Ausgezogen (2)

Zwei chinesischen Familien waren über Nacht ausgezogen und nach ein paar Tagen kam ein uralter Chinese und fegte die Räume. Jemand sprach ihn an, und währenddessen schlichen neue Gerüchte daher, wie Hunde, die einen Knochen gerochen hatten. Was sagte der Chinese? Nach und nach kam die Wahrheit ans Licht. Ach, wie enttäuscht waren die Unglücks-Spekulanten und die Gerüchte-Verkünder. Der alte Mann hieß Min Zhu und kümmerte sich schon seit vielen Jahren um Chinesen, die aus dem Mutterland nach München kamen. Er und seine Organisation versuchten den Menschen - meistens waren es junge Familien mit kleinen Kindern - einen guten Start ins neue Leben zu ermöglichen. Oft verließen die Familien Deutschland wieder, um irgendwo in der westlichen Welt Fuß zu fassen.

Insbesondere Chinesen ohne Nachkommen halfen den jungen Leuten gern. So war es auch diesmal gewesen. Eines Tages kam die entsprechende Nachricht und er durfte sie den Familien bringen. Manchmal musste es einfach schnell gehen, denn die Gastfamilien wollten so schnell wie möglich helfen. Daher der schnelle, nächtliche Auszug. Er war nur derjenige, der alles abwickelte. Nun waren alle an der Piazza zufrieden und schwatzen über die guten Menschen und welches Glück manchen Leute hätten.

Etwas später sah ich den alten Chinesen, als er gegenüber einkaufte. Meine drei Brocken Chinesisch reichten aus, um sein Vertrauen zu gewinnen.

Er sagte in gutem Deutsch: „Ach wissen sie, es ist alles nur Unsinn. Aber die Leute waren so wild auf eine gute Geschichte“, und er kicherte in sich hinein. „Die beiden sind Brüder und haben als Logistikexperten aus Shanghai einen guten Job im Hamburger Hafen bekommen, und weil sie ihren Job schnell antreten mussten, sind sie etwas überstürzt aufgebrochen. Ich habe ihnen versprochen, hier alles abzuwickeln.“

Wir tranken einen Kaffee zusammen und freuten uns für die beiden Familien.