Festakt mit Protest
Frauengemeinschaft feiert Jubiläum - und ist sauer
"Das Thema soll nicht das ganze Jubiläum überschatten", betont Annemarie Auer. Aber wenn die Vorsitzende der kfd (katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) St. Rupert am Sonntag beim Festakt zum 100-Jahr-Jubiläum ihre Rede hält, wird sie nicht nur über die Vergangenheit und Zukunft der Frauengemeinschaft sprechen, sondern auch über die Gegenwart. Und da gebe es Wut, Trauer, Zorn, Hoffnungslosigkeit, Unverständnis und das Gefühl, von der Kirchenleitung nicht wertgeschätzt zu werden. Denn nicht nur seit Jahren, schon seit Jahrzehnten arbeiten so viele in der Gemeinde auf das große Ziel hin: die Renovierung ihrer Pfarrkirche St. Rupert am Gollierplatz. Die Außenrenovierung ist seit einem Jahr abgeschlossen. Die Innenrenovierung sollte eigentlich dieses Jahr beginnen, aber nun habe das Erzbischöfliche Ordinariat die Zusage zurückgenommen und die Zukunft des Gotteshauses völlig offen gelassen, erklärt Gemeindereferentin Elisabeth Stanggassinger: "Man wird einfach im Regen stehen gelassen. Ich empfinde das als demütigend für alle, die hier viel Kraft und Zeit aufwenden – nicht nur für die Renovierung, sondern für das ganze gemeindliche Leben. Das ist einer Kirche absolut nicht würdig."
Über 5.000 Euro Basar-Erlös
Dass die Kirchengemeinde für die Innenrenovierung auch selbst Mittel aufbringen muss war von vornherein klar, deshalb werden ja schon lange und auf vielfältige Weise Spenden gesammelt. Die Frauengemeinschaft etwa organisiert alljährlich einen großen Adventsbasar, dessen Erlös früher immer für die Kirchenrenovierung bestimmt war. Dieses Jahr behält die Frauengemeinschaft zehn Prozent des Erlöses für ihre eigenen Ausgaben zum 100-Jahr-Jubiläum, die restlichen 90 Prozent spendet die kfd statt für die Renovierung komplett an "Downkind e.V." – das sind immerhin 5.310 Euro. "Unsere Kirchenverwaltung hat uns davon abgeraten, in der derzeitigen Situation weiterhin Geld für die Renovierung zur Verfügung zu stellen", so Auer.
Postkarten-Aktion
Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat, die beiden ehrenamtlichen Gremien der Pfarrgemeinde St. Rupert, hätten eine Protestaktion vorbereitet, an der sich die kfd beteiligt: Beginnend mit dem Festgottesdienst am Sonntag werden an Gemeindemitglieder und alle Interessierten Postkarten verteilt, die dann massenhaft ans Erzbischöfliche Ordinariat geschickt werden sollen, so dass die Entscheidungsträger mit der Forderung nach der überfälligen Kirchenrenovierung postalisch überflutet werden.
Selber weißeln? Austreten?
"Man hat uns ja Hoffnung gemacht. Wir hatten doch Kunstaktionen in der Kirche im Hinblick auf die Renovierung", erinnert Auer. Manche Frauen hätten nun schon überlegt, den unteren, erreichbaren Bereich des Kirchen-Innenraums selbst zu weißeln. "Und es gab schon Stimmen die meinten, wir sollten alle geschlossen aus der Kirche austreten", berichtet die kfd-Vorsitzende. "Wir Frauen haben generell in der katholischen Kirche sowieso schon keine gute Stellung. Es sind ja auch schon viele ausgetreten. Und wir wenigen, die noch da sind, werden nun so vor den Kopf gestoßen."
Vor 100 Jahren
Auer fühlt sich durchaus erinnert an die Revolutionsstimmung, die vor 100 Jahren geherrscht haben muss. Die Gründung der Frauengruppe in der Pfarrei sei vom Pfarrer ausgegangen, "Frauen durften damals solche Ideen nicht haben. Aber es gab Treffen von Frauen und ich glaube der Pfarrer hat gemerkt, dass er den Bedürfnissen der Frauen Raum geben muss. Er muss gedacht haben: ,Wenn ich jetzt nichts tu, dann laufen sie mir davon'". 1918 war die Not groß, viele Männer waren nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurück gekommen, "es war ein Gebets- und Unterstützungsverein. Die Frauen haben gemeinsam gebetet und sich gegenseitig unterstützt."
Im Jahr 1935 seien 1.173 Frauen der Pfarrgemeinde St. Rupert Mitglied der kfd gewesen. Über den Zweiten Weltkrieg dann sei sie verboten gewesen, habe aber immer weiter bestanden. Leider sei ein großer Teil der historischen Unterlagen über die kfd St. Rupert verloren, berichten Auer und Stanggassinger. Nach dem Tod einer früheren Vorsitzenden hätten deren Erben die Unterlagen einfach weggeworfen.
Heute hat die Frauengemeinschaft St. Rupert 60 Mitglieder "und gehört damit im Stadtgebiet zu den stärkeren", sagt Auer. Auf Bundesebene sei es aber der größte Frauenverband überhaupt und habe mit 500.000 Mitgliedern und einigen Politikerinnen durchaus gesellschaftspolitisches Gewicht.
Zusammenhalt und Vielfalt
Auer ist mit einer intensiven Jugendarbeit in der Pfarrgemeinde St. Paul aufgewachsen. "Als ich hier raufgeheiratet habe, war ich auf der Suche nach meinem Platz als erwachsene Frau in der Kirche." Zusammen mit zehn bis 15 weiteren damals jungen Frauen habe sie dann ihren Platz in der kfd St. Rupert gefunden, die damals von Lore Dillmeier geleitet wurde. "Sie hat uns sehr unterstützt. Mit der Zeit hat sich das Miteinander der ,Alten' und der ,Jungen' gut entwickelt." Nun hat sie selbst bereits seit Mai 2006 den Vorsitz inne und freut sich, dass es auch heute wieder junge Frauen gibt, die "nachwachsen" in die kfd.
Was für sie den Reiz der Gemeinschaft ausmacht? "Der Zusammenhalt, die Fürsorge untereinander, dass man sich wirklich gut kennen lernt." Und die bunte Vielfalt der unterschiedlichsten Frauen zwischen 19 und 98 Jahren. "Neue Mitglieder sind herzlich willkommen, wir sind für alle Frauen offen", so Auer. Im Angebot sind zahlreiche Gruppen und Veranstaltungen: Handarbeitsgruppe, kfd-Treff, Stammtisch, Besinnungsnachmittage mit Stanggassinger. Es wird gemeinsam für den Adventsbasar und den Ostermarkt gebastelt und als besonderes Highlight genießen die Frauen ihren jährlichen Cocktailabend.
Gottesdienst und Festakt
Das 100-Jahr-Gründungsjubiläum feiert die Frauengemeinschaft mit einem Festgottesdienst am Sonntag, 16. Dezember, der um 10 Uhr in der Pfarrkirche St. Rupert ( Kilianspl. 1) beginnt. Der anschließende Festakt mit Redebeiträgen und Sektempfang findet ebenfalls in der Kirche statt. Eingeladen sind nicht nur die kfd-Frauen, Hauptamtliche, Pfarrverbandsmitglieder und Freunde, sondern alle interessierten Gäste.
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