Auslaufmodell Hebamme?
Erschwerte Bedingungen zwingen viele zur Aufgabe
Das Wunder der Geburt: Selbst in Industrieländern wie Deutschland, wo Schlagwörter wie Effizienz und Kosten-Nutzen-Faktor kurz vor der Heiligsprechung stehen, nimmt sich dieser Vorgang die Zeit, die er braucht. Idealerweise entbindet die werdende Mutter auf natürliche Weise am Ort ihrer Wahl, fürsorglich betreut von einem Team aus Hebamme und Gynäkologe. Idealerweise. Die Arbeitsbedingungen für Hebammen haben sich jedoch in den letzten Jahren stark verändert. So müssen Freiberufliche einen Anstieg der Haftpflichtversicherung um das Zehnfache im Vergleich zu 1999 verkraften. Vielen selbständigen Hebammen bleibt da oft nur der Ausweg, zusätzlich in Festanstellung zu arbeiten. Die starke Doppelbelastung zwingt dann viele zum Aufgeben, Tendenz steigend. Ebenso führt die Zentralisierung der Geburtshilfe dazu, dass Frauen in ländlichen Gebieten weitere Wege ins Krankenhaus in Kauf nehmen müssen. Die Sicherstellung der Versorgung in Wohnortnähe ist deshalb eine dringende Forderung des Bayerischen Hebammen Verbandes.
Ebenso mit Besorgnis beobachtet der Verband den Trend, verstärkt auf Kaiserschnitte statt Spontangeburten auszuweichen. Zwingen auf der einen Seite die existenziell vernichtenden Haftpflichtansprüche manche Hebamme dazu, der Gebärenden statt Hausgeburt zur Klinikentbindung zu raten und schlimmstenfalls zum Kaiserschnitt, sind es auf der anderen Seite die Eltern selbst, die den Prozess einer Geburt mit allen Schattenseiten nicht durchleben wollen. Ist doch ein Kaiserschnitt planbar und weniger zeitaufwändig. Geht es nach dem Bayerischen Hebammen Verband, sollte ein Kaiserschnitt ausschließlich dann gewählt werden, wenn es aus medizinischer Sicht zwingend notwendig ist. Der Reinerlös einer Spontangeburt, den die Hebamme erwirtschaftet, ist deutlich niedriger als bei einem stationärem Eingriff, der Aufwand für Betreuung und Bereitschaft sollte aber gerechterweise mit berücksichtigt werden. So fordert der Verband eine Angleichung auf Kaiserschnittniveau.
Internationaler Hebammentag
Um auf die unzureichende Versorgung mit Hebammenhilfe hinzuweisen, gehen die Hebammen am Donnerstag, 5. Mai, dem Internationalen Hebammentag, wiederholt auf die Straße. Auf Spruchbändern und Transparenten sind dann die fünf wichtigsten Forderungen zu lesen, die in Anlehnung an die weltweiten gesundheitspolitischen Entwicklungsziele als die „deutschen Big Five“ bezeichnet werden. Damit möchten die Hebammen an die Politik und die Krankenkassen appellieren und fordern einen würdevollen Start ins Leben, ein bedingungsloses JA zur normalen Geburt, die freie Wahl des Geburtsortes, bessere Arbeitsbedingungen sowie Hebammenhilfefür alle Frauen. Nach dem Motto: „Hebammen liegen in den letzten Zügen“ fahren die bayerischen Hebammen an diesem Tag mit dem Museumszug von Fürth nach Nürnberg. Dabei wollen sie auch auf die prekäre finanzielle Situation hinweisen.
Mehr Informationen zu den Forderungen des Verbandes und dem Berufsbild Hebamme im Internet unter www.bhlv.de.
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