„Wir brauchen den Nachwuchs“
Das Handwerk ist etwas besser durch die Corona-Krise gekommen als andere Wirtschaftsbereiche
Ausbildung in Zeiten von Corona: ein Thema, das in allen Wirtschaftsbereichen eine große Rolle spielt. Das bayerische Handwerk spricht sich beispielsweise klar dafür aus, die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil initiierte „Ausbildungsprämie“ auch in diesem Jahr auszuzahlen. „Eine große Rolle bei der Entwicklung des Lehrstellenmarkts dürfte spielen, wie lange der aktuelle Lockdown noch dauert, ob es eine dritte Welle gibt und wie stark diese ausfällt. Daher wäre es sinnvoll, Betriebe zu belohnen, die auch in der Krise ihr Ausbildungsniveau halten“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).
„Die Ausbildung spielt im Handwerk eine entscheidende Rolle“
2020 wurden im bayerischen Handwerk rund 24.000 Lehrverträge geschlossen. Das waren 5,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Das Handwerk ist damit etwas besser durch die Corona-Krise gekommen als andere Wirtschaftsbereiche. „Grundsätzlich spielt die Ausbildung im Handwerk eine entscheidende Rolle, um den Fachkräftemangel abzumildern“, sagt Franz Xaver Peteranderl. Wichtig sei außerdem, dass schon bald wieder Maßnahmen zur Berufsorientierung stattfinden können, etwa auf Präsenz-Ausbildungsmessen oder in den Bildungsstätten des bayerischen Handwerks. Auch Praktika helfen dabei, Jugendliche an die Berufe heranzuführen, so der BHT-Präsident: „Ich glaube, dass unsere Betriebe mit entsprechender Unterstützung der Politik auch in 2021 wieder auf dem gewohnten Niveau ausbilden werden.“
„Nicht alle Bereiche sind gleich betroffen“
Dass man trotz des Einbruches bei den Lehrverträgen im vergangenen Jahr gut durch die Krise gekommen sei, auch Alexander Dietz, Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. „Auch wenn das nicht alle Bereiche gleichermaßen betrifft: schaut man zum Beispiel auf die Friseur- und Kosmetikbetriebe sieht es anders aus.“ Generell eine Einschätzung zum Ausbildungsjahr für 2021 abzugeben, findet er schwierig. „Das ist ein bisschen wie der Blick in die Glaskugel. „Wir möchten vor allem Mut machen und sagen unseren Betrieben, dass sie auf alle Fälle weiter Ausbildungsplätze anbieten sollen. Es muss weitergehen. Wir brauchen den Nachwuchs.“
„Ein persönliches Gespräch kann durch nichts ersetzt werden“
Alexander Dietz ist sich bewusst, dass viele Handwerksbetriebe Sorgen haben. „Niemand weiß, wie es schlussendlich weitergeht und welche Auswirkungen die Krise noch haben wird. So ehrlich muss man sein.“ Hinzu komme für ihn und seine Kollegen das Problem, „dass kaum mit Schülern in Kontakt kommen. Wir versuchen das zwar virtuell zu lösen, aber klar ist: ein persönliches Gespräch kann durch nichts ersetzt werden.“ Die Ausbildungen im Handwerk beginnen, wie in anderen Bereichen auch, offiziell am 1. September. „Ein Einstieg ist aber auch später möglich.“
„Zur Berufsorientierung ist ein Praktikum wichtig“
Aufgrund der Corona-Krise sind auch Praktika im Vorfeld einer Ausbildung nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. „Das ist ein schwieriges Thema, weil viele Schüler und Schülerinnen im vergangenen Jahr kein Praktikum machen konnten. Ohne Praktikum ist die Suche nach einem Ausbildungsplatz schwierig“, erklärt Alexander Dietz. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, dass die Handwerksbetriebe weiterhin die Möglichkeit eines Praktikums anbieten. „Daran sind wir sehr interessiert. Denn zur Berufsorientierung ist ein Praktikum ungemein wichtig – zum einen für die jungen Menschen, zum anderen aber natürlich auch für die Betriebe.“
„Signal für die Zukunft“
Aktuell sei es so, dass viele Betriebe, die ausbilden wollen, ihre Ausbildungsverträge ohne Praktikum abschließen. „Das geht nicht anderes, denn sonst würde zu viel wegbrechen. Da müssen unsere Betriebe kreativ sein und es auf diesem Weg ausprobieren. Unser Ziel muss es sein, auch unter den aktuellen Voraussetzungen weiterhin Ausbildungsplätze anzubieten – als ein Signal für die Zukunft“, so Alexander Dietz weiter. „Wir alle wissen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen – gerade im Ausbildungsplatzbereich. Fakt ist aber auch: der Ausbildungsmarkt ist viel zu wichtig, als das er von der Politik vergessen werden darf. Wir brauchen jungen Menschen, die eine Ausbildung machen– und natürlich die Betriebe, die weiter ausbilden. Es ist eine Investition in die Zukunft.“
„Nachholeffekte werden einsetzen“
Alexander Dietzt blickt trotz aller Sorgen optimistisch in die Zukunft. Die Strukturen in den Handwerksbetrieben seien gut, man sei zudem auch in der breiten Masse gut aufgestellt. „Es wird sicher mit Vollgas weitergehen, sobald der Schalter umgelegt ist und wir die Pandemie, zumindest einigermaßen, im Griff haben. Es wird auch die Zeit kommen, in der der Nachholeffekt einsetzen wird. Arbeit gibt es im Handwerk mehr als genug – und zwar in allen Bereichen. Deshalb bin ich ziemlich sicher, dass es positiv weitergehen wird.“ Wer sich für eine Ausbildung im Handwerk interessiert, hat die Möglichkeit, sich direkt an Alexander Dietz zu wenden und sich beraten zu lassen – entweder per Email an alexander.dietz@hwk-muenchen.de oder unter der Telefonnummer (089) 5119-221.
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