"Auch wir können die Gesetze des Marktes nicht brechen"
München wird reicher, aber zugleich auch ärmer
Jeder sechste Münchener muss in relativer Armut leben. Das sind 65.200 mehr Menschen als noch 2011, insgesamt also rund 269.000 Menschen. Besonders schlimm: Betroffen sind auch 22.000 Kinder. Diese erschreckenden Zahlen finden sich im Münchener Armutsbericht 2017. Und das trotz seit Jahren fortgesetzter positiver wirtschaftlicher Entwicklung und eines stabilen Arbeitsmarktes, so Bürgermeister Josef Schmid.
„Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Münchner Äquivalenz-Einkommens hat“, klärt Stadträtin Alexandra Gaßmann auf. In der Lukasschule diskutierten Bürgermeister und CSU-Landtagskandidat Josef Schmid, Bezirksrätin Barbara Kuhn, Stadträtin Alexandra Gassmann und Tafel-Chefin Hannelore Kiethe soziale Fragen und Herausforderungen in München.
Stadt und Staat tun schon viel
„Die Stadt macht schon viel, um einem weiteren Anstieg der Armut entgegenzuwirken“, sagt Schmid und zählt nach der Schilderung der Wirtschaftszahlen zahlreiche städtische Aktivitäten gegen Armut auf wie die Einführung des Dritten Arbeitsmarkt. Mit dieser Maßnahme werden Menschen mit Vermittlungshemmnissen bis zu drei Jahre staatlich gefördert und beschäftigt. Ziel ist es Armut mit Arbeit zu begegnen, Menschen zu stabilisieren und sie das eigene Selbstwertgefühl wiederfinden zu lassen.
Wohnraum wird knapper
Die angespannte Wohnungssituation ist die Kehrseite des Erfolgs: Weil immer mehr Menschen in München leben wollen (Zuzug von über 25.000 Menschen im Jahr), wird Wohnraum knapper und teurer. „Die Stadt versucht hier gegenzusteuern“, erklärt Schmid und gibt zu: „Aber auch wir können die Gesetze des Marktes nicht brechen.“ Die Stadt hat die Fördermittel für den Sozialen Wohnungsbau von 800 auf 865 Millionen Euro aufgestockt, die jährliche Wohnungsbauzielzahl von 7.000 auf 8.500 Wohnungen erhöht, ein Sonderprogramm „Wohnen für alle“ mit 3.000 Wohnungen im einfacheren Standard, aber schnellerer Fertigstellung aufgelegt, die eigenen Wohnungsbaugesellschaften mit zusätzlichen 200 Millionen Euro Eigenkapital ausgestattet und Planungsverfahren gestrafft, damit Wohnungen schneller gebaut werden können.
Viele Angebote
„Sozial geht nur miteinander“, sagt Kuhn und stellte die sozialen Aktivitäten des Bezirks Oberbayern dar. „Der Bezirk kümmert sich darum, dass eine gerechte Verteilung der Gelder in Oberbayern erfolgt und somit die Standards in Oberbayern gleich bleiben können.“ Von der Eingliederungshilfe, der Regionalisierung der wohnortnahen Versorgung, einer zentralen Servicestelle für Fragen rund um Soziale Hilfen, Pflegestützpunkte und die Übernahme der ambulanten Hilfe zur Pflege, berichtete Kuhn über das weitergehende Engagement des Bezirks Oberbayern. Mit 1,8 Mrd. Euro wendet der den Löwenanteil seines Budgets für die Soziale Sicherung. Wichtig für Kuhn auch der Krisendienst Psychiatrie in Oberbayern, ein Notruf für Menschen in seelischen Krisen unter 0180/6553000, täglich von 9 bis 24 Uhr. „Im Bezirk haben wir viel Herz“, schließt Kuhn.
Dankbar für die Münchner Tafel
Wo der staatliche Bereich aufhört, gibt es zum Glück private Initiativen. So wie die Münchner Tafel. Was als „Lebensmittelrettung“ begonnen hat, ist eine einfache Idee zur Gewährleistung der Versorgung Bedürftiger. Alle Podiumsteilnehmer und das Publikum bedankten sich für die wertvolle Arbeit, welche die Münchner Tafel seit mittlerweile fast 25 Jahren mit ihren rund 650 ehrenamtlichen Helfern für die Menschen in München leistet. Das sei die Übernahme gelebter sozialer Verantwortung. Die Tafel-Chefin Hannelore Kiethe freute sich darüber und lobte das wachsende Engagement junger Menschen. Rund 20.000 Menschen versorgt die Tafel pro Woche mit frischen Lebensmitteln. Die Arbeit mache viel Freude, weil man ganz viel vor Ort helfen könne und viel von den Menschen zurück bekomme, berichtete Kiehte. Sie stellte fest, dass München grundsätzlich eine sehr soziale Stadt ist.
„Die Großen sind gefragt, aber auch die Kleinen, jede Hand ist wertvoll“, schloss Gaßmann. „Das Engagement im Sozialen geht weiter.“
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