Die Kuh muss vom Eis
Bürgerversammlung Obermenzing diskutiert Bebauung der Paul-Gerhardt-Allee
In absehbarer Zukunft wächst das Neubaugebiet an der Paul-Gerhardt-Allee an der Grenze zwischen Pasing und Obermenzing zu einem Gebiet für rund 5.000 Bewohner und ungefähr 1.500 Arbeitsplätzen. Damit bekommt Obermenzing ein Viertel seiner jetzigen Bewohner hinzu. Und auch Pasing-Nord expandiert erheblich. Zwar liegen die Bebauungswünsche und Architektenentwürfe vor, doch fehlt bislang ein schlüssiges Verkehrskonzept. Dies sorgte in der Bürgerversammlung Obermenzing für viel Diskussion und Bürgeranträge.
Denn laut Stadtplanern reichen die Tempo-30-Wege in der Nussel- und der Frauendorferstraße für den Baustellenverkehr und die künftigen Bewohner aus. Geplant sind bisher Busshuttles zum Nordausgang Pasinger Bahnhof. Dafür fällt der Parkplatzstreifen an der Nusselstraße weg. Der bis 2006 favorisierte Tunnel unter den Gleisen hindurch zur Landsberger Straße kommt nicht. Eine Brücke zur Landsberger Straße sowie ein S-Bahnhalt an der Berduxstraße sind in der Diskussion.
„Kleinstadt“ braucht Anbindung
„Wir brauchen endlich Gewissheit, wie die Kleinstadt angebunden sein wird“, kritisierte Birgitt Schmitt-Walter von der Bürgerinitiative Nusselstraße das Vorgehen der Stadt. „Das Paul-Gerhardt-Gebiet ist weder wirklich zentrumsnah, geschweige denn gut erschlossen! Die geplante ÖPNV-Anbindung kann miserabler nicht sein.“ Für großen Unmut in der Bürgerversammlung sorgten die vorgelegten Verkehrszahlen der Stadt.
„Die sind nicht nachvollziehbar“, schimpfte Maria Ecke-Bünger von der Interessengemeinschaft Offenbach-Meyerbeerstraße (IGOM). Statt angegebenen derzeit 4.000 Fahrzeugen seien dort 8.500 Fahrzeuge unterwegs. „Wir fordern eine Anpassung der Zahlen.“ Den Plan der Stadt, eine Verkehrszählung erst dann vorzunehmen, wenn die Bebauung abgeschlossen ist, sei nicht hinnehmbar. „Da wollen die amerikanischen und japanischen Investoren nur Kohle machen“, meinte ein weiterer Bürger in seinem Redebeitrag. „Die Wohnungen werden teuer verkauft und an Infrastruktur wird gespart. Wir brauchen einen Tunnel und einen S-Bahnhalt. Die Investoren müssen eingebunden werden“, verlangte er weiter und erntete für den Vorschlag anhaltenden Beifall und Bravorufe.
Keiner vom Planungsreferat anwesend
Der Gepflogenheit, Mitarbeiter der Stadtverwaltung in Bürgerversammlungen zu Wort kommen zu lassen, konnte Bürgermeister Josef Schmid (CSU) nicht nachkommen. Denn trotz der Brisanz des Themas und trotz der Aufforderung des BA nach Gesprächsbedarf war niemand vom Planungsreferat anwesend. „Ich frage mich jetzt auch, warum keiner kommt“, kommentierte er.
Der anwesende Stadtrat Johann Sauerer (CSU) sprang ein und erläuterte die Stadtratsmeinung sowie die Sicht der CSU. „Das Gebiet muss äußerst kritisch beurteilt werden“, meinte er. „Schließlich ist dies eine der letzten bebaubaren Bahnflächen in München. Derzeit prüft der Stadtrat die S-Bahnanbindung als kleines Ventil.“ Weitere Lösungen gebe es nicht. Für den Tunnel sowie für die Brücke habe es im Stadtrat eine Mehrheit gegeben.
Unterführung zur U-Bahn?
Nun habe die CSU-Fraktion einen Arbeitsauftrag an Stadtbaurätin Elisabeth Merk erteilt, nämlich die Machbarkeit einer Brücke zu untersuchen. „Dafür brauchen wir bis Weihnachten die Ergebnisse. Wir müssen die Kuh schleunigst vom Eis bringen. Denn mit acht Jahren Baustellendauer und danach erhöhten Anliegerverkehr müssen wir umgehen. Wir wollen Ihre Lebensqualität hier zumindest erhalten“, wandte er sich an die Bürgerversammlung.
Stadträtin Sonja Haider (ÖDP) pflichtete dem bei. „Wir hatten beantragt, erst die Baugenehmigungen zu erteilen, wenn die S-Bahnanbindung steht“, erklärte sie unter großem Beifall. „Doch das fand bei SPD und Grünen keinen Anklang.“ Auch Stadträtin Constanze Söllner-Schaar (SPD) ergriff das Wort. „Wir stellen morgen den Antrag zur Variantenprüfung, ob die U5 vom Knie nicht einen Fußgängertunnel ins Paul-Gerhardt-Gebiet bekommen kann.“ Doch blieb der Beifall dafür verhalten. Schließlich war es eine SPD-Entscheidung in der vergangenen Stadtratsperiode, den Tunnel fallen zu lassen.
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