Erhebliche Probleme im Schulalltag
Inklusion: Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung
Der Handlungsbedarf beim Thema Inklusion ist an den Schulen unverändert groß. Auch acht Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention durch die Bayerische Staatsregierung äußern sich noch immer viele Lehrkräfte kritisch über die schlechten Voraussetzungen, die sie an den Schulen vorfinden. „Für viele zählt die Umsetzung der Inklusion nach wie vor zu den größten Belastungsfaktoren“, kritisierte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, anlässlich des „Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung“ am 3. Dezember. Weil die meisten Regelschulen noch immer weder personell noch räumlich auf Kinder mit Förderbedarf vorbereitet sind, seien erhebliche Probleme im Schulalltag die Folge.
Keine "echte Inklusion"
Allein in Bayern gebe es derzeit rund 74.000 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. „Das sind 5.000 mehr als noch vor zehn Jahren“, erklärte Fleischmann. Etwas mehr als ein Viertel der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf werde in allgemeinbildenden Schulen inklusiv beschult, bundesweit sei es ein Drittel. Aufgrund steigender Schülerzahlen und Diagnosen sei in den kommenden zehn Jahren mit einem starken Anstieg der Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu rechnen.
„Inklusion ist also kein Thema, das heute aktuell ist und morgen nicht mehr.“ Es werde im Gegenteil eines der großen Themen der nächsten Jahre und Jahrzehnte werden. Das müsste auch bedeuten, dass bildungspolitisch alles dafür getan werde, um diese Herausforderung zu meistern. Doch ein kurzer Blick in die Schule genüge, um festzustellen, dass dort „echte Inklusion“ nicht stattfinde. „Es fehlt an Personal, Zeit und Geld.“
"Nicht akzeptabel"
Der Gedanke des inklusiven Unterrichts treffe zudem vor allem in Bayern auf eine stark separierende Schulstruktur: Sei in Kindertagesstätten das gemeinsame Spielen und Lernen noch am ehesten verbreitet - der Inklusionsanteil beträgt in Bayern knapp 42% (bundesweit 67%), fällt dieser Anteil in den Grundschulen auf knapp 37% (bundesweit 47%) und in der Sekundarstufe I auf nur noch 23% (bundesweit 30%) ab. Besonders auffällig sei, dass Inklusion ab der Sekundarstufe hauptsächlich in den Mittelschulen stattfinde. „Das ist nicht akzeptabel“, kritisierte Fleischmann. Sie forderte daher, bei der Umsetzung der Inklusion auch einen Fokus auf die Schularten Realschule und Gymnasium und nicht zuletzt auch auf die Ausbildung zu richten. „Inklusion muss im gesamten Bildungsverlauf verankert sein.“
Mangelhafte Voraussetzungen
Fleischmann betonte erneut, dass der Wille und die Motivation der Lehrerinnen und Lehrer vorhanden seien. Das habe auch eine gemeinsam mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegebene Studie von diesem Jahr gezeigt. „Allerdings erleben viele, dass die Voraussetzungen für eine gelungene Umsetzung an den Schulen mangelhaft sind. Die meisten fühlen sich mit der Aufgabe allein gelassen. Für viele Lehrkräfte wäre es schon hilfreich, wenn sie besser auf die Herausforderung vorbereitet wären“, so Fleischmann. Sie wünschten sich deutlich kleinere Inklusionsklassen, bessere Möglichkeiten für Teamteaching, für Kooperationen mit Sonderpädagogen und für die Entwicklung von Förderplänen. Dringend benötigt würden auch geeignete fachliche und sachliche Lehr- und Lernmittel sowie individuelle Fördermaßnahmen. „Diese Forderungen sind nicht neu“, sagte Fleischmann. Und das sei das Alarmierende - obwohl die Not seit Jahren groß ist und alle Beteiligten unter der Situation leiden, habe sich nichts getan. „Die Schulen bleiben mit den Problemen allein.“
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