„Erinnerung wach halten“
In der Romanstraße 74 erinnert nun eine Stele an das NS-„Euthanasie“-Opfer Theodolinde Diem
In München wurden 2.026 Frauen, Männer und Kinder zwischen 1939 und 1945 als „lebensunwertes Leben“ Opfer des nationalsozialistischen „Euthanasie-“ und Vernichtungsprogramms und durch Kohlenmonoxid, überdosierte Medikamente und gezielten Nahrungsentzug ermordet. Am 18. Januar 1940 sind von der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar die ersten Patienten im Rahmen der „Aktion T4“ in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert und mit Gas getötet worden. Genau 79 Jahre später, am 18. Januar 2019, wurde nun unter anderem in der Romanstraße 74 eine Erinnerungsstele für das „Euthanasie“-Opfer Theodolinde Diem der Öffentlichkeit übergeben.
„Erinnerung war jahrzehntelang ausgelöscht“
„Es ist an uns Nachgeborenen, die Erinnerung wach zu halten, denn es gibt kein Verständnis von Gegenwart und Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit“, sagte Stadträtin Anna Hanusch in Vertretung des Oberbürgermeisters. „Hunderttausendfacher Massenmord an wehrlosen kranken und behinderten Menschen, ausgeführt von denjenigen, die sie schützen, heilen und pflegen sollten. Die Opfer waren keine anonyme Masse, sondern einzelne Menschen, die lachten oder weinten, fröhlich oder traurig waren und wie wir alle Hoffnungen und Träume hatten. Die Erinnerung an sie war jahrzehntelang ausgelöscht“, so die Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) weiter. „Was nicht erinnert wird, kann jederzeit wieder geschehen, wenn die äußeren Lebensumstände sich entscheidend verschlechtern. Die Erinnerung soll Teil unserer Stadtgesellschaft werden.“
Bei der Feierstunde anwesend war auch die Nichte von Theodolinde Diem, Lisa Wanninger. „Mir ist es sehr wichtig, dass die Erinnerungsstele nun übergeben wurde. Sie soll vor allem die jungen Leute darin erinnern, dass so etwas nie mehr passiert. Und auch die älteren Menschen können daraus noch etwas lernen“, betonte die Initiatorin der Erinnerungsstele und Zeitzeugin. „Ich habe meine Tante in der Zeit erlebt, als ich zwischen sieben und zehn Jahre alt war. Sie war teilweise ganz witzig und sehr ausgelassen.“
Theodolinde (Thea) Diem wurde 1908 als jüngste von drei Schwestern geboren, wuchs in Nymphenburg auf und besuchte die Höhere Mädchenschule. Als junge Erwachsene bekam sie Anfälle und konnte zu Hause nicht mehr versorgt werden. Ihre gläubigen Eltern mussten sie schweren Herzens in die Assoziationsanstalt Schönbrunn geben. Dort besuchte die Familie sie regelmäßig. Am 29. April 1941 wurde sie in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert und ermordet.
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