Bringschuld und Holschuld
Zu unserem Nichtwählerstammtisch („Ich fühle mich nicht mehr repräsentiert“ im Sendlinger Anzeiger / Werbe-Spiegel vom 4. September) schreibt Karl Hirsch:
Vorab ein Lob an den Wochenanzeiger, ich finde nicht nur die Reportage betreffs des Nichtwählerstammtisch gut und sehr aufschlussreich, sondern auch die übrige Berichterstattung der letzten Wochen zu den anstehenden Wahlen.
Ja, Demokratie ist nicht immer ganz einfach und verursacht auch oft ein Kopfschütteln über langwierige Entscheidungsprozesse. Besonders dann, wenn man beobachtet, dass politische Entscheidungen nicht voll dem eigenen Wunsch entsprechen. Als Bürger, welcher schon gut über 20 Jahre im Münchner Süden im kommunalpolitischen Bereich tätig ist, habe ich leider erfahren müssen, dass sehr oft nur die Partikularinteressen der Einzelnen als die einzigen und wichtigen Anliegen angesehen werden. Diese Erfahrung habe ich als Mitglied des ehemaligen Sollner Bezirksausschusses machen müssen und ebenfalls als Mitglied im Bezirksausschuss 19.
Ein Recht, für das anderswo gestorben wird
Doch nun zur Sache. Es ist ein sehr hohes Gut, dass wir in unserem Land freie Wahlen fest installiert haben. Ohne Unterschied des Geschlechts, des sozialen Status und ab einem bestimmten Alter. Um dieses Recht kämpfen und sterben bis heute sehr viele Menschen in der Welt.
Nochmals, Demokratie ist oft auch von Kompromissen geprägt und sollte unbedingt frei sein von lobbyhaft eingeflüsterten Gruppeninteressen. Doch was wäre die Alternative? Welche Regierungsform würden die Nichtwähler präferieren? Ich hoffe doch sehr, dass hier nicht nach einem „starken Mann“ gerufen wird. Auch kann nicht zu jedem Themenbereich das ganze Volk aufgerufen werden, eine Entscheidung zu treffen. Dafür haben wir nun mal unsere Repräsentanten in den Stadtrat, den Landtag und den Bundestag gewählt. Und wie überall im Leben ist festzustellen, dass die gewählten Volksvertreter unterschiedliche Charakterzüge und unterschiedliche Vorstellungen über die Einbeziehung der Wähler vor Ort haben. Es gibt fleißige Volksvertreter und auch echte Faulpelze, welche nur an ihren Sesseln kleben.
Jammern hilft nicht
Folglich hilft kein Gejammer und Resignieren. Klar haben Politiker, gleich welcher Partei, die verdammte Pflicht, vor Ort ehrlich und offen mit ihren Wählern die anstehenden Probleme zu beraten und wenn möglich einer Lösung zuzuführen. Nur dürfte es auch klar sein, dass nicht jeder Bereich sofort und immer zufriedenstellend gelöst werden kann.
Gehen Sie wählen!
Doch auch wir Bürger haben eine Holschuld. Rücken Sie Ihren gewählten Abgeordneten ruhig auf den Pelz. Sei es bei mal wieder fast einstimmig erfolgten Diäterhöhungen oder auch bei der Frage der gesetzlich festgelegten Mindestlöhne. Fordern Sie ihn auf, auch während einer Legislaturperiode mal Farbe zu bekennen. Nicht erst einige Wochen / Monate vor seiner gewünschten Wiederwahl. Gehen Sie auf alle Fälle wählen! Lassen Sie sich nicht verleiten, sich in der Reihe des erst nachher klagenden Volksteiles wieder zu finden. Gehen Sie nicht wählen, so stärken Sie automatisch diejenige Partei, welche Sie eigentlich gar nicht wollen. Geben Sie sich einen Stoß und schieben Sie oft begründete Bedenken beiseite. Wir haben nur eine Demokratie und die sollten wir alle durch Engagement und kritisches Begleiten am Leben erhalten. Wahl ist meines Erachtens eine ganz wichtige und auch ehrenvolle Bürgerpflicht."
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