"Das Wichtigste ist, dass wir alle Menschen sind!"
Die Münchner Wochenanzeiger zeichnen drei Schulen aus
Viele Menschen sind im vergangenen Jahr zu uns gekommen. Sie haben Krieg und Verfolgung überstanden und versuchen nun, in der Fremde Fuß zu fassen. Verbände und Betriebe sehen die große Chance, die die Schutzsuchenden für uns bringen - als künftige Arbeitnehmer, die den Fachkräftemangel abfedern; als künftige Beitragszahler, die Sozialsystem und Rentenversicherung stützen. Aber nicht alle Flüchtlinge sind gut ausgebildet und beruflich qualifiziert, viele haben noch nicht einmal eine Ausbildung. Die Aufgabe, sie in unsere Gesellschaft einzubinden, wird uns lange, vielleicht über Jahrzehnte, begleiten. Eine "Krise" ist das nicht - sondern eine Herausforderung, die wie andere auch bewältigt werden muss und die in einer wirtschaftlich starken Region wie München zu bewältigen ist.
Wir gehören zusammen
Wie gelingt "Integration"? Die Münchner Wochenanzeiger haben sich in diesem Jahr in vielen Beiträgen mit dieser Frage beschäftigt und eine Fülle von Beispielen gezeigt, wie das "Wir gehören zusammen" mit Leben erfüllt wird.
Besonders zahlreich waren die Aktivitäten der Schulen, über die berichtet werden konnte: Sie leisten einen grundlegenden Beitrag zur Integration und legen hierfür in der Regel die Basis - mit einem dauerhaften, arbeitsintensiven und nachhaltigen Engagement. Sie bereiten junge Flüchtlinge in Ü-Klassen auf den Alltag in Deutschland vor, sie begleiten sie beim Weg in Ausbildung und Beruf. Gleichzeitig zeigen viele "kleine" Beispiele, wie unkompliziert und schnell Schulen auf neue Herausforderungen reagieren. Während andere um politische Konzepte und Zahlen stritten, haben die Schulen vor Ort Integration einfach "gemacht": Mit der Fülle von Ideen, mit denen sie Flüchtlinge in ihren Alltag eingebunden haben, sind sie ein bemerkenswertes Vorbild.
Auszeichnung für das "Machen"
Um dieses "Machen" zu würdigen, haben die Münchner Wochenanzeiger drei Schulen mit ihrem Integrationspreis "Wir gehören zusammen" ausgezeichnet: Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich übergab die Preise bei einer kleinen Feier in der neuen Schule an der Meindlstraße an die Grundschule an der Bäckerstraße, die Grundschule an der Plinganserstraße und die Mittelschule an der Ridlerstraße.
Das Ankommen erleichtert
Die Grundschule an der Bäckerstraße richtete im Schuljahr 2014/15 kurzfristig eine Übergangsklasse ein. 15 Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren aus zehn Ländern bekamen hier die Möglichkeit, in der deutschen Sprache "anzukommen" und einiges am Grundschulstoff mitzunehmen. Lehrerin Mirjam Huber meisterte die Aufgabe mit viel Einfühlungsvermögen und Improvisationsgeschick, so Rektorin Christine Berchtold. Sie bedauert, dass die Ü-Klasse im laufenden Schuljahr nicht fortgeführt werden konnte, da Räume abgetreten werden mussten.
Miteinander Spuren hinterlassen
Die Kinder der Plinganserschule haben bei ihrem Projekt "Plingänse hinterlassen Spuren" nicht nur Senioren in Altersheimen vorgelesen oder im Viertel Müll gesammelt, sondern haben sich auch um ihre neuen Nachbarn gekümmert: Neben der Schule wurden im Sommer unbegeleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht; die "Plingänse" luden sie zum gemeinsamen Frühstücken und Spielen ein. "Wir haben uns gegenseitig gut kennengelernt und viel Spaß miteinander gehabt", erzählten die Schüler, "einige Flüchtlinge haben uns auch erzählt, warum sie bei uns sind. Viele von ihnen haben schon Schlimmes erlebt". Den Erlös aus ihrem Spendenlauf haben die Plingänse heuer den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. 6.000 Euro kamen zusammen. Dabei haben auch viele Sendlinger Bürger die Schule unterstützt, freut sich Rektorin Ulrike Bauer.
Ein Plus für die Zukunft
Die Mittelschule an der Ridlerstraße begleitet ihre Jugendlichen mit vielen Ideen bei der Berufswahl. In der Klasse 9Ü+ lernen die Schüler nicht nur Deutsch, sondern lernen an Praxistagen auch Betriebe kennen und erhalten praxisnahen Unterricht in berufsorientierenden Feldern wie Wirtschaft, Technik, Soziales. "Das ist eine ganz besondere Klasse", schilderte Evangelia die 9Ü+, "in unserer Klasse sind Schüler aus elf verschiedenen Ländern. Wir besuchen die Ridlerschule noch zwei Schuljahre und haben in dieser Zeit insgesamt 16 Wochen Praktika. Unser Ziel ist es, den qualifizierenden Abschluss zu erreichen und über die Praktika eine Ausbildungsstelle zu bekommen."
Wichtiges Signal
Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich überreichte die Auszeichnungen im Beisein von Schulrat Wolfgang Kreuzer an die Schüler und Lehrer der drei Schulen. Er dankte ihnen für ihr vorbildliches Tun. Der Integrationspreis, unterstrich er, setze ein wichtiges Signal für gelingende Integration in München.
"Ich wünsche mir, dass ..."
Ammar kam aus Syrien alleine nach Deutschland. Er schildert den Multikultitag an seiner Schule (dabei arbeiten Berufstätige mit den Schülern zusammen) und teilt seine Wünsche:
"Wir waren an unserem Multikultitag sehr fröhlich, weil wir eine Gruppe fast aus der ganzen Welt waren - aus Griechenland, Syrien, Deutschland und anderen Ländern. Die Zivilisationen sind nicht gleich, sondern es gibt Unterschiede zwischen Europa und Asien und so weiter. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen Menschen, die im gleichen Land leben. An diesem Tag hat jeder ein Essen aus seinem Land gekocht, natürlich war es ein sehr leckeres Essen. Obwohl alle aus verschiedenen Ländern kamen, sprachen alle Deutsch und trafen sich an einem Tisch zum Essen. Ich fand das wunderschön.
Ich wünsche mir, dass alle in Deutschland bleiben können, ohne Rassismus, und alle zusammenarbeiten für Frieden und Freiheit. Wir sollten immer daran denken: Das Wichtigste ist, dass wir alle Menschen sind!"
"Hervorragende Beispiele, wie Integration an unseren Schulen gelingen kann"
Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich würdigt Ideen und Einsatz vor Ort
"Die deutsche Sprache und unsere Grundwerte sind der Schlüssel für gelingende Integration und gute Perspektiven in unserer Gesellschaft. Es freut mich daher, dass die Schülerinnen und Schüler der drei Preisträgerschulen sich zusammen mit ihren Lehrkräften mit Engagement und Ideenreichtum für die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an ihren Schulen eingesetzt haben.
Junge Asylbewerber und Flüchtlinge, die eine Bleibeperspektive haben, werden in Bayern bei der Integration nachhaltig unterstützt. Hier leisten wir bereits sehr viel. Wir haben zum Beispiel rund 530 Übergangsklassen an Grund- und Mittelschulen. Dort lernen die Schüler vor allem Deutsch und die Grundwerte unserer Gesellschaft. An den Berufsschulen haben wir rund 450 zweijährige Berufsintegrationsklassen. Bei diesem deutschlandweit beachteten Modell liegt der Schwerpunkt im ersten Jahr auf der deutschen Sprache, im zweiten Jahr auf der Berufsorientierung.
Mit deutlich mehr Lehrern und Geld werden wir an den Schulen die Maßnahmen zur Integration von jungen Asylbewerbern und Flüchtlingen mit Bleibeperspektive 2016 stark ausweiten: Wenn der Landtag dem Nachtragshaushalt zustimmt, wird der Freistaat im kommenden Jahr rund 160 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
Vorbildliche Projekte
Die Grundschule an der Plinganserstraße, die Grundschule an der Bäckerstraße und die Mittelschule an der Ridlerstraße haben vorbildliche Projekte umgesetzt. Sie sind hervorragende Beispiele dafür, wie Integration an unseren Schulen gelingen kann. Für den großen Einsatz, den sie gezeigt haben, für die Ideen, die sie in die Tat umgesetzt haben, danke ich den Schülern, ihren Lehrern und den Schulleitungen sehr. Ich gratuliere ihnen zu ihrem Erfolg und wünsche ihnen für ihre wertvolle Arbeit weiterhin alles Gute."
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