitung von Gerüchten über bestimmte Personen einer Gruppe; gezielte Indiskretionen ...“ Diese Zeilen stammen aus Dienstanweisungen des Ministeriums für Staatssicherheit. Vor 25 Jahren wurde die Stasi aufgelöst. Heute greift man ungeniert unsere privatesten Daten ab. „Privatsphäre existiert nicht“, warnt Tatjana Halm (sie leitet das Referat Markt und Recht der Verbraucherzentrale Bayern e.V. in München) angesichts der virtuellen Möglichkeiten. Florian von Brunn (er ist Landtagsabgeordneter aus München, IT-Berater und Mitglied des Ausschusses für Umwelt / Verbraucherschutz) rät in Sachen Web-Sicherheit: "Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr!" Beide geben Tipps zum Umgang mit Google, Amazon, Apps & Co.
Suchmaschinen
Erfahre ich, was ich wissen will? Oder nur das, was sich für einen anderen bezahlt macht?
Florian von Brunn: Bei der Internetsuche benutzen fast alle Google. Es liefert gute Ergebnisse, aber angeblich sind die Ergebnisse auf den Nutzer zugeschnitten. Das größere Problem ist, dass Google so nebenbei fast alles erfährt. Schließlich bietet Google auch Bilder, News, und mit Maps sogar Navigation und Routenplaner. Und wenn Sie ein Google-Konto haben, dann führen Sie dort vielleicht auch Ihren Kalender und verwalten Ihre Mails. So sammelt Google sehr viele Daten über Sie, die sich profitabel verwerten lassen. Möglicherweise nicht nur von Google …
Tipp: Ein Leben ohne Google bedeutet viel mehr Datenschutz, aber auch viel weniger Komfort! Eine schwierige Entscheidung! Ich empfehle jedenfalls als Internet-Browser Mozilla Firefox und nicht Google Chrome. Und als Suchmaschine "Startpage" mit anonymen Zugriff auf die Google-Suche. Google merkt dann nicht, wer was sucht. Beides funktioniert übrigens auch auf Smartphones und Handys mit Android-Betriebssystem. Ob es viel hilft, ist fraglich: Denn Android kommt von Google!
Webcam
Ist meine Webcam wirklich aus, wenn sie aus ist?
Tatjana Halm, Verbraucherzentrale: Leider nein. Für Hacker ist es ein Leichtes, Spionage-Software auf Ihrem Rechner zu installieren, so dass sie Zugriff auf die Webcam erhalten. Man kann dann jederzeit unbemerkt die Kamera anschalten und alles im Raum einsehen.
Tipp: Halten Sie Ihre Antivirensystem aktuell. Falls Sie die Kamera ohnehin nicht gebrauchen, können Sie sie auch ausschalten. Helfen kann auch, die Kamera blickdicht abzukleben.
Bestellen im Internet
Will ich, dass jeder weiß, welche Bücher ich lese? Wo ich Urlaub buche und wann ich weg bin? Welche Lebensmittel ich einkaufe? Haben künftige Arbeitgeber Zugriff auf diese Daten?
Florian von Brunn: Die großen Internet-Konzerne sammeln alle Daten, die sie bekommen können: Big Data lautet das Stichwort! Damit kann man Profile erstellen und Menschen transparent machen. Diese Daten lassen sich gut verkaufen, denn viele Anbieter wollen ihre Kunden gerne ganz genau kennen, um ihnen besonders verlockende Angebote zu machen oder ganz gezielt "passende" Werbung dort zu schalten, wo sie gerade sind. Wie weit das gehen darf und welche Grenzen gezogen werden, das wird bald in der neuen Datenschutz-Grundverordnung festgelegt. Über sie wird derzeit im Europäischen Parlament und im Bundestag intensiv diskutiert.
Tipp: Überlegen Sie sich gut, welchen Angaben Sie im Internet machen. Füllen Sie bei Formularen nur Pflichtfelder aus und machen Sie keine unnötigen zusätzlichen Angaben. Denken Sie daran: Alles, was im Internet steht, ist öffentlich und kann gefunden werden. Und lässt sich auch kaum mehr zurückholen oder löschen, zumindest zur Zeit noch. Je weniger persönliche Spuren Sie hinterlassen, desto weniger Überraschungen erleben Sie später. Die Buchhandlung im Viertel speichert übrigens keine Daten über Sie …
"Soziale" Netzwerke
Will ich jedem sagen, wo ich bin? Sollen Fremde mit meinem Namen und Gesicht Geld verdienen dürfen?
Tatjana Halm, Verbraucherzentrale: Das Geschäftsmodell "sozialer" Netzwerke wie Facebook besteht darin, alle zur Verfügung stehenden Nutzerdaten zu analysieren, um Drittanbietern zielgerichtete Werbung zu ermöglichen. Der Nutzer ist somit nicht Kunde, sondern seine Daten sind Ware. Standorte, Fotos, Posts, Videos, Likes und vieles mehr werden dabei ausgewertet. Privatsphäre existiert nicht.
Tipp: Seien Sie äußert sparsam bei der Preisgabe von Privatem. Überlegen Sie, ob ein Unbekannter die Dinge, die Sie schreiben, lesen können soll. Ansonsten können Sie Ihr Facebook-Konto nur noch löschen (geht unter folgendem Link: https://www.facebook.com/help/224562897555674).
Apps
Machen meine Apps Dinge, von denen ich gar nichts weiß?
Florian von Brunn: Das Fraunhofer SIT hat die 400 populärsten Apps aus der Rubrik Utilities aus dem App Store von Apple auf Tracking-Frameworks untersucht und in 72 Prozent dieser Apps versteckte Funktionen gefunden (Web-Tracking-Report 2014).
Tipp: Die wichtigsten Empfehlungen lauten: Sie brauchen auf Ihrem Computer und zumindest auf Android-Geräten und Smartphones einen Virenschutz. Zum Beispiel von Avira, Kaspersky oder GData. Damit Schadsoftware und bösartige Apps keine Chance haben. Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr! Installieren Sie nur die Apps, die Sie wirklich brauchen. Und bitte nur aus sicheren Quellen! Überlegen Sie sich zweimal, ob Sie Apps, über die Sie eigentlich gar nichts wissen, persönliche Daten anvertrauen. Für Android-Smartphones gibt es mit „F-Secure App Permissions“ eine nützliche Anwendung, die Ihnen zeigt, welche Probleme Apps verursachen können. Besonders wichtig: Passen Sie vor allem auf, wenn es ums Geld und das Bezahlen geht! Ich rate dringend vom Online Banking per Smartphone ab.
Navi
Woher weiß mein Navi, wann ich wohin will?
Tatjana Halm, Verbraucherzentrale: So nützlich es erscheinen mag, dass ein Navi Staus auf den üblichen Strecken erkennt und Ausweichrouten anbietet, ohne dass man zuvor was eingegeben hat: Dahinter steckt in der Regel eine unerkannte Datensammlung und Nutzeranalyse. Fraglich ist, ob und wie diese Daten an Dritte weitergegeben werden. Auch die Übermittlung der Daten muss nicht immer sicher, also verschlüsselt, verlaufen.
Tipp: Die Ortungsfunktion des Navis sollte nicht dauernd angeschaltet sein, damit nicht alle Lebensgewohnheiten dokumentiert werden können. Schalten Sie es nur bei Bedarf ein!
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