Fremdes mit Leben füllen
Beim Wiesn-Spaziergang entstehen Freundschaften
Für rund 100 Kinder aus Münchner Regel- und Übergangsklassen stand während der Wiesn ein ganz besonderer Ausflug auf dem Stundenplan: ein Gang über die Wiesn in Begleitung von Bürgermeister Josef Schmid. Weil der Bürgermeister sich an seinem Geburtstag Zeit für sie genommen hatte, sangen die Kinder ihm zu Füßen der Bavaria spontan ein kleines Geburtstagsständchen.
Fünf unterschiedliche Klassen aus Grund- und Mittelschulen sowie eines Gymnasiums lernen durch gemeinsame „Interkulturelle Spaziergänge“ ihre Stadt besser kennen. Münchner Kinder stellen Kindern mit Fluchthintergrund ihre Heimat vor und schließen dabei Freundschaften. An dem Projekt beteiligen sich Regel- und Übergangsklassen der Mittelschulen Perlacherstaße (Simone Schock) und Ichostraße (Harun Lehrer), der Grund- und Mittelschule Weilerstraße (Jochen Fuchs), der Grundschule am Hedernfeld (Theresa Freckmann) sowie des städtischen Adolf-Weber-Gymnasiums (Alexandra Lang). Die gemeinsame Erkundung der Wiesn mit dem Bürgermeister bildet die Auftaktveranstaltung für weiter Interkulturelle Spaziergänge in München, eine Aktion von MLLV und SoNet e.V.
Wörter lernen, Taten folgen lassen
Der Wiesnbesuch wurde vorab in den Schulen gut vorbereitet. Wortschatz, Geschichte, typische Wiesnprodukte wie Lebkuchenherzerl oder Brezn, der Wiesneinzug und die traditionellen Bräuche wurden Schülern, die erst seit kurzem in München leben, erklärt. Dazu lud der interkulturelle Berater des MLLV, Harun Lehrer, in den Übergangsklassen zum Wörtersammeln ein. Wörtern Taten folgen lassen und das Verständnis für die bayerische Kultur wecken - Dirndl, Lederhose, Brezn - war die gemeinsame Aufgabe. Erleben des Wortschatzes mit allen Sinnen: Das ist Ziel dieser außergewöhnlichen Aktion. Sprachlosen Kindern wird so eine Stimme gegeben. Fremd anmutende Wörter werden mit Leben gefüllt. Der kulturelle Horizont der Kinder wird erweitert, das Miterleben der bayerischen Kultur und das miteinander Feiern wird verständlich und erlebbar.
Der MLLV nutzte die Anwesenheit des Bürgermeisters beim ersten Interkulturellen Spaziergang, um ihn über das Projekt „Patenschaften für Übergangsklassen zu informieren, das dringend weitere Unterstützer sucht.
Was sind Patenschaften für Ü-Klassen?
An den Münchner Grund- und Mittelschulen gibt es derzeit mehr als 110 Übergangsklassen, kurz Ü-Klassen, in denen insbesondere geflüchtete Kinder unterrichtet werden. Bei ausreichenden Deutschkenntnissen können sie in eine Regelklasse wechseln, die ihrem Wissens- und Entwicklungsstand entspricht.
Lehrkräfte der Ü-Klassen wünschen sich seit langem mehr Unterstützung, um in ihrem Unterricht besser auf die sprachlichen Unterschiede und Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können. Auf den Wunschlisten stehen aber auch ehrenamtliche Lernhelfer, da viele Kinder dringend zusätzliche Hilfe benötigen.
Um diese Unterstützung zuverlässig zu gewährleisten, haben der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband (MLLV) und SoNet – Soziales Netzwerk München e.V. gemeinsam das Projekt „Patenschaften für Übergangsklassen“ ins Leben gerufen und bereits erste Patenschaften vermittelt. Im Rahmen der Patenschaften werden etwa Unternehmen, Stiftungen, Verbände und andere Organisationen mit einer Klasse zusammengebracht, gemeinsam stimmen sie dann ab, was benötigt wird und was davon finanziert werden kann. Die Kooperationen sollten von längerer Dauer sein. Integration setzt auf Nachhaltigkeit.
Seitens des MLLV organisieren Theresa Freckmann und Harun Lehrer die Integration. Für den Stiftungsverbund engagieren sich Dr. Sandra Mittag (Gesellschaft macht Schule) und Dr. Gerlinde Wouters (FÖBE, Förderstelle für bürgerschaftliches Engagement).
Kontakt
Kontakt zum Patenschaftsprojekt: MLLV, Tel. 089 - 721001807.
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