„Die Chancen sind für alle da“
Wir alle wollen eine geschlechtergerechte Arbeitswelt. Wenn Sie – wie die „gute Fee“ im Märchen – mit einem Fingerschnippen drei Dinge in Beruf, Schule, Familie, Gesellschaft oder Politik sofort ändern könnten: Was würden Sie tun, um für ein bisschen mehr Fairness unter den Geschlechtern zu sorgen?
Ich glaube nicht, dass es unter den Geschlechtern an Fairness mangelt. Was ich aber sehr wohl beobachte ist, dass vielerorts Chancen nicht genutzt werden. Wenn ich auf das Handwerk schaue, dann sehe ich unter den rund 130 Ausbildungsberufen keinen einzigen, der nicht auch Frauen Karrierechancen bietet. Von der Auszubildenden über die Gesellin und Meisterin bis zur Unternehmerin tragen Frauen tagtäglich zum Erfolg der über 79.000 Handwerksbetriebe in Oberbayern bei. Fast jede vierte Gründung im Handwerk erfolgt durch eine Frau und fast jede fünfte erfolgreiche Meisterprüfung wird von einer Frau absolviert. Auf der anderen Seite liegt der Anteil der Frauen bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Handwerk erst bei rund 20 Prozent. Insbesondere in den gewerblich-technischen Berufen sind Frauen noch deutlich unterrepräsentiert. Das muss sich ändern. Genauso wünsche ich mir mehr Männer in bisher vordringlich von Frauen besetzten Berufen, wie den Friseuren oder Maßschneidern. Ich wünsche mir auch bei Eltern und Lehrern ein Umdenken, die ja die Entwicklung unserer Jugendlichen maßgeblich beeinflussen. Vor fast 40 Jahren fragte Herbert Grönemeyer in seinem legendären Männer-Song: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Noch immer scheint die Antwort darauf zu sein: Wenn er als Alleinverdiener eine Familie ernähren kann. Dieses Rollenbild ist völlig antiquiert. Heutzutage geht es auch andersherum: Frauen sind als Handwerkerinnen die Hauptverdiener, während sich der Mann daheim um die Kinder kümmert.
Hand aufs Herz: Können Sie sich für Ihre Position als Chef Ihres Bauunternehmens und als Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern eine Frau als Nachfolgerin vorstellen?
Natürlich! Ich hätte meine Töchter gerne in irgendeiner Form im Familienunternehmen gesehen. Beide haben sich jedoch für eine andere berufliche Laufbahn entschieden. Das respektiere ich als Vater nicht nur, sondern unterstütze es auch. Ich halte überhaupt nichts davon, Kinder in diese oder jene Richtung zu drängen. Und selbstverständlich kann ich mir auch an der Spitze unserer Handwerkskammer eine Frau vorstellen – wobei das letztendlich die Vollversammlung in einer geheimen Wahl entscheidet. Die Vizepräsidentin unserer Arbeitgeberseite, Carola Greiner-Bezdeka, ist eine sehr erfolgreiche Unternehmerin im Elektrohandwerk. Im Handwerk zeigt sich auch, dass die Betriebe gerade dann am stärksten sind, wenn sie von einem Ehepaar geleitet werden. 75 Prozent der Handwerksbetriebe sind Familienbetriebe. Ob dort eine Chefin oder ein Chef die Geschäfte führt, ist völlig egal. Die Chancen sind für alle da. Sie müssen nur genutzt werden.
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