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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Neues Weltorchester in München
Blechschaden-Boss Bob Ross unterstützt junges englischsprachiges Amateurorchester
Ein Blick in die Münchner Stadtchronik zeigt, dass sich einige Dinge in der bayerischen Landeshaupstadt wohl nie ändern werden. Schon vor vierzig Jahren wurde heftig über das nahende Wirtshaussterben diskutiert. Auch musikalisch tut sich im Jahr 1979 einiges. Der rumänische Dirigent Sergiu Celibidache wird Chef der Münchner Philharmoniker. Doch ein kleines Details bleibt bei all den Ereignissen unerwähnt. Einen talentierten Hornisten namens Bob Ross zieht es vom beschaulichen schottischen Kirkcaldy in die bajuwarische Metropole. Er startet seine Karriere im Gasteig bei den Münchner Philharmonikern, deren Chefposition frisch mit Celibidache besetzt wurde.
Was keiner ahnen konnte, genau diese zwei Begebenheiten sollten schon nach kurzer Zeit etwas bewirken, das bis heute Bestand hat: die Blechbläsergruppe Blechschaden. „Nach fünf Jahren Celibidache habe ich gesagt, wir brauchen Erholung. Da habe ich Blechschaden gegründet. Bis heute spielen wir Noten aus der schottischen und britischen Brassband-Szene. Das ist ein super Arrangement“, erzählt Bob Ross, Münchens bekanntester Schotte. Das Kult-Ensemble, das sich aus Profimusikern zusammensetzt und seit seiner Gründung von Ross geleitet wird, gibt es nunmehr seit 35 Jahren, was mit einem großen Jubiläumskonzert am 3. Juli im Brunnenhof der Münchner Residenz gefeiert wird. Doch trotz all der Vorbereitungen und Proben widmet sich der vielseitige Instrumentalist auch in seiner Freizeit vornehmlich der Musik.
"Eine riesige Sache"
Besonders angetan hat es ihm ein Ensemble, „von dem die meisten Leute nicht wissen, dass es existiert“, wie Ross anmerkt. Heutzutage haben wir fast japanische Arbeitsverhältnisse, man geht morgens in die Arbeit, kommt abends nach Hause und hat fast gar keine Freizeit mehr. Viele haben irgendwann ein Musikinstrument gelernt, haben es aber nur im Schrank liegen, bedauert der Blechschaden-Leiter. Dass es auch anders geht, zeigt eine in München ansässige Gemeinschaft, deren Mitglieder trotz Alltagsstress und Berufsleben Zeit finden, einem besonderen Hobby nachzugehen: gemeinsam musizieren und Englisch sprechen. Die Rede ist von den English-Speaking Music Ensembles (ESME). „Das ist eine riesige Sache“, findet Bob Ross, der bereits die Ehre hatte, als Orchesterchef bei einem ihrer Konzerte mitzuwirken.
"Tolle Entwicklung"
Die Musikergemeinschaft wurde vor einigen Jahren gegründet und setzt sich hauptsächlich aus Amateuren zusammen, die entweder im Sinfonieorchester, im Chor oder in der Resident Alien Big Band (RABB) aktiv sind. Das Besondere an ESME ist, dass in der sonst eher männerdominierten Dirigentenszene mit Johanna Malangré eine Frau am Pult steht. Die Amateurmusiker, die aus insgesamt 23 Ländern kommen, bilden eine bunt gemischte Truppe. „So wie bei den Münchner Philharmonikern“, freut sich Blechschadenboss Bob Ross. Als er 1979 nach München kam, gab es nur acht Frauen und sieben ausländische Musiker in dem 130-Mann starken Philharmonieorchester. Nach seinem Abschied vor rund eineinhalb Jahren bestand es aus Mitgliedern, die aus rund 31 Nationen stammen, darunter auch sehr viele Frauen. „Das ist eine tolle Entwicklung“, freut sich Ross, dessen Frau als Solo-Oboistin beim Sinfonieorchester von ESME aktiv ist.
"Wie Social-Networking"
Das Amateurorchester ist ständig auf der Suche nach neuen Mitgliedern. „Es ist wie Social-Networking. Man lernt viele Leute kennen“, so Ross und erklärt, dass er seine Frau einst in München auch in einem Orchester kennenlernte. „Auf neutralem Boden, denn sie kommt aus England und ich aus Schottland“, bemerkt er lächelnd. Die meisten Musiker der English-Speaking Music Ensembles (ESME) sind junge Leute. Der Kontakt entsteht meist über das Internet und soziale Netzwerke.
Dass es bei ESME nicht ganz so streng zugeht und der Spaß im Vordergrund steht, zeigt sich unter anderem daran, dass jeder zu den Proben eingeladen ist und sich ohne Zwang in einem der Ensembles engagieren kann. Die Orchesterprobe findet beispielsweise montags um 19 Uhr im Einstein Kulturzentrum (Einsteinstraße 42) in Haidhausen statt. In der KreativGarage (Rosa-Aschenbrenner-Bogen 9) in Schwabing trifft sich am Mittwoch ab 19 Uhr regelmäßig der Chor, während die Big Band ihre Proben am Donnerstag um 19 Uhr in der KreativGarage abhält. Interessenten können entweder spontan vorbeikommen oder sich vorab per E-Mail an joinus@esme-ev.de ankündigen. „Ich appelliere an alle Münchner, kommt vorbei und schaut euch das an. Man kann einen Schnupperkurs machen und jeder kann ausprobieren, ob er lieber singen möchte oder beim Sinfonieorchester mitspielen möchte oder einfach nur zum Zuhören kommen mag“, sagt Blechschaden-Gründer Bob Ross.
Die nächste Gelegenheit, sich ein Bild von den English-Speaking Music Ensembles (ESME) zu machen, gibt es am 29. Juni, um 19 Uhr, im Kulturzentrum Trudering (Wasserburger Landstraße 32), wo Orchester und Chor die Besucher auf eine musikalische Reise mitnehmen. Im Anschluss gibt es eine Party mit der Big Band.
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