„Wohnungsnot ist das drängendste Problem"
Bündnis sucht Strategien gegen Armut und Wohnungsnot
„Ein menschlich und sozial gerechtes Miteinander für München,“ das fordert das Bündnis München Sozial. Bestehend aus 67 sozialpolitisch aktiven Organisationen, Verbänden und Initiativen, will es auf die sozialen Probleme der Stadt aufmerksam machen. Zu den drängendsten Problemen gehören Themen wie die Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit, die Alters- und Kinderarmut und der Pflegenotstand, so das Bündnis. Aber auch der viel beklagte fehlende bezahlbare Wohnraum macht den Mitgliedern sorgen. Deswegen setzten sie sich in ihrer letzten Tagung mit Armut und Wohnungsnot in München auseinander. Geladen waren verschiedene Referenten, die zu unterschiedlichen Themen wie Strategien gegen drohende Wohnungsnot oder auch über das Bodenrecht, referierten und informierten. Einige Bündnismitglieder gaben darüber hinaus Einblicke in ihre Arbeit mit Wohnungssuchenden und gesellschaftlich benachteiligten Personen.
Die Tagung wurde von Karin Majewski, Paritätischer Wohlfahrtsverband, und Norbert Huber, Caritas, eröffnet. „Die Wohnungsnot ist das drängendste Problem in München,“ so Huber. „Die Prognose der akut Wohnungslosen für das Jahr 2018 liegt bei über 10.500 Personen,“ warnt Huber weiter. Zwar seien nach wie vor Personen mit geringem Einkommen am stärksten betroffen, aber das Thema sei bereits auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Schwierige Wohnungssuche
Irmgard Ernst vom Münchner Arbeitslosenzentrum schilderte die meist aussichtslose Wohnungssuche von Arbeitslosengeld-2-Beziehern (Alg-2), die nur bis zu einem bestimmten Betrag, der über das Jobcenter festgelegt wird, die Miete bezahlt bekommen. „Viele der betroffenen Personen leben in München aber in Wohnungen, die oberhalb dieser Grenzen liegen. Wenn es ihnen nicht gelingt, eine günstigere Wohnung zu finden, droht eine Kürzung der Unterkunftskosten auf diese 'angemessene' Miete durch das Jobcenter,“ erklärt Ernst. Folglich können viele Alg-2-Bezieher ihre Miete nicht mehr zahlen und rutschen in die Wohnungslosigkeit ab, so Ernst und merkt an: „Häufig aber sieht es so aus, dass die Betroffenen aus Angst davor, die Wohnung zu verlieren, die Differenz aus eigener Tasche zahlen!“ Vom Amt erhalten sie, so Ernst, keine Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Fehlende Sozialwohnungen
Für deutliche Fakten sorgte der Dr. Thomas Specht von den Wohnungsnotfallhilfen Berlin, beispielsweise mit Zahlen über den Rückgang der Sozialwohnungen in München: Im Jahr 1990 gab es 112.000, im Jahr 2016 nur noch 40.871 Sozialwohnungen. Ein anderes Beispiel, das Specht benannte, bezog sich auf den Anteil der Sozialwohnungen in verschiedenen Großstädten in Deutschland. Hamburg hat mit 45,2 Sozialwohnungen pro 1.000 Einwohner mehr als München mit 27,9 Sozialwohnungen pro 1.000 Einwohner. „Wir brauchen eine Initiative im Bundesrat für eine Bodenwertzuwachssteuer,“ so Specht und forderte weiter: „Deutschlandweit muss der soziale Wohnungsbau angemessen verstärkt und auf Kleinstwohnungen ausgerichtet werden.“ Darüber hinaus forderte Dr. Specht die Einführung der bundes- und landesweiten Wohnungsnotfallstatistik und ein landesweites Förderprogramm für Wohnungsnotfälle.
Recht auf Boden
Christian Stupka, Sprecher der Münchener Initiative für ein soziales Bodenrecht und Mitbegründer der Wohngenossenschaft Wogeno, besteht auf das Grundrecht Boden: „Der Boden ist kein Gut wie jedes andere. Vergleichbar Wasser und Luft ist er unverzichtbar für das menschliche Dasein. Boden ist zugleich unvermehrbar. Daher verbietet es sich, Boden dem freien Marktgeschehen zu überlassen.“ In seinem Vortrag erklärte Stupka die Notwendigkeit eines kommunalen und preislimitierten Vorkaufsrechts auf Grundstücke, damit Mietpreise auf einem normalen Niveau bleiben und nicht spekuliert werden kann: „Wenn heute ein Haus in München verkauft wird, ist die Folge dieses Verkaufes, dass die Bewohner, die vorher normal gelebt haben zum Amt gehen und eine geförderte Wohnung brauchen.“
Ein weiterer Programmpunkt für die Teilnehmer waren das Erarbeiten von Strategien und Forderungen zum Thema Armut und Wohnungsnot. Gemeinsam suchten die Teilnehmer Antworten auf die Fragen „Was kann München machen?“ sowie „Was kann der Landtag machen?“ Am 12 September sollen diese Antworten dann bei einer Veranstaltung zur Landtagswahl, mit verschiedenen Vertretern der politischen Parteien, diskutiert werden. Weitere Informationen über das Bündnis München Sozial unter www.buendnis-muenchen-sozial.de im Internet.
Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) – Der Münchner Weg
Damit eine Stadt einem Baukonzept folgen kann und nicht das völlige Chaos ausbricht, braucht es städtebauliche Maßnahmen. Andernfalls gäbe es beispielsweise vielleicht weniger Kindergärten oder mehr Büroeinheiten. Die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) ist ein Projekt, das sich dem sozialen und nachhaltigen Städtebau verpflichtet hat.
Die im März 1994 durch den Stadtrat beschlossene SoBoN beruht auf einer einfachen Idee: Wenn beispielsweise ein Investor, ein Unternehmen oder eine Genossenschaft ein Grundstück von der Stadt München erwerben, muss der neue Grundstückseigentümer sich an den Folgekosten der Planung beteiligen, die durch den Neubau verursacht werden. Der neue Eigentümer wird dann verpflichtet beispielsweise einen Teil seiner Wohnungen als mietpreisgebundene oder Sozialwohnungen auszuschreiben. Oder er muss sich z.B. an den Kosten des Straßenbaus beteiligen. Darüber hinaus können die neuen Eigentümer auch dazu verpflichtet werden soziale und für die Allgemeinheit wichtige Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Grünflächen zu schaffen.
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