Die wachsamen Augen der Diplomaten
Auf Münchner Amateurfußballplätzen sind immer häufiger Spielbeobachter unterwegs
Sie agieren offen oder verdeckt, stehen als stille Betrachter am Spielfeldrand und greifen ein, sollten die Emotionen mal hochkochen: Münchens Spielbeobachter. Seit sieben Monaten werden sie vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) organisiert und gezielt bei Amateurspielen eingesetzt, um einen stichprobenartigen Einblick in das Spielverhalten der Münchner Vereine zu gewinnen.
Aber was sind das für Menschen und was genau sind ihre Aufgaben? Die Münchner Wochenanzeiger haben mit BFV-Funktionär Bernhard Slawinski und drei Spielbeobachtern gesprochen, die Auskunft über dieses neuartige Ehrenamt gegeben haben.
Keine „Ersatzpolizei“
Die Idee, Spielbeobachter einzusetzen, stammt von Horst Winkler, dem Bezirksvorsitzenden des BFV. „Er beauftragte mich mit der Umsetzung und legte somit im Prinzip den Grundstein für die Initiative 'Fairplay München'“, erklärt Slawinski. Vor einigen Jahren seien bereits kurzzeitig Beobachter eingesetzt worden, doch erst im Rahmen der Initiative entstand eine konzeptionelle Umsetzung, die Einführung eines umfangreichen Schulungsprogramms und Fortbildungen seien ebenfalls in Planung. „Wir haben aktuell ein Team von vier Personen, das sich jede Woche darüber Gedanken macht, welche Spiele besetzt werden müssen und welcher Spielbeobachter für welches Match geeignet ist“, so der BFV-Funktionär. Die Art der Beobachtung hänge dabei von gewissen Faktoren wie der Häufigkeit von Sportgerichtsfällen, Meldungen der Schiedsrichter und Berichte bisheriger Beobachtungen ab. „In der Regel werden Spiele, denen wir eine höhere Brisanz zuordnen, offen beaufsichtigt, um präventiv zu agieren. Waren die Mannschaften bislang eher unauffällig, werden die Spiele verdeckt beobachtet, um Eindrücke von den Vereinen und deren Umfeld zu gewinnen.“
Für einige mag sich die Frage stellen: Möchte der BFV ein autoritäres und geheimes Überwachungsorgan etablieren? „Absolut nicht!“, lacht Bernhard Slawinski, Leiter der Initiative Fairplay München, und versichert: „Wir wollen auch keine 'Ersatzpolizei' vor Ort schaffen. Vielmehr geht es darum, durch die Präsenz von diplomatischen Respektspersonen Eskalationen auf Amateurfußballplätzen zu verhindern.“
Die Motive der Beobachter
Philipp Reisberg (22), Wolf Drees (72) und Gert Mauersberger (60) gehören zum aktuell 35-köpfigen Team der Münchner Spielbeobachter. Sie alle verbindet die Leidenschaft zum Fußball, die Liebe zum Vereinsleben und ihr Engagement für „Fairplay München“. Ihre Motive zur Übernahme dieses Ehrenamtes sind ähnlich. „Ich hielt es schon immer für wichtig, gegen Ausschreitungen im Fußball vorzugehen, weil wir dadurch zu viele junge Schiedsrichter verloren haben“, meint Gert Mauersberger, Schiedsrichter-Obmann des FC Bayern, und ergänzt: „Hier wurde nun durch die Initiative ein geeignetes Programm geschaffen, das dieses Problem an den Wurzeln anpackt. Daher hat es meine volle Unterstützung.“ Dieser Aussage stimmt auch Wolf Drees zu, der seit über 45 Jahren im Vereinsfußball – ebenfalls hauptsächlich beim FC Bayern – tätig ist: „Ich kann und will nicht verstehen, dass der Amateurfußball in einen schlechten Ruf abrutscht. Man muss in Erfahrung bringen, wo die Ursache liegt – auf dem Spielfeld oder außerhalb?“ Philipp Reisberg betont zudem, dass man als Fußballfan und Spielbeobachter das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann: „Ich habe Spaß am Fußballschauen und kann auf diese Weise sogar einen Beitrag zur Verbesserung der Situation auf unseren Sportplätzen leisten.“
Die Zeit, die sie hierfür investieren können, unterscheidet sich beträchtlich. Am aktivsten ist Wolf Drees mit 15 Stunden wöchentlich, was vermutlich auch daran liegt, dass er mittlerweile Pensionär ist. Circa fünf Wochenstunden ist Gert Mauersberger mit der Tätigkeit als Spielbeobachter ausgelastet und Philipp Reisberg kommt auf 30 Minuten, da er nebenbei noch als aktiver Schiedsrichter tätig ist.
Anforderungen
Zeitliche Mindestvorgaben für das Amt gibt es jedoch nicht, Bernhard Slawinski freut sich über jede Unterstützung. Wie er erklärt, gilt generell: „Der Spielbeobachter ist circa 30 Minuten vor Spielbeginn auf der Anlage und verlässt in der Regel mit dem Schiedsrichter den Sportplatz. Danach ist er noch ungefähr 15 Minuten damit beschäftigt, einen kurzen Bericht über seine Eindrücke zu schreiben.“
Ein Mindestalter wird ebenfalls nicht verlangt, allerdings „sollte die Person die Gabe besitzen, sich den nötigen Respekt vor Ort zu verschaffen“, so der BFV-Funktionär. Philipp Reisberg ist der Meinung, dass Spielbeobachter „Objektivität, Gelassenheit, eine gute Kommunikationsfähigkeit sowie Kenntnisse des Konflikt-Management“ mitbringen sollten. Gert Mauersberger ergänzt diese Auflistung durch „Erfahrung, Zurückhaltung und das Ausstrahlen von Besonnenheit“, Wolf Drees fügt „Aufgeschlossenheit und eine positive Einstellung zur sportlichen Qualität“ hinzu. Doch es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, daher sollen diese Softskills Interessierten künftig durch die geplanten Schulungsprogramme nahegebracht werden. Mauersberger empfiehlt diese Tätigkeit allen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, die sich aus ihrer aktiven Phase zurückziehen, der Schiedsrichterei aber weiterhin verbunden bleiben möchten und Reisberg betont, dass man dabei enorm viel über Menschen und Charaktere lerne und eine hohe Sozialkompetenz aufbaue, was einem auch im Berufsleben weiterhelfen kann.
Alle drei Beobachter versichern, dass sie bei den ihnen zugeteilten Spielen bislang nur positive Erfahrungen gemacht haben. „Bisher war jedes Spiel okay“, so Wolf Drees. „Am schönsten ist es, wenn man freundschaftlich und auch zufrieden von den beteiligten Teams empfangen wird.“ Und Gert Mauersberger erinnert sich freudig: „Ein Spiel war mal als absolut konfliktträchtig angekündigt, wurde aber von den Teams fast wie ein Freundschaftsspiel geführt.“ Ob das an der Vermutung der Mannschaften lag, dass ein Spielbeobachter anwesend sein könnte? Man kann es nicht mit Sicherheit sagen, doch der Einsatz der Beobachter erscheint hinsichtlich der Aussagen sinnvoll.
Spielbeobachter werden?
Wer mit dem Gedanken spielt, die Initiative „Fairplay München“ als Spielbeobachter zu unterstützen, kann sich an Bernhard Slawinski wenden, entweder über die offene Facebook-Gruppe „Fairplay München“ oder per Mail an: b.slawinski@fairplay-muenchen.de.
Übrigens: Unter den Spielbeobachtern befindet sich noch keine einzige Frau. Schade, denn das weibliche Geschlecht eignet sich ebenso gut für diese Aufgabe. Wichtig ist nur, dass man Spaß daran hat und sich für Fußball interessiert. „Ich verspreche: Unsere erste Spielbeobachterin lade ich auf eine Flasche Sekt ein!“, gelobt Bernhard Slawinski lachend.
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