"Bei Facebook und den anderen Internet-Giganten müssen wir genau hinschauen"
Staatsminister Georg Eisenreich über Fake "News", die Chancen der Digitalisierung, Wert und Schwächen Europas und Bayerns Stärke
Im neuen Kabinett Söder ist Georg Eisenreich Staatsminister für Digitales, Medien und Europa. Er sprach mit Chefredakteur Johannes Beetz über seine neuen Aufgaben.
"Es eröffnen sich neue Möglichkeiten"
"Die Steigerung der technischen Leistung geht paradoxerweise mit einem Verfall der Fantasie und Intelligenz der Menschen einher", hat der Schriftsteller Stanislaw Lem schon vor 20 Jahren angesichts der entstehenden „Informationsgesellschaft“ festgestellt: Die Menschen würden zu „Informationsnomaden“, die „zusammenhangslos von Stimulus zu Stimulus hüpfen“. Mit den Zusammenhängen gehen gesellschaftliche Werte und das Wissen um Entscheidungsprozesse verloren. Ein Beispiel: Man spricht inzwischen von Fake „News“ und impliziert damit, dass diese tatsächlich eine Art Nachrichten seien. Das „Hüpfen“ hat aus einer banalen Lüge eine diskutable Meinung gemacht. Wie verändert sich unsere politische Kultur durch die Digitalisierung?
Georg Eisenreich: Es gibt positive und negative Entwicklungen. Zum einen gibt es leider Fake News und Negativ-Kampagnen in Sozialen Netzwerken. Da findet zum Teil eine Verrohung der politischen Debatte statt. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen und auch von den Betreibern der Sozialen Netzwerke mehr Verantwortung einfordern. Dem gegenüber stehen die vielen positiven Effekte der Digitalisierung: Menschen, die über Soziale Netzwerke leichter in Kontakt bleiben. Es wird neue Entwicklungen im Bereich der Mobilität und der Medizin geben. Es eröffnen sich neue Möglichkeiten für eine bessere gesellschaftliche Teilhabe, z. B. von älteren und behinderten Menschen. Wir erleben zudem im Internet eine globale Ausbreitung des Wissens, durch die immer mehr Menschen Zugang zu Bildung und Ausbildung haben und von passgenauen Angeboten profitieren können. Es gibt also beide Seiten. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir sowohl die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen, aber auch die Risiken im Blick behalten.
"Verstöße müssen geahndet werden"
Als Bildungsstaatssekretär haben Sie sich für die Digitalisierung in den Schulen stark gemacht. Wir als „Papier-Medium“ sind da oft skeptisch. Gleichwohl wird die Digitalisierung unser aller Leben bestimmen – die „sozialen“ Netzwerke haben Umgangston und Debattenkultur längst verändert. Medienpädagogik allein wird nicht reichen, um die negativen Auswüchse des digital Machbaren einzudämmen. Müsste sich der Staat nicht vehementer engagieren, um z.B. Datenmissbrauch wie jüngst bei Facebook zu unterbinden oder zumindest im Nachhinein zu ahnden?
Georg Eisenreich: Bei Facebook und den anderen Internet-Giganten müssen wir genau hinschauen: Halten sie die geltenden Gesetze ein? Oder hat es Verstöße gegeben? Wenn, dann müssen sie auch geahndet werden. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten nicht missbraucht werden. Es ist gut, dass die Europäische Kommission und die deutsche Bundesregierung jetzt direkt mit Facebook sprechen und genau das verlangen. Und wenn nötig, müssen wir auch Gesetze ändern. Die Nutzer sollten künftig einfacher festlegen können, welche und wie viele Daten sie preisgeben wollen. Und wir Nutzer sollten uns Gedanken machen, wie wir uns in Sozialen Netzwerken verhalten. Deshalb ist die Medienbildung eine sehr wichtige Aufgabe der Schulen.
"Es hat mir Freude gemacht"
Als Bildungsstaatssekretär haben Sie einen der grundlegenden Bereiche unserer Gesellschaft maßgeblich mitgestaltet. Wo sehen Sie Ihren größten Erfolg in diesem Bereich? Fällt es nicht schwer, eine Aufgabe loszulassen, die Sie ja offensichtlich mit viel Herzblut übernommen haben?
Georg Eisenreich: Die Arbeit als Bildungsstaatssekretär hat mir viel Freude gemacht. Gemeinsam mit unserem langjährigen Kultusminister Ludwig Spaenle haben wir vieles erreicht: Bildung in Bayern ist und bleibt Investitionsschwerpunkt. Der Bildungshaushalt ist in den letzten 10 Jahren um rund 4 Milliarden Euro gestiegen, unter anderem haben wir damit rund 6.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Die Chancengerechtigkeit in der Bildung und die individuelle Förderung haben wir deutlich gestärkt. Das neunjährige Gymnasium kommt. Die Ganztagsangebote werden flächendeckend ausgebaut. In dem wichtigen Zukunftsbereich Naturwissenschaften und Technik habe ich mehrere Initiativen angestoßen. Ein Schwerpunkt war die digitale Bildung, um die jungen Menschen gut auf die Welt von morgen vorzubereiten. Hier habe ich maßgeblich eine Strategie für den Bildungsbereich entwickelt und einen Maßnahmenplan vorgelegt, der jetzt umgesetzt wird.
" Wir wollen diese Position weiter stärken"
Sie sind der einzige Medienminister in der Bundesrepublik. Politik und Medien sollten ja unabhängig voneinander agieren. Wozu braucht ein Staat einen Medienminister? Was sind seine Aufgaben?
Georg Eisenreich: Bayern ist ein führender Medienstandort. Wir wollen diese Position weiter stärken und wir wollen auch die Vielfalt und Regionalität unserer Medienlandschaft erhalten. Die Bayerische Staatsregierung möchte sich intensiv um die Belange der Medien kümmern. Anders als andere Länder hat Ministerpräsident Markus Söder das Thema Medien daher ganz bewusst zusammen mit der Digitalisierung in der Staatskanzlei angesiedelt.
"Man muss Fehlentwicklungen ansprechen und korrigieren"
Die Generation unserer Eltern und Großeltern hat Krieg am eigenen Leib erlebt und ist sich daher bewusst, welchen Wert „Europa“ als Friedensgarant hat. Die junge Generation erlebt „Europa“ dagegen eher orientierungslos – es tritt nach außen mitnichten einheitlich auf und scheint keine Antwort auf gegenwärtige Herausforderungen wie Globalisierung oder Digitalisierung zu haben. Warum brauchen wir Europa in der Zukunft? Welche Schwerpunkte sind Ihnen wichtig? Wie kann man den Wert Europas an die nächste Generation weitergeben?
Georg Eisenreich: Die Europäische Union war in den vergangenen Jahrzehnten ein Garant für Frieden und Freiheit in Europa. Das ist eine großartige Leistung. Aber es gibt auch Fehlentwicklungen, die man ansprechen und korrigieren muss. Es darf zum Beispiel nicht sein, dass die einen für die Schulden der anderen haften müssen. Mir ist auch wichtig, dass wir Europa besser machen – demokratischer und bürgernäher. Die EU muss sich um den großen Rahmen kümmern und für Stabilität sorgen – zum Beispiel in der Sicherheitspolitik, beim Euro oder bei der Migration. Ihre Heimat aber wollen die Menschen in den Regionen Europas selbst gestalten.
"D as Gesamte im Blick behalten"
Sie sind Minister für Digitales, Medien und Europa. Was verbindet diese doch recht unterschiedlichen Felder? Was möchten Sie in fünf Jahren hier auf jeden Fall erreicht haben?
Georg Eisenreich: Die Digitalisierung und die Europapolitik verbindet, dass sie Querschnittsthemen sind, die sich auf alle anderen Bereiche auswirken. Das heißt, alle Ministerinnen und Minister müssen sich in ihrem Fachbereich damit befassen, es braucht aber auch einen Minister, der das Gesamte im Blick behält und koordiniert. Genau das ist meine neue Aufgabe. Dass dazu auch die Medienpolitik gehört passt gut, weil die Medien stark von der Digitalisierung betroffen sind. Hier wünsche ich mir, dass Bayern auch in fünf Jahren trotz des wachsenden Wettbewerbs ein führender und breit aufgestellter Medienstandort mit vielfältigen Angeboten ist.
Bei der Digitalisierung werde ich mich dafür einsetzen, dass alle Menschen in Bayern davon profitieren – von der Bildung über Berufschancen bis zu einer besseren Teilhabe von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung. Was Europa betrifft: Ich möchte, dass die Europäische Union demokratischer und bürgernäher wird. Und dass sie die großen Themen angeht, die die Nationalstaaten alleine nicht lösen können, zum Beispiel die innere und äußere Sicherheit, Regeln bei der Digitalisierung und das Thema Migration.
"Wir brauchen einander"
Sie sind der einzige Münchner Vertreter im Kabinett. Die „rote“ Stadt und der „schwarze“ Freistaat werden ja oft als Antipoden wahrgenommen. Die großen Herausforderungen wie Wohnen und Infrastruktur lassen sich indes nur gemeinsam bewältigen. Für den Bürger ist es ohnehin kaum von Belang, wie die politischen Zuständigkeiten geregelt sind – er erwartet, dass Probleme rasch gelöst werden. Wie bewerten Sie – als jemand, der ja auch in der Kommunalpolitik vor Ort fest verankert ist – die Kooperation zwischen Stadt und Land? Was kann verbessert werden? Was läuft gut?
Georg Eisenreich: Die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern brauchen einander. Ein gutes Beispiel ist der öffentliche Personennahverkehr, zum Beispiel die 2. S-Bahn-Stammstrecke. Wir investieren als Freistaat jetzt gemeinsam mit Bahn und Bund rund 3,8 Milliarden Euro in den Ausbau und auch die Landeshauptstadt ist im Boot. Aber auch bei sozialen Themen und in der Bildung, bei der die Stadt für die Sanierung und den Neubau der Schulen zuständig ist, kommen wir voran.
"Bayern geht es gut. Aber ..."
Ministerpräsident Söder hat von „Aufbruch“ gesprochen. Obwohl es uns Bayern besser als den meisten anderen geht, sehen manche Bürger unsere Gesellschaft im „Weiter so“ erstarrt und vermissen Perspektiven. Der römische Redner Cicero hat seinen Mitmenschen geraten, „Höre nie auf, anzufangen, und fange nie an, aufzuhören“. Wieviel „Anfangen“ und „Aufbruch“ empfinden Sie in Ihrer neuen Rolle? Wäre manchmal nicht auch der Blick zurück lohnend: sich bewusst zu machen, was wir und die vor uns alles erreicht haben?
Georg Eisenreich: Bayern geht es gut. Aber nicht alle Menschen stehen auf der Sonnenseite. Der Freistaat Bayern geht die Zukunftsherausforderungen an und kümmert sich um wichtige soziale Themen, etwa das Thema Wohnen oder eine gute Pflege für ältere Menschen. Unser Ministerpräsident Markus Söder wird hier einen besonderen Schwerpunkt setzen. Er hat die Themen Inneres und Integration gebündelt und mit dem neuen Ministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr Themen nach vorne gerückt, die für uns in München dringend sind. Er hat einen 10-Punkte-Plan entworfen, mit dem er Bayern fit für die Zukunft machen möchte. Das ist ein echter Aufbruch.
Der Minister aus dem Münchner Süden
Georg Eisenreich ist Kreisvorsitzende der CSU im Münchner Süden. Seit 2003 ist er im Landtag (als Stimmkreisabgeordneter für Hadern, Sendling-Westpark, Laim Ost, Fürstenried, Forstenried). Von Oktober 2013 bis März 2018 war er Staatssekretär im Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Danach übernahm der 48-Jährige das neue Ministerium für Digitales, Medien und Europa.
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