Armut – und kein Ende in Sicht?
Der VdK Bayern fordert eine gerechte #Rentefüralle
„Am bittersten ist die Armut, aus der man sich nicht mehr selbst befreien kann“, sagte VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher am vergangenen Mittwoch auf der Pressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern in München. In Bayern trifft das vor allem auf ältere Menschen zu. 21,5 Prozent der über 65-Jährigen im Freistaat weisen – gemessen an ihrem Haushaltseinkommen – ein hohes Armutsrisiko auf. Insbesondere Frauen: 24,2 Prozent der bayerischen Rentnerinnen sind armutsgefährdet. Die bayerische Staatsregierung beharrt jedoch darauf, dass nur 3 Prozent der Rentnerinnen und Rentner arm sind, nämlich die, die Sozialleistungen beziehen. „Armut darf nicht kleingeredet werden“, stellte Mascher klar. Sie verwies auf Studien, die festgestellt haben, dass 70 Prozent der Berechtigten ihre Ansprüche auf Sozialleistungen aus Angst und Scham nicht wahrnehmen.
Schnurstracks in die Altersarmut
Die Armutsgefährdungsschwelle in Bayern liegt bei 1.114 Euro. Sowohl der Grundsicherungs-Regelsatz von 424 Euro (plus angemessene Mietkosten) als auch viele Renten in Bayern sind sehr deutlich darunter. Im Jahr 2018 erhielten männliche Bestandsrentner durchschnittlich 1.179 Euro, Frauen 680 Euro.
Für eine gute Rente braucht es ein gutes Einkommen. Und auch daran hakt es in Bayern: 27,16 Prozent aller Hartz-IV-Bezieher im erwerbsfähigen Alter sind „Aufstocker“, verdienen in ihrem Job also so wenig, dass sie zusätzlich zu ihrem Gehalt Arbeitslosengeld II benötigen. 21,5 Prozent dieser Aufstocker gehen sogar einer Vollzeittätigkeit nach. „Diese Menschen laufen trotz Arbeit schnurstracks in die Altersarmut, denn von Hartz IV werden keine Rentenversicherungsbeiträge bezahlt. Ihre Lebensleistung wird in der Rente nicht anerkannt“, erklärte Mascher.
„Gegen die Menschenwürde“
„Wir brauchen eine gerechte #Rentefüralle“, erklärte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland und stellvertretende Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern. „Wir finden: Altersarmut verstößt gegen die Menschenwürde.“ Mit der aktuellen VdK-Kampagne #Rentefüralle soll das System der gesetzlichen Rente gestärkt und verbessert werden. „Der VdK fordert ein Rentensystem, in das alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige, Beamte, Freiberufler, Manager und Politiker“, sagte Bentele. Zu einer gerechten Rente gehört auch eine Steuerpolitik, die mehr Umverteilung im Blick hat. Geringverdienerhaushalte geben 23 Prozent ihres Einkommens allein für die Mehrwertsteuer und andere indirekte Steuern aus, Haushalte von Spitzenverdienern lediglich 7 Prozent. Schon auf kleine Renten ab 764 Euro werden Steuern fällig, doch die Vermögenssteuer wurde vor über 20 Jahren abgeschafft. „Das ist sozialer Zündstoff“, warnte Bentele.
Die heftig diskutierte Grundrente verteidigte Bentele ausdrücklich: „Der VdK will die Grundrente, aber ohne Bedürftigkeitsprüfung. Wer die Voraussetzungen erfüllt, also genügend Beitragsjahre hat, soll die Grundrente bekommen – ohne Wenn und Aber.“
„Solange die Rentenkommission geheimnisvoll hinter verschlossenen Türen tagt, geht der VdK selbstbewusst mit seinen Forderungen nach vorne“, versprach Bentele. Begleitet wird #Rentefüralle bundesweit mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen. So trifft sich Bentele beispielsweise am 26. September in Berlin mit dem Vorsitzenden der Jungen Union, Tilman Kuban, und dem Juso-Chef Kevin Kühnert zum Schlagabtausch über die Generationengerechtigkeit des deutschen Rentensystems.
„Wir setzen ein Zeichen"
VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder kündigte für den März 2020 eine große VdK-Demonstration in München als bayerischen Höhepunkt der Kampagne #Rentefüralle an. „Wir wollen mit mindestens 20.000 Menschen von der Theresienwiese bis zum Odeonsplatz ziehen“, erklärte er. Pausder versprach „eine bunte, lautstarke und eindrucksvolle Demonstration“. Dass der VdK mit seinem Einsatz für eine gerechte #Rentefüralle die Menschen zahlreich auf die Straßen ziehen wird, davon ist er fest überzeugt: „Wir setzen ein Zeichen für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt statt wachsender sozialer Spaltung.“
Die Mitgliederzahl des VdK Bayern steigt von Jahr zu Jahr immer schneller an. Von 2017 bis 2018 um 15.000, von 2018 bis 2019 um 25.000 auf jetzt insgesamt 705.000 Mitglieder. Pausder: „Seit der Wiedervereinigung haben sich die Mitgliederzahlen politischer Parteien in Deutschland halbiert. Im selben Zeitraum haben sich die Mitgliederzahlen des VdK Bayern mehr als verdoppelt.“ Die Gründe für das große Mitgliederwachstum sieht Pausder im klaren Verbandsprofil: kompetent in der sozialrechtlichen Beratung und kämpferisch in der sozialpolitischen Interessenvertretung.
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