Bunker von gestern – und was heute?
Stadtteilhistoriker Dr. Walter G. Demmel berichtet
Hermann Meier wollte Herrmann Göring heißen, falls auch nur ein einziges feindliches Flugzeug in den deutschen Luftraum dringe. Es dauerte nicht lange, dann gelang dies ganzen Geschwadern der britischen Royal Air Force (RAF), die bereits ab dem Frühjahr 1942 ihre Bomben auf Hamburg und das Ruhrgebiet abwerfen konnten.
Zunächst war München wegen der über 1000 km weiten Anflugstrecken verschont geblieben, geriet aber in den Gesamtbereich der von England und Italien aus operierenden Luftflotten. Diese Entfernung hatte München in den ersten drei Kriegsjahren weitgehend verschont. Irmtraud Permooser schreibt in ihrem Buch „Der Luftkrieg über München“, dass München bei den Flugzeugbesatzungen den Ruf eines schwierigen Ziels hatte, weil die verschiedenen Flakzonen den Anflug ungeheuer gefährdeten.
Bei Kriegsbeginn am 01.09.1939 war München auf mögliche Luftangriffe völlig unzureichend vorbereitet. Obwohl die Stadt durch ihre Nähe zur Landesgrenze und ihre leichte Auffindbarkeit für Bomber als besonders luftgefährdet zu gelten schien, waren nach einer amtlichen Zusammenstellung von den 169 geplanten öffentlichen Luftschutzräumen erst 34 fertig gestellt. Drei davon hatten wir in unserem Stadtteil – in der Lautenschlägerstraße (A-U), Franz-Nißl-Straße (A-U) und Allacher-/Krautheimstraße (A-U), weitere waren in der Claude-Lorrain-Straße, Ungererstraße, Blumenstraße, Steinerstraße, dem Albert-Beyerle-Platz, Anhalter Platz, der Schleißheimer Straße, Riesenfeldstraße, Prinzregentenstraße, Quellenstraße, Lohnrößlerweg, Gaißacher Straße, Hotterstraße, Am Neudeck, der Moosacher Straße, Am Föhringer Ring.
Wer gestern Bunker hatte, hatte Sicherheit, wer sie heute noch hat, hat sicher Probleme. Aber sie sind wohl die letzten sichtbaren Mahnzeichen der Kriegszeit in unserem Stadtbild, sie sind – vermutlich nicht mehr allzu lange – ein Anstoß zur Erinnerung an den für die zivile Stadtbevölkerung schrecklichen Krieg und die unvergessenen Bombennächte, zu denen eine z.T. minutiöse Darstellung des Obermenzinger Stadtpfarrers A. Pöhlein von 1940-1945 vorliegt. Für manche unserer älteren Mitbürger, die ich gesprochen habe, sind die Stadtbunker eine erhaltenswerte Hinterlassenschaft. Wenn viele von diesen Hochbunkern auch die Nachkriegszeit bis heute überstanden haben, so warten die meisten noch darauf, anders genutzt zu werden. Diesen soll in unserem Stadtbezirk kurz nachgegangen werden.
Während die Suche nach privaten Bildern unserer drei Bunker in Allach-Untermenzing bisher fast ergebnislos verlief, waren im Stadtarchiv München aus dem Jahre 1942 interessante Fotos vom Bau des Luftschutzbunkers in der Claude-Lorrain-Straße, von der Planung über den Bau bis zur Fertigstellung zu sehen. Auch im Internet findet man unter www.luftschutz-bunker.de neben der Claude-Lorrain-Straße das Wichtigste über die Bunker in der Ungerer-, Blumen-, Steinerstraße, am Albert-Beyerle-Platz und Anhalter Platz, an der Schleißheimer-, Riesenfeld-, Prinzregenten-, Quellen-, Lautenschläger-, Franz-Nißl-, Sonnwendjochstraße, am Lohnrößlerweg, an der Gaisacher- und Hotterstraße und einigen anderen, zu denen ungenaue Angaben vorliegen. Zu unseren Stadtteilbunkern heißt es dort:
12. Lautenschlägerstr. Fertigstellung: 1942
Bezeichnung: LS-Sonderbauwerk Nr. 20
Zustand außen: schlecht, authentisch
Zustand innen: schlecht, authentisch, verschmiert
Aktuelle Verwendung: Musikübungsraum
13. Franz-Nißl-Str. Fertigstellung: unbekannt
Bezeichnung: LS-Sonderbauwerk Nr. 21
Zustand außen: gut, authentisch
Zustand innen:?
Aktuelle Verwendung: ungenutzt.
Für beide Bunker liegt dort kein Bild vor, der ehemalige in der Allacher Straße/Ecke Krautheimstraße wird nicht mehr erwähnt, vermutlich, weil er vor einigen Jahren bereits abgerissen wurde. Unter www.bunkerfreunde-muenchen.de sind von unseren zwei anderen Bunkern auch Fotos zu finden, die jedoch urheberrechtlich geschützt sind.
Der vielen neuen Mitbürgern nicht mehr bekannte Hochbunker an der Ecke Allacher-/Krautheimstraße in Untermenzing wurde also abgerissen und machte einem Wohn- und Ärztehaus Platz, die Bushaltestelle „Bunker“ wurde aufgelöst. Neben den wenigen neueren Fotos dieses Bunkers (Bild 1), die ich mühsam gesammelt hatte, erfuhr ich von unserem Mitbürger Werner U. Arnold eine interessante Geschichte. Wenige Tage nach seiner Geburt fand am 22.04.1944 nachts ein Bombenangriff statt, und die Anwohner mußten alle in den Bunker. Nach dem Ende der Bombardierung sahen die Bewohner des Hauses Maximilianstraße 6 (heute Krautheimstr.) ihr Haus brennen. Eine Bombe war durch das Kinderzimmer, in dem der Säugling Werner natürlich nicht lag, eingeschlagen und hatte alles in Brand gesetzt. Geblieben war auch ein noch heute rauchgeschwärztes Kruzifix, das dem Besitzer nach seinen Aussagen Glück gebracht hat. In der gleichen Nacht fielen Phosphorbrandbomben auch ins Haus der Familie Beil in der Eduard-Schwarz-Straße und auf den Grund der Familien Nagy/Birk in der Allacher Str. 255, der erst später bebaut wurde.
Den Aufgang zum Bunker nutzte in der Nachkriegszeit ein Herr Rohe, um dort seinen gut frequentierten Kiosk (Bild 2) unter dem vorderen Eingang „anzulehnen“. Zum Bild gibt es unendliche Geschichten über die Mitarbeiter des Herrn Rohe, seine Kundschaft, die Nachbarn Birk, Römer und die gegenüberliegende Apotheke Utz, von denen bei einem anderen Thema noch die Rede sein wird.
Die folgenden Bilder zeigen den Bunker an der Lautenschlägerstraße von Südwesten her im Urzustand, nach der Entkernung und heute als kleines Hotel unter dem Namen „Bunker“ auf der Fahne am Eingang.
Der Bunker in der Lautenschlägerstraße stand lange leer, wurde einige Zeit als Übungsraum für Rockmusiker verwendet, dann als Jugendzentrum vorgesehen und später von einem Allacher Unternehmer gekauft, zuerst als Wohnhaus und schließlich als Hotel geplant. Ein grober Weltkriegsbunker sollte in eine feine Herberge verwandelt werden (Bilder 3, 4, 5). Interessant ist der Grundgedanke der Denkmalschützer, dass dieses Relikt aus dem Zeiten Weltkrieg auch nach dem Umbau als ehemaliger Schutzbunker erkennbar sein sollte. Nachdem die erste Planung mehr an eine moderne Interpretation eines Jugendstilbaus und nur sein Inneres an einen Schutzbunker erinnerte, fiel diese durch und wurde erst im zweiten Anlauf nach einer völligen Neuplanung genehmigt und ist inzwischen zu einem ansehnlichen Kleinhotel geworden, das den gewünschten Erkenntniswert vorweist und zu einem Blickfang der Bahnhofsgegend geworden ist. Für die Umbauphase wurde von mir eine umfangreiche Dokumentation erstellt, die in einer Ausstellung zur Entwicklung des Oertelplatzes gezeigt werden soll.
An den Hochbunker in der Franz-Nißl-Straße (Bild 6) neben der Allacher Hauptschule, heute Mittelschule, wurden auch schon viele Gedanken verschwendet, aber zunächst sieht es danach aus, dass dieser uns erhalten bleibt und unter die Probleme fällt, die man mit Erinnerungsbauten an den Krieg hat.
Dieser Bunker, der unseren Allacher Bürgern der näheren Umgebung im Krieg beste Dienste geleistet hat, harrt also noch seiner Verwendung oder Restaurierung als Mahnmal tödlicher Bedrohungen der Zivilbevölkerung im Münchner Nordwesten. Er ist von Norden und Süden, nicht von der Straße her zugänglich und hinterläßt auch beim heutigen Betrachter einen wuchtigen und sicheren Eindruck.
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