"Das Thema Trauer ist wichtig"
Neues Angebot für junge Erwachsene bei Lacrima
Nach dem Tod einer nahestehenden Person – ob Eltern oder Lebenspartner – fühlen sich junge Erwachsene oft allein gelassen. Besonders dann, wenn sie allein in einer neuen Stadt sind, um hier zu studieren oder ihre Ausbildung zu machen. Die Johanniter haben nun das Angebot von Lacrima, dem Zentrum für trauernde Kinder, erweitert. In der neuen Gruppe "Never Lost" nehmen sie junge Erwachsene ab 18 Jahren auf und helfen, die Trauer zu verarbeiten. Unterstützung erfahren sie dabei von ehrenamtlichen Trauerbegleitern. Ziel der regelmäßigen Treffen im Trauerzentrum Lacrima (Perlacher Straße 21) ist es, einen aktiven Zugang zu den eigenen Trauergefühlen zu finden. Tanja Beetz sprach mit dem Leiter des Johanniter-Trauerzentrums, Diakon Tobias Rilling, und Rosemarie Fenzl, einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin.
"Zielgruppe schon lange wichtig"
Warum haben Sie sich bei Lacrima für die Trauerbegleitung junger Erwachsener entschieden?
Tobias Rilling: Die Zielgruppe ist uns schon lange wichtig und wir haben in der Stadt München und dem Umland ca. 130.000 Studierende und Auszubildende, die zum Teil zum ersten Mal von Zuhause ausgezogen sind und nach München gekommen sind. Für viele ist es das erste Mal weg von Zuhause und kein leichter Schritt, in eine Millionenmetropole zu ziehen. Deswegen ist es gut, wenn sich jemand um die jungen Erwachsenen in schwierigen Zeiten kümmert und sie länger begleiten kann.
"Noch nicht so weit"
Trauern junge Erwachsene anders als Kinder?
Tobias Rilling: Junge Erwachsene trauern natürlich schon anders als Kinder. Sie haben schon ein "erwachsenes" Verständnis vom Tod. Jedoch sind sie mit ihrer Lebenserfahrung noch nicht so weit. Für viele ist der Todesfall in der Familie der erste Berührungspunkt und deswegen auch eine erste Überforderung zumal sie auf sich alleine gestellt und nicht in gewohnter Umgebung sind.
"Dieser Austausch entlastet"
Wie können Sie helfen?
Tobias Rilling: Wir möchten den jungen Erwachsenen eine Anlaufstelle für ihre Gefühle in der schwierigen Situation sein. Wir bieten ihnen die Möglichkeit und den Raum, andere in ihrem Alter mit der gleichen Erfahrung kennenzulernen. Dieser Austausch entlastet und hilft, sein Leben gut zu meistern.
"Kaum nachvollziehbar"
Wie können Studien-, Arbeitskollegen oder auch WG-Mitbewohner mit der Trauer eines Freundes umgehen, der beispielsweise gerade einen Elternteil verloren hat?
Tobias Rilling: Genau hier liegt für viele die Überforderung. Da die Mitbewohnenden auch kaum Erfahrung mit dem Tod von Angehörigen gemacht haben, ist für sie die Trauer Betroffener kaum nachvollziehbar. Abschottung und Ablenkung sind an der Tagesordnung und nicht sehr hilfreich für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung, die gerade am Beginn der Selbstständigkeit wichtig wäre.
"Fünf Meldungen über die Homepage"
Wie ist die Nachfrage nach dem Angebot und was kostet es?
Tobias Rilling: In Zeiten der Pandemie ist das schwierig zu beantworten, da viele Betroffene nicht in der Uni und an den Ausbildungsstellen anzutreffen sind. Wir hoffen, über soziale Medien die Betroffenen in den WGs und Unterkünfte zu erreichen. Bislang haben wir fünf Meldungen über unsere Homepage bekommen, die an einer Gruppe Interesse haben. Das Angebot wird von der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. getragen und ist für die jungen Menschen umsonst.
"Ohne Ehrenamtliche nicht zu stemmen"
Wäre das Angebot ohne Unterstützung von ehrenamtlichen Mitarbeitern möglich?
Tobias Rilling: Unsere Arbeit basiert auf die Unterstützung von geschulten und engagierten Ehrenamtlichen. Ohne sie wäre dieses Angebot nicht zu stemmen. Wir sind dankbar, dass sich immer wieder Menschen für diese Mitarbeit interessieren und ausbilden lassen.
"Mein Herz purzelte vor Freude"
Wieso haben Sie sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit bei Lacrima entschieden?
Rosemarie Fenzl: Ich will unterstützen, bin gerne mit Kindern und Jugendlichen zusammen und spüre, dass das Thema Trauer wichtig ist. Am ersten Tag der Ausbildung zur Trauerbegleitung bei Lacrima bekamen wir die Aufgabe unsere Träume in der Nacht zu beobachten. Ich bin in der Nacht aufgewacht und mein Herz purzelte vor Freude. Ich fühlte es ist die richtige Entscheidung.
"Ich helfe durch mein Zuhören"
Wie bereiten Sie sich auf die Trauerbegleitung vor und wie können Sie helfen?
Rosemarie Fenzl: Die Vorbereitung fand in der Ausbildung statt. Auch wenn es sich einfach anhört, ich helfe durch mein Dasein und Zuhören. Überhaupt glaube ich, dass es das Wichtigste ist Zuzuhören. Präsent zu sein. Alles andere entsteht. Alles darf sein nichts muss.
"Nimmt mir viel an Energie"
Wie sehr beschäftigt Sie die Trauer der Betroffenen auch außerhalb von Lacrima?
Rosemarie Fenzl: Das tiefe Mitgefühl während der Gruppenstunde nimmt mir viel an Energie und Kraft. Und doch ist es so, dass es mich nur mit Dankbarkeit erfüllt und ich bereichert nach Hause gehe. Die Trauer bleibt bei den Betroffenen. Es ist nicht meine Trauer. Das ist eine gute Erfahrung. Die Erfahrung nur durch mein Dasein zu helfen.
Das Trauerzentrum
Lacrima, das Trauerzentrum der Johanniter in München, betreut seit 2002 Familien, die eine nahestehende Person durch einen Todesfall verloren haben. Kinder und Jugendliche, aber auch deren Angehörige und jetzt auch junge Erwachsene, bekommen hier einen Raum, um sich mit ihrer Trauer und allen Gefühlen, die diese mit sich bringt, auseinanderzusetzen. Weitere Informationen zur kostenfreien Trauerbegleitung für junge Erwachsene und die Trauergruppe "Never lost" gibt es auf der Homepage neverlost.johanniter-lacrima.de. Informationen zu den Treffen erhält man auf eine Mail an birgit.zoglmeier@johanniter.de sowie telefonisch unter (089) 1247344-15 oder 0178/1056939.
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