Ein Tsunami namens Krebs
Luca Fabiano berichtet über seine Erkrankung
Plötzlich war er da, dieser Schmerz. Luca Fabiano erinnert sich noch genau an den Tag im Jahr 2010. "Im Fußballtraining hat mein rechter Fuß zum ersten Mal weh getan", sagt der gebürtige Münchner mit italienischen Wurzeln. "Aber dann war es recht schnell wieder vorbei und ich habe mir nichts weiter dabei gedacht." Bis nach einigen Wochen dieser Schmerz zurückkehrt – und nicht mehr verschwindet. "Dann wurde es so schlimm, dass ich eine ganze Nacht nicht schlafen konnte", so Luca Fabiano. Was folgt, sind Arzttermine, orthopädische Einlagen und kein Ende der Schmerzen. Eine Gewebeentnahme bringt schließlich die schreckliche Gewissheit: Der damals Zehnjährige hat Knochenkrebs. Er leidet am so genannten Ewing Sarkom.
Vom Klassenzimmer ins Krankenbett
Wie ein Tsunami rauscht die Krankheit in Lucas Familie. "Von den ersten Schmerzen bis zur Diagnose vergingen gut sechs Monate", blickt Luca Fabiano zurück. "Bei mir stand damals gerade der Übertritt von der Grundschule aufs Gymnasium an." Die neue Schule kann Luca nur rund vier Wochen besuchen, dann wird er aus dem eben entstehenden Klassenverbund herausgerissen. Er tauscht das Klassenzimmer mit einem Krankenbett auf der onkologischen Station der Kinderklinik Schwabing. Seine neuen Freunde wird er über ein Jahr nicht mehr sehen. Ans Fußballspielen – seine große Leidenschaft – ist überhaupt nicht zu denken, der Traum von der Profifußballkarriere ist geplatzt. Jetzt geht es ums Überleben.
Übelkeit, Fieber, Angst
Die Behandlung beginnt mit einer Chemotherapie. Sechs Blöcke. "Das war krass. Das war wirklich richtig schlimm", sagt der heute 18-Jährige. Von Oktober 2010 bis April 2011 kämpft Luca gegen Übelkeit, Fieber, Angst. "Ich konnte nichts mehr essen, nichts mehr trinken. Mir war nur noch schlecht." In einer einzigen Nacht verliert er alle Haare. "Ich hätte nie gedacht, dass das so schnell geht." Kontakt zu anderen Patienten auf der Station? Luca schüttelt den Kopf. "Mir ging es so schlecht, dass ich keine sozialen Kontakte wollte." Seine Eltern sind rund um die Uhr bei ihm, sein Vater lässt sich ein Jahr von der Arbeit beurlauben, weicht dem Sohn nicht mehr von der Seite. Lucas Schwester ist drei Jahre älter. "Sie musste verfrüht erwachsen werden", sagt der junge Mann.
Dann ein erstes Aufatmen: Der Tumor ist nicht gewachsen. "Beim Ewing Sarkom gibt es eine standardisierte Therapie. Nach der Chemo kam die Operation", sagt Luca Fabiano. "Die Ärzte mussten mir fast die ganze Ferse abnehmen." Doch damit ist es nicht getan. Der Operation schließt sich wieder eine Chemotherapie an. Diesmal sind es acht Blöcke. "Das war auch hart, aber nicht ganz so schlimm wie die ersten sechs Blöcke", sagt er. Parallel dazu wird Luca bestrahlt. Im November 2011 endet der letzte Chemo-Block. Luca kommt nachhause. Von nun an muss er eine Schiene am Fuß tragen, die bis unters Knie reicht. Er weiß, dass das Rückfallrisiko hoch ist. Die nächsten fünf Jahre! Wenn da bloß nichts wieder kommt!
Wieder in die Schule
Die nächste Herausforderung ist die Eingliederung in die Schule. "Das war auch heftig. In der Klasse hatten sich längst kleine Gruppen zusammengefunden und ich war der, der mal kurz in der fünften Klasse da war und dann wieder weg. Ich kannte ja praktisch niemanden und die Mitschüler waren schüchtern und wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollten." Doch Luca hat einen großen Vorteil: Er ist offen und strahlt jede Menge Zuversicht aus. Er schafft das. Luca lächelt, als er weitererzählt. "Klar hat man mich aus Mitleid in die sechste Klasse gelassen. Aber ich konnte ja nichts dafür, dass ich die fünfte nicht machen konnte." Er nimmt die Herausforderung an, packt das Schuljahr und alle weiteren auch. "Bis zur achten, neunten Klasse war ich nicht sehr gut", gesteht er. Dann aber will er es allen beweisen. Zwischen regelmäßigen Nachuntersuchungen und der ständigen Angst vor einem Rückfall paukt er für die Schule. Und er treibt Sport: joggen, Fitnesstraining, seit drei Jahren spielt er wieder Fußball. "Sport ist und war immer sehr wichtig für mich", sagt er.
2016 wird die Angst wieder ganz konkret: Die Ärzte entdecken "etwas" auf einer Niere. "Ob das mit dem Ewing Sarkom in Zusammenhang stand, ist nicht klar, aber mir musste eine halbe Niere entfernt werden", sagt Luca Fabiano.
Dann geht es auf der Zielgeraden zum Abitur. Luca lernt. Und legt in diesem Jahr einen Abi-Schnitt von 1,7 hin. Inzwischen studiert er Elektrotechnik an der TU München. Sein Traum jedoch heißt "Medizinstudium". Im kommenden Jahr möchte er den Medizinertest machen – wieder eine Herausforderung. Doch kein Vergleich mit dem Ewing Sarkom, diesem Tsunami, der alles mitzureißen drohte. Der aber nicht mit Luca Fabiano gerechnet hat. Und seinem Willen zum Leben.
An der Seite der Familien
Die Initiative krebskranke Kinder München e.V. gewährt finanzielle, unbürokratische Unterstützung für bedürftige Familien. Denn meist ist es so, dass ein Elternteil während der Akuterkrankung nicht arbeiten kann, so wie der Vater von Luca Fabiano. Seit 1985 unterstützt der Verein die jungen Patienten und ihre Angehörigen während der langen Zeit der Klinikaufenthalte durch unterschiedliche Hilfsangebote. Sie schenken den Familien ein Stück Lebensqualität in dieser schweren Zeit. Die Initiative ermöglicht durch die Bezahlung von psychosozialem Personal – Psychologen, Sozialpädagogen, Erzieher, Kunst- und Musiktherapeuten, Ernährungsberatung, Sportprojekt – die bestmögliche Versorgung des Kindes. Kleine Angebote wie das gemeinsame Kochen am Mittwoch oder das Feiern von Festen lenken wohltuend vom Klinikalltag ab. Die Initiative trägt zudem zur Ausstattung der Kinderkrebsstation bei, z.B. durch die Einrichtung einer Elternküche oder Anschaffung von Spielmaterial, und sie unterhält zwei Elternwohnungen in unmittelbarer Kliniknähe. Finanziert wird das alles über Spenden.
Die Initiative krebskranke Kinder München e.V. versteht sich als Interessensvertreter der Familien und hat in den letzten Jahren wichtige neue Hilfsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt.
Wer den Verein finanziell unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto spenden:
Initiative krebskranke Kinder München e.V.
HypoVereinsbank München
IBAN: DE83 7002 0270 0002 4400 40
Kennwort: "Lebenshelfer"
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