Alternative für Jung und Alt
Gauting startet Landkreis-Pilotprojekt "Wohnen für Hilfe"
Zwei Jahre währte die Vorbereitung für das neue, generationsübergreifende Projekt in der Gautinger Insel. Nun endlich stellten Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, Inga Schauder und Martina Ottmar von der Gautinger Insel sowie der Seniorenbeirat der Gemeinde das neue Projekt vor: Künftig wird es „Wohnen für Hilfe“ in der Gemeinde geben.
„Ab heute hat Wohnen eine neue Perspektive in Gauting“, eröffnete Brigitte Kössinger die Infoveranstaltung im Rathaus. Zwar sei diese neue Wohnform eine von vielen in Gauting, doch bringe sie eine sinnvolle Alternative für alle, die lange Zeit zu Hause bleiben wollen, Hilfe im Alltag bräuchten und gleichzeitig Wohnraum an Studenten oder junge Leute geben wollen. „Bei der heutigen Wohnungsnot an bezahlbarem Wohnraum füllt unser neues Angebot eine Lücke in der Gesellschaft.“
Eine Stunde Arbeit für einen Quadratmeter
Der Landkreis Starnberg betrete ebenfalls Neuland in Sachen altersgerechtes Wohnen, so Thomas Schwab vom Landratsamt. Gemeinsam mit der Gautinger Insel und dem Seniorenbeirat habe das Konzept entwickelt werden können. Eine Umfrage hatte ergeben, dass sich viele Senioren eine Hilfe wünschten, weil die Kinder weit weg lebten, auch Freunde nicht immer unbedingt nebenan wohnen würden und die Hausarbeit von Jahr zu Jahr beschwerlicher werde. „Außerdem wäre ein Ansprechpartner für Notfälle im Haus, das ist eine große Beruhigung für die Senioren.“
Das Gautinger Engagement habe viele überzeugt, „jetzt sind Sie unser Pilotprojekt“, stellte Schwab vor. „Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.“ Die „Währung“ für Wohnen für Hilfe ist kaum in Euro ausdrückbar. Pro zur Verfügung gestellter Wohnraum wird eine Stunde Hilfe im Monat verlangt. Küchen- und Badbenutzung ist inbegriffen. Dafür zahlt der frisch Eingezogene eine Monatspauschale für Nebenkosten.
Zwischenmenschliches muss stimmen
„Wir sprechen viele Generationen an“, so die Initiatorin Ulla Ottmar. „Wohnen für Hilfe ist keine Zweckgemeinschaft, sondern ein offenes Miteinander, das beiden Seiten viele Vorteile bringt.“ Der Bedarf sei riesig, meinte sie. Nun müsste eine Interessentendatei angelegt werden, die die zukünftigen Wohnpartner zusammenbringen könne. In ihren Augen dürften sich weit mehr als nur Studenten für die Wohnform interessieren. Auch junge Mütter mit Kind, Azubis, Migranten oder auch zugezogene, alleinstehende Arbeitnehmer könnten dafür in Frage kommen.
„Wir wollen Filter sein“, erklärte Schauder von der Gautinger Insel. „Das Zwischenmenschliche muss auf jeden Fall passen.“ Dafür werde die Insel Beratungsgespräche anbieten und auch im Weiteren Ansprechpartner sein.
„Es kommt auf einen Versuch an!“
Christel Dill vom Seniorentreff Neuhausen e.V. kam als Gast in die Infoveranstaltung. Sie beschäftigt sich schon seit knapp 20 Jahren mit Wohnen für Hilfe. „Mittlerweile haben wir 500 Wohnpartner vermittelt. Es klappt gut, wir können durchweg Positives berichten“, so Dill. „bei Schwierigkeiten oder Nichtverstehen geht man eben wieder auseinander, auch das ist natürlich und kommt vor. Dafür bieten wir ebenfalls Unterstützung.“
Auch müsse sich niemand gleich festlegen, sondern könne erst einmal 14 Tage lang prüfen, ob die Chemie tatsächlich stimmt. „Ganz wichtig sind klare Regeln, Transparenz und Offenheit. Das schützt vor Missverständnissen und falschen Erwartungen“, so Dill. „Aber das ist in jeder Partnerschaft so.“ Gleich zur Infoveranstaltung gab es einige Interessenten, sowohl solche die Wohnraum als auch solche die Hilfe suchten. „Ich wünsche mir, dass ganz viele Wohnpartnerschaften zustande kommen“, so Seniorenbeirätin Ottmar. „Es kommt immer auf einen Versuch an.“
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