"Es fällt mir schwer, eine Entscheidung zu treffen"
Wie regeln wir unser Erbe?
Erbschaften sind, sehr vereinfacht gesagt, das, was uns die „Alten“ übriglassen. Gedanken über das Thema Erbschaft machen sich die Meisten erst dann, wenn es akut oder zu einem Problem geworden ist. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Testament und dem Ableben eines geliebten Menschen ist oft zu schmerzhaft. Zudem erscheint die Thematik Erbschaft zunächst sehr bürokratisch und kompliziert. Begriffe wie Erbschaftssteuer, Testierfreiheit und gesetzliche Erbfolge wirken zunächst überfordernd oder abschreckend. Obwohl einiges gesetzlich geregelt ist, sollte man sich nicht ausschließlich auf den Staat verlassen. So können nächste Angehörige des Erblassers auf die gesetzliche Erbfolge zurückgreifen, die durch den sogenannten Erbschein erfolgt. Individuelle Bedürfnisse oder Wünsche werden so jedoch nicht berücksichtigt. Diese können nur in Form eines Testaments oder Erbvertrages geregelt werden, die der Erblasser zu Lebzeiten aufsetzt, um seinen Nachlass zu regeln und seine Erbfolge festzulegen.
Mit seinen Angehörigen zu sprechen ist demnach der Schlüssel zu einem bestmöglichen Konsens. Unterschiedliche Vorstellungen im Ernstfall zum ersten Mal anzusprechen, ist riskant und führt schnell zu Streit und Unmut. Trotz der schwierigen Thematik gibt es viele Menschen, die gerne mehr mit ihrer Familie darüber wollen. Besonders intergenerationelle Unterschiede und Vorstellungen betrachten wir in diesem Zusammenhang. Dabei ist es interessant zu hören, was junge Menschen womöglich erwarten und was ältere Menschen dazu zu sagen haben. Was ist ihnen bei dem Thema Erbschaft wichtig?
"„Ich hoffe, es bleibt noch Lebenszeit"
Die alte Generation: Nikolaus Nachtigall, Lehrer und Schreinermeister, 65 J.:
Das Thema Erbschaft betrifft mich momentan mehr aus der Perspektive des Erben. Als Erbe liegt für mich die Problematik im Anerkennen des Willens des Erblassers. Aus welchen Motiven heraus hat er sein Erbe so verteilt und nicht anders? Da in meinem Fall vor dem Tod kein konstruktives Gespräch des Vaters mit allen Erben erfolgte und die Geschwister auch schon vorher untereinander zerstritten waren, bleibt für alle ein Gefühl von Ungerechtigkeit zurück.
Es folgt nun eine lange gerichtliche Auseinandersetzung über den tatsächlichen Willen des Vaters, da zwei widersprüchliche Testamente vorgelegt wurden. Diese Testamente wurden im Abstand von 10 Jahren erstellt. Das letzte Testament entstand kurz vor seinem Tod im Krankenhaus. Bei diesem Testament stellt sich die Frage der Testierfähigkeit.
Der Erbfall wird durch Anwälte, Richter und ärztliche Gutachten entschieden. Eine gütliche Einigung scheint zurzeit nicht möglich.
Um meine Kinder nicht in eine solche Situation zu bringen, versuche ich schon im Vorfeld eine Gleichbehandlung aller zu erreichen.
Da die Familien-Immobile mit viel Eigenleistung von mir erstellt wurde, möchte ich sie gern innerhalb des Besitzes der oder eines Kinder/s erhalten haben. Wie ich die dabei notwendige Ungleichbehandlung ausgleiche ist mir noch unklar und erfordert weiterhin Kontakte und Gespräche mit allen Kindern, um zu einem Konsens zu kommen. In Anbetracht der speziellen Eigenschaften und Lebensperspektiven (soweit schon erkennbar) der einzelnen Kinder schließe ich eine pauschale Gleichverteilung der Immobile aus, da es den Verkauf an andere bedeutet.
Zu den weiteren Überlegungen gehört meine Frau. Sie soll im Falle meines Todes vor ihr eine Möglichkeit haben, das Erbe, dass ich meinen Kindern zukommen lassen will, ohne zu starke Einschränkung der eigenen Absicherung auszuzahlen oder auszuhändigen.
Bis jetzt besteht zwischen ihr und mir Einigkeit, dass eine Gleichverteilung des Besitzes unter den Kindern soweit möglich erreicht werden soll.
Die rechtzeitige Vorsorge schiebe ich zurzeit noch vor mir her. Mein Vater ist mit 57 Jahren sehr plötzlich innerhalb von 2 Tagen gestorben. Deshalb habe ich auch für mich die Möglichkeit eines frühen Todes nicht ausgeschlossen. Immer wieder denke ich an die Endlichkeit meines Daseins. Meistens werde ich dann sentimental und nehme den Moment besonders war, den Duft von frischem Heu, das klare Wasser der Isar, den Wind am Walchensee, ein Konzert usw. und werde traurig bei dem Gedanken diesen Moment nicht noch einmal erleben zu können.
Es fällt mir schwer, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Ich hoffe es bleibt mir noch einige Lebenszeit und ich werde zum richtigen Zeitpunkt ein von allen meinen Kindern als gerecht empfundenes Testament verfassen.
"In meinem Alter hat man einfach ganz andere Dinge zu tun"
Die mittlere Generation: Lucas Nachtigall, Grundschullehrer, 30 J.:
Über Erbschaft habe ich mir bis jetzt ehrlich gesagt wenig Gedanken gemacht. Was die Formalitäten angeht, weiß ich, ab wann ein Testament gültig ist und was man dabei ungefähr beachten muss. In meinem Alter hat man auch einfach ganz andere Dinge zu tun, ich arbeite Vollzeit. Jetzt festzulegen, was ich später einmal vererben will, wäre ganz schön vorausgegriffen. Wie soll ich heute sagen können, ob ich in 20 Jahren ein Haus werde vererben können oder nur einen Schrank voll Klamotten?
Zudem weiß ich noch nicht einmal, ob ich Kinder kriegen will und werde. Und das ist bei einer Erbschaft für mich der Hauptgrund für ein Testament: eigene Familie. Das Thema erscheint mir einfach noch in sehr weiter Ferne. Trotzdem muss ich sagen, dass ich merke, wie wenig ich mich bis jetzt damit auseinandergesetzt habe und es interessant wäre, mehr zu erfahren. In meiner eigenen Familie ist das Thema dadurch, dass der Großteil meiner Großeltern schon lange vor meiner Geburt verstorben sind, auch nicht aktuell. Der Alltag verlangt nicht danach! Im Hier und Jetzt geht es um Arbeitsleistung und Freizeitgestaltung und damit bin ich auch vollkommen ausgelastet. Mein Zukunfts-Ich wird sich mit dem Thema wesentlich mehr beschäftigen müssen, als ich es gerade tue und das stört mich auch nicht.
Wenn es eine Sache gibt, die ich vererben könnte, dann würde ich vermutlich etwas nicht Materielles vererben. Besitz ist mir nicht so wichtig wie anderen. Aber es ist echt schwer zu sagen, was … Meiner Familie würde ich vielleicht gerne wichtige Erfahrungen von mir vermachen.
" Harmonie ist die beste Medizin"
Die junge Generation: Monika Prechtl, 20 J.
An wichtigster Stelle steht für mich die Psyche des engsten Kreises der Verstorbenen. Dazu gehören bei einer traditionellen Familienkonstellation meines Erachtens nach der Ehepartner, die leiblichen Eltern, Geschwister und Kinder. Jeder des engsten Kreises sollte mindestens einen Gegenstand bekommen, mit dem er sich besondere Erinnerungen der verstorbenen Person ins Gedächtnis ruft. So hat man in jedem Fall einen Platz, nämlich den Ort dieser Materie, an dem man immer trauern kann und diese Person gegenwärtig zu sein scheint. Dabei denke ich an Dinge, die man in seiner eigenen Wohnung / Haus aufbewahren kann, vielleicht auch benutzen oder tragen. Sogar hier kann der Streit schon vorprogrammiert sein, wenn mehrere dasselbe Ding wollen. Es kann nicht für alles eine gesetzliche Regelung geben, denn so würde man seine Handlungsfreiheit irgendwann vollkommen verlieren, also kann ich in so einem Fall nur an die Menschlichkeit plädieren. Keiner der Personen hat mehr Recht auf einen gewisse Sache als ein anderer aus diesem engsten Kreis, also entscheidet bei Nicht-Einigung der “Zufall”, indem man es beispielsweise einfach auswürfelt. Um es auch da noch unmanipulativ zu gestalten könnte bei zwei Personen jeder einmal würfeln. Ist es dadurch “Gleichstand” wird es einfach wiederholt, irgendwann muss ja zweimal dasselbe rauskommen und somit eine Person gewinnen und den Gegenstand erhalten. Das kann man mit einer x-beliebigen Anzahl an Menschen machen.
Die Harmonie im engsten Kreis hört für mich auf, wenn Habgier und Eifersucht die Überhand nehmen. Das Auswürfeln ist wahrscheinlich die schlimmste und meiner Meinung nach traurigste Lösung im Rahmen der Harmonie und die Beste im Rahmen der Disharmonie. Und um den Bogen zu schließen: Harmonie ist die beste Medizin für eine gebrochene Innenwelt.
Die gesamte Erbschaft, die über diesen “mindestens einen Gegenstand” hinausgeht, sollte mit Hilfe des Testaments (was absolut zu akzeptieren ist, schließlich kann auch jeder Lebende im Rahmen des Rechts mit seinem Hab und Gut machen, was er will) geregelt werden. Der einzige Fall, in dem ein solches Testament nicht nötig wäre ist, wenn die Überbliebenen die Familie über das Geld stellen. Und ich hoffe, dass wir irgendwann in so einer Welt leben werden – der beste Anfang ist bei sich selbst!
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