Jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen
Neue Broschüre gibt Tipps zum "Günstiger Leben in München"
München wächst in großen Schritten, jedes Jahr um die Größe einer Kleinstadt. Zu den bereits 1,5 Mio. in München lebenden Menschen kommen jährlich rund 20.000 Einwohner dazu. „Das bleibt nicht ohne Folgen für die Menschen, die in unserer Stadt leben", sagt Bürgermeisterin Christine Strobl. "So werden zum Beispiel die ständig höher werdenden Miet- und Lebenshaltungskosten in München ein immer drängenderes Problem."
Weniger als 1.350 Euro im Monat
Vor allem Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und ältere Menschen seien betroffen: „In München leben 260.000 Menschen unterhalb der sogenannten Armutsschwelle. Sie haben weniger als 1.350 Euro (Alleinlebende) oder weniger als 2.430 Euro netto (Familien mit einem Kind unter 14 Jahren) im Monat zur Verfügung“, erläutert Strobl die prekären Einkommensverhältnisse von denen fast jeder fünfte Münchner (18 %) betroffen ist.
Die Betroffenen müssten jeden Euro zwei Mal umdrehen und oft genug bliebe nach dem Decken der Grundbedürfnisse nichts oder nur sehr wenig übrig, um zum Beispiel am gesellschaftlich-kulturellen Leben teilzuhaben, erläuterte Strobl die Probleme der Betroffenen
Tipps und Angebote
„Um diesen Menschen das Leben leichter zu machen, hat die Stadt München die Broschüre herausgegeben. Es gibt bei uns ein vielfältiges Angebot. Wir wollen Orientierung geben und haben Tipps, Adressen und Informationen über die Angebote kompakt zusammengefasst", so Strobl. Auf mehr als 140 Seiten gibt es Informationen für Bürgerinnen und Bürger über kostengünstige oder kostenfreie Dienstleistungs- und Freizeitangebote. Die Broschüre enthält eine vielfältige Angebotspalette und detaillierte Informationen für Menschen mit geringem Einkommen. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen, Unternehmen, Organisationen und vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern hat die Stadt München ein breites Spektrum an sozialen Dienstleistungen und Unterstützungsangeboten für bedürftige Menschen geschaffen, das weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. Für dieses Engagement dankte die Bürgermeisterin ausdrücklich und betonte, wie wichtig dieser Einsatz für eine soziale Stadt ist.
Hier gibt's die Broschüre
Die neue Broschüre hat eine Auflage von 60.000 Exemplaren und ist kostenlos erhältlich in der Stadtinformation im Rathaus, in den Sozialbürgerhäusern, in den Stadtteilbibliotheken, in den Alten- und Servicezentren und in vielen weiteren sozialen und kulturellen Einrichtungen. Die Broschüre ist im Internet unter www.muenchen-gegen-armut.de abrufbar. In der webbasierten Broschüre sind über das Stichwortverzeichnis die gewünschten Angebote schnell und problemlos zu finden.
Das findet man in der Broschüre
Beispiele der Inhalte aus der Broschüre:
Beispiel "München Pass"
Die Familien- und Ferienpässe des Stadtjugendamtes bieten zahlreiche Ermäßigungen und Gutscheine für Freizeitaktivitäten. Familien mit niedrigem Einkommen erhalten diesen Pass kostenlos in ihrem Sozialbürgerhaus. Den „München Pass“ gibt es für alle Menschen mit geringem Einkommen. Anspruchsberechtigt sind insbesondere Personen, die Arbeitslosengeld II beim Jobcenter, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, aber auch Personen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr, ein Freiwilliges Ökologisches Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst leisten.
Der „München Pass“ beinhaltet Vergünstigungen für Museen, städtische Theater, Schwimmbäder, einige Kinos, nicht verschreibungspflichtige Medikamente und den öffentlichen Nahverkehr (MVV). Erhältlich ist der „München Pass“ in den Sozialbürgerhäusern und beim Amt für Wohnen und Migration.
Kostenlose Beratung
Desweiteren finden sich in dieser Broschüre zahlreiche kostenlose Beratungsangebote, die von allen Münchner Bürgern genutzt werden können. Dazu zählen Beratungsstellen für Eltern und Kinder, aber auch für ältere Menschen und Pflegebedürftige. Speziell für Haushalte mit geringem Einkommen werden Energieberatung und Haushaltsbudgetberatung kostenlos angeboten. Zudem sind Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung aufgeführt.
Praktische Tipps
Die Broschüre enthält auch viele praktische Tipps - beispielsweise zu günstigen Einkaufsmöglichkeiten für Kleidung oder Möbel, oder dazu, wie man beim Telefonieren Geld sparen kann, wo es kostenlose und ermäßigte Kulturveranstaltungen gibt und was man in seiner Freizeit auch mit einem kleinen Budget unternehmen kann.
Wer was bekommt was?
Nicht zuletzt findet sich in der Broschüre auch eine Zusammenstellung, wer Anspruch auf gesetzliche Leistungen und finanzielle Unterstützung hat und bei welchen Stellen die entsprechenden Anträge gestellt werden können.
Gut Erhaltenes finden
Ein Angebot bietet auch der Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb. In der „Halle 2“ gibt es gut Erhaltenes (Möbel, Bücher, Spielsachen u.v.m.) günstig zu kaufen. Die Waren stammen von den Münchner Wertstoffhöfen und können im Sinne der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung so weiter verwendet werden. „Halle 2“ ermöglicht, dass sich Menschen mit geringem Einkommen hochwertige Möbel oder Spielsachen leisten können. Aber auch Sammler und Schnäppchenjäger kommen auf ihre Kosten. Der Secondhandführer und das Flohmarktportal des Münchner Abfallwirtschaftsbetriebs sowie die Versteigerungen des Münchner Fundbüros und der „Halle 2“ sind ebenfalls hilfreich, um Gutes und Nützliches für wenig Geld zu finden.
Was wollen die Kandidaten tun?
Die Münchner Wochenanzeiger befragten die örtlichen Bundestagskandidaten zur Situation: "München wächst jedes Jahr um die Bevölkerung einer Kleinstadt; der Lebensunterhalt wird für immer mehr Menschen aber immer schwieriger zu bestreiten. Welchen Beitrag kann die Bundespolitik leisten, um die Situation zu entspannen?"
Sozialleistungen regional staffeln
Sebastian Roloff (SPD), Bundestagskandidat im Münchner Süden:
Nur eine gute Arbeits- und Sozialpolitik kann Armut bekämpfen. Dies beginnt beim Mindestlohn, der zwar endlich eingeführt, aber zu niedrig ist, gerade wenn man in einer Stadt wie München lebt. Ein geringes Einkommen hat auch eine geringe Rente zur Folge. Hier muss die Lebensleistung von Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben oder Kinder erzogen haben, besser gewürdigt werden. Darüber hinaus sollten Sozialleistungen regional gestaffelt werden, da die Lebenshaltungskosten in München höher sind als zum Beispiel in ländlichen Regionen.
Und auch beim hohen Mietniveau muss weiter regulierend eingegriffen und der eingeschlagene Weg weitergegangen werden, also die Mietpreisbremse verschärfen, Rahmenbedingungen für realistischere Mietspiegel schaffen und die Städtebauförderung aufstocken.
"Baustandards überarbeiten"
Stephan Pilsinger (CSU), Bundestagskandidat im Münchner Westen:
Beim Gespräch mit meinen Patienten - wenn es dann auch um die allgemeine re n Sorgen geht - rangieren die Sorgen, sich das Wohnen noch weiter leisten zu können, oft weit oben. Es geht hier um die F rage, wie lebenswert München bleibt und auch um de n sozialen Frieden. Als Abgeordneter kann ich an mehreren Stellen ansetzen: Die Bundesregierung hat dieses Jahr ein zusätzliches Wohnungsbauförderprogramm für den sozialen Wohnungsbau aufgelegt. S olche Maßnahmen kann ich mir auch künftig vorstellen, um hier weiter für Entlastung zu sorgen. Daneben sind für mich denkbar: mehr steuerliche Anreize beim Mietwohnungsbau und eine Überarbeitung der Baustandards – diese machen Wohnen erheblich teurer. Daneben will ich mich als Münch ner aber auch vor Ort stark machen für mehr Mietwohnungen. Als Arzt ist es mir auch ein Anliegen, Menschen mit geringerem Einkommen von Zuzahlungen z.B für Medikamente zu entlasten. Die Gesundheit der Menschen darf nicht von ihrem Einkommen abhängen.
"Mehr Wohnungsbaugenossenschaften"
Peter Heilrath (Grüne), Bundestagskandidat im Münchner Süden:
Zum einen müssen die Mietsteigerungen begrenzt und Verdrängung verhindert werden. Das kann durch eine verbesserte Mietpreisbremse - insbesondere durch Streichung einiger Ausnahmeregelungen - und durch eine Stärkung der Rechtsstellung von Mietern erreicht werden. Zusätzlich soll den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnung zu verhindern oder bei solchen Umwandlungen Mietobergrenzen festzulegen.
Für noch viel wichtiger halte ich aber eine langfristige Veränderung der Eigentumsstrukturen im Wohnungsmarkt hin zu mehr Wohnungsbaugenossenschaften und kommunalen Wohnungsbauträgern. Das kann unter anderem durch gesetzliche Vorkaufsrechte und finanzielle Nachlässe bei der Vergabe öffentlichen Bodens unterstützt werden.
"Ausbalancierte Flächennutzungsplanung"
Thomas Sattelberger (FDP), Bundestagskandidat im Münchner Süden:
Das Wichtigste ist, dass der Bund die Finger von Fragen lässt, die man vor Ort entscheiden muss. Die Mietpreisbremse war ein Schuss in den Ofen! Wir sind uns alle einig, dass wir mehr bezahlbaren und qualitätsvollen Wohnraum in München brauchen. Mit Nachverdichtung wie Dachgeschossausbau und Aufstockungen allein kommen wir aber nicht weiter. Wir brauchen eine ausbalancierte Flächennutzungsplanung, die auch zu mehr Wohnraum in Münchens Nachbargemeinden führt. Für die ist es derzeit finanziell attraktiver, Gewerbeflächen statt Wohnraum zu schaffen. Das muss sich ändern! Am besten wäre ein eigenes Regionalparlament für den Ballungsraum München, an das alle Kommunen Kompetenzen abgeben müssen. Es hätte gezielt die Interessen der gesamten Region im Blick und könnte Wohnungsbau erleichtern.
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