"Eingreifen schadet meist nur"
Wann benötigen Jungvögel menschliche Hilfe?
Wenn Wildvögel fleißig Äste und Moos sammeln und mit Nistmaterial im Schnabel herumfliegen, kann man bald das Piepsen des Nachwuchses aus dem Nest vernehmen. "Spätestens dann hören die Telefone bei uns im Tierheim nicht mehr auf zu klingeln", sagt Judith Brettmeister, Sprecherin des Tierschutzvereins München. "Wenn die Münchner vermeintlich verletzte oder flugunfähige Jungvögel finden, wollen sie helfen und bringen sie zu uns. Das ist gut gemeint, schadet den Jungtieren aber meist und sorgt bei unseren Wildtierpflegern für unglaublich viel Arbeit." Den Münchner Wochenanzeigern erklärt die Tierschützerin, wann ein Wildvogel wirklich Hilfe benötigt.
Nackt oder verletzt
"Wer einen sogenannten Nestling mit keinen oder nur sehr wenig Federn findet, sollte sich zunächst umgucken, ob ein Nest in der Nähe ist, aus dem das Tier herausgefallen sein könnte", so Brettmeister. Für den Fall, dass kein Nest oder gleich mehrere Nester in der unmittelbaren Umgebung sind, benötige der Jungvogel sofort Hilfe. "Da Tierärzte Wildvögel aufgrund der intensiven Betreuung (die Kleinen müssen anfangs stündlich von Hand gefüttert werden) nicht aufnehmen, sollte das Tier in einer mit Küchenkrepp ausgelegten Kiste ins Tierheim in die Riemer Straße 270 gebracht werden." Grundsätzlich sei die oberste Prämisse, den Piepmatz nicht zu füttern, wenn man sich nicht genau auskenne: "Ein verfüttertes Insekt kann einem Körnerfresser das Leben kosten!", warnt die Tierschützerin.
Ebenfalls schnell sollte man handeln, wenn das Tier eine Verletzung hat, blutet oder enorme Bewegungsschwierigkeiten zu haben scheint: "Hier bitte nicht den Umweg über das Tierheim nehmen, sondern gleich zu einem Tierarzt bringen", rät Brettmeister.
Vollständig befiedert
Hat der Jungvogel bereits sein vollständiges Federkleid entwickelt, wird er als Ästling bezeichnet. Ästlinge verlassen das Nest oft in einem nicht flugfähigen Zustand, werden von den Elterntieren jedoch in der Umgebung weiter versorgt. "Solche Jungvögel brauchen in den meisten Fällen keine menschliche Hilfe", so Brettmeister, "es sei denn, sie sind offensichtlich verletzt oder befinden sich in einer Gefahrenzone. Flattert das Tier unbeholfen auf der Straße, auf Fuß- oder Radweg herum, sollte man es ins nächste sichere Gebüsch setzen und nach den Elterntieren Ausschau halten. Diese sind meist nicht weit weg und kehren bis zur Flugfähigkeit immer wieder mit Futter zu den Ästlingen zurück."
Was aber, wenn die Eltern tatsächlich nicht mehr zu ihrem Schützling zurückkehren? "Wenn das Jungtier geschwächt ist und sich bei Annäherung nicht zu entfernen versucht, sollte es ein paar Tage von Hand gefüttert werden, bis es wieder zu Kräften kommt. Auch hier gilt: Bitte machen Sie dies nur, wenn Sie genau wissen, welchem Vogel Sie was füttern können. Eine falsche Fütterung führt zum Tod des Tieres! Sollten Sie unsicher sein, kommen Sie bitte mit dem Vogel umgehend in unser Tierheim – wir werden uns hier dann um alles Weitere kümmern!", versichert die Tierschützerin.
Weitere Fragen rund um Jungvögel beantworten unter der Tel. (089) 921000-33 oder -37 die Tierschutzinspektoren des Tierschutzvereins München.
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