Das Angerlohstüberl: Ein Ort der Begegnung
Stadtteilhistoriker Dr. Walter Demmel berichtet (der Artikel erscheint in einer aktuellen Bearbeitung vom März 2016)

Bild 1 (Foto: Foto Demmel)
Als ich 1971 mit meiner jungen Familie, der beiden Kinder (Barbara und Matthias, Bild 1) wegen, von der Schwabinger Isabellastraße in die Grandauerstraße nach Untermenzing zog, dachte ich, wir wären aus der Münchner Großstadt in einem Dorf am Rande Münchens gelandet. Unsere Kinder mussten im alten Nördlichen Friedhof neben und manchmal auf aufgelassenen Gräbern spielen und zum Einkaufen in der Franz-Joseph- oder Hohenzollernstraße immer an der Hand gehen oder im Kinderwagen geschoben werden.
Wir zogen in eine ungewohnt ruhige und kinderfreundliche Reihenhaussiedlung, die 1969 in einen Ausläufer der Angerlohe mit einem kräftigen Eichen- und Buchenbestand gebaut worden war. Auf dem vorliegenden Bild 2 findet man noch die Situation im Jahre 1960, in dem die Reihenhäuser in der Karl-Gayer-Straße bereits eingeplant sind, auf unserem zukünftigen Gelände, das der Schlossbrauerei Haimhausen gehörte, und wo noch die Wirtschaft „Zur grünen Eiche“ ihre zahlreichen Besucher hatte. Auf dem Lageplan rot eingefärbt ist das Reihenhaus des Eigentümers, der mir diesen Plan zur Verfügung stellte. Von der „Grünen Eiche“ oder, wie man hier sagte, der „greane Oach“ erzählten mir damals meine jungen Nachbarn und von einer mir auch heute noch weitgehend unbekannten und dort heimischen Schützengesellschaft. Nun gehören meine Frau und ich selbst schon zu den Alten unseres Stadtteils Untermenzing.
Ich hatte damals aus beruflichen Gründen keine Zeit, mich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, schaffte es aber zumindest herauszubekommen, dass wir hier in Untermenzing im 38. Stadtbezirk und in allernächster Nähe zu Allach wohnten. Inzwischen habe ich eine Karte, in der die damaligen Bezirksgrenzen noch eingezeichnet sind, und kann Hans Dollinger, der „Die Münchner Straßennamen“ meist sehr sorgfältig zusammengestellt hat, mitteilen, dass der Frickhingerweg noch zu Untermenzing gehört. Jetzt weiß ich auch, dass die Grandauerstraße bis 1947 Gartenstraße hieß und nach dem bayerischen Staatsrat Johann Michael Grandauer (1776-1838), der zehn Jahre lang Kabinettssekretär König Ludwigs I. von Bayern war, benannt wurde. Als Vertreter einer streng monarchischen Gesinnung war er eine der unbeliebtesten Persönlichkeiten in der Umgebung des Königs. Da war also unser neues Zuhause.
Um die Stadtteilgeschichte auch für mich interessant zu machen, gehe ich von meiner nächsten Umgebung aus und beschäftige mich mit den in den umliegenden Straßen befindlichen und ehemaligen Geschäften und Wirtschaften. Es geht also zunächst um die Grandauer-, Angerloh-, Rueß-, Pringsheim- und Karl-Gayer-Straße, den Frickhinger- und Eichenweg und unseren „Stachus“ beim nicht mehr vorhandenen Bunker. So jedenfalls ist die Planung, für Anregungen und Änderungen bin ich jederzeit offen
In meiner nächsten Umgebung, in der Angerlohstr. 22 (auf dem Plan von 1946 noch 20), befand sich bis 1997 eine „Trink-Imbißstube“, die seit 1948 nach getaner Arbeit eine zentrale Anlaufstelle für viele Angestellte und Arbeiter nahe gelegener und weiter entfernter Großfirmen und Handwerksbetriebe war (Bild 3). Aber auch unsere Kinder und die vieler Nachbarn holten sich dort an heißen Sommertagen gerne ein Steckerl-Eis. Die „Stube“ wurde von Frau Lumpe, vormals Lutz, immer aber Hilde genannt, seit 1964 geführt, nach Schließung von der Familie Konemann, die schon länger Besitzer des Gebäudes war und den ersten Stock bewohnte, in ein schmuckes Wohnhaus umgebaut. Aber auch diese erfolgreiche und beliebte „Sozialstation“ hat eine interessante Geschichte.
Im Jahre 1946 wurde Herrn Matthias Sigl die Erlaubnis erteilt, in der Angerlohestr. 22 eine kleine Branntweinschenke zu eröffnen. Eine frühere Schenke des Herrn Sigl, die er in der Corneliusstr. 16 betrieben hatte, wurde bei einem Fliegerangriff 1944 so beschädigt, dass sie vorerst nicht weiter betrieben werden konnte. Als Bedenken hatte die Behörde allerdings angeführt, dass nur 190 m entfernt die Bierwirtschaft „Zur grünen Eiche“, die man als einfache Vorstadt- und Ausflugswirtschaft beschrieb, sei und einige Häuser weiter, nämlich in der Angerlohstr. 11 und 34 Lebensmittelgeschäfte wären, die damit Konkurrenz bekämen. Beide Geschäfte wurden bereits vor Jahren aufgegeben. Es handelte sich um den Gemischtwarenladen Mail in Nr. 11 und den Kolonialwarenladen von Feldbauer in Nr. 34. Die Gegend kennzeichnete man als schwach bebaute Vorstadtsiedlung mit überwiegender Arbeiterbevölkerung in kleinen Eigenheimen. Die Haus- und Grundeigentümer des kleinen Gebäudes der Imbißstube waren damals der Rentner Paul Rühlmann, der im Nachbarhaus Angerlohstr. 20 wohnte, und anschließend Herr Hahn aus Giesing.
Nach dem Tode ihres Mannes erhielt 1951 Frau Franziska Sigl die Genehmigung, die Schenke als Imbißstube mit dem naheliegenden Namen „Angerlohstüberl“ zu betreiben. Anschließend war bis 1964 die Familie Schlesinger Pächter des Betriebes. Einen optischen Eindruck dieser wichtigen Zentrale soll das Bild von Hildes Stüberl (Bild 4) vermitteln.
Als abschließendes Bild ist die Situation anfangs der 70er Jahre zu sehen. Kräftig rot hervorgehoben ist das Angerlohstüberl mit einigen kleinen anbauten und im umrahmten Teil das Reihenhaus des Schreibers als Nr. 5.
Oben also die Reihenhäuser auf dem ehemaligen Trinkl-Grund, unten die Reihenhäuser auf dem ehemaligen Haimhauser-Grund.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH