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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Neben Geld bedarf es dringend an Flächen“
Politik wird aufgefordert, mehr für die Sportstätten zu tun
Dass es im Großraum München nicht genügend Sportstätten gibt, ist lange bekannt. Die Beschwerden über mangelnde oder sanierungsbedürftige Plätze und Hallen werden immer lauter, viele Vereine warten schon seit Jahren vergeblich auf Renovierungen und Neubauten. Als Konsequenz gibt es für einige Sportarten bereits einen Aufnahmestopp und lange Wartelisten – in erster Linie im Fuß- und Basketball.
„Allem voran möchte ich betonen, dass andere Großstädte München um die Förderung ihrer Sportvereine beneiden“, schwächt Hans-Ulrich Hesse die vielen Negativpunkte ab und betont: „Die Förderungen aus öffentlicher Hand sind gut.“ Als Kreisvorsitzender des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV), Sportbeirat der Landeshauptstadt München und 1. Vorstand des TSV München Ost ist er über die Probleme, aber auch über die finanzielle Unterstützung durch den Freistaat Bayern und die Stadt München bestens informiert. Den Münchner Wochenanzeigern erklärte er, weshalb der Status-Quo dringend gehalten werden und zugleich die Politik einen größeren Beitrag dazu leisten muss.
Wie wird gefördert?
Wenn man sich über mögliche Fördermittel informieren möchte, stößt man bei der Recherche zunächst auf seitenlange Dokumente in edelstem Beamtendeutsch. Sich so einen Überblick, geschweige denn einen Einblick zu verschaffen, erscheint so gut wie unmöglich. „Damit tun sich viele schwer“, räumt auch Hans-Ulrich Hesse ein und möchte etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wie er erklärt, gibt es zwei wichtige Komponenten der Sportstättenförderung: die Sportbetriebspauschale und die Förderung des Sportstättenbaus.
„Die Sportbetriebspauschale wird für jeden Verein jährlich berechnet und setzt sich aus staatlichen und städtischen Geldern zusammen, wobei unterschiedliche Gewichtungen vorliegen, nach denen der Betrag gestaffelt wird.“ So stehe bei der staatlichen Förderung die Qualität des Sports durch die Anzahl der lizenzierten Trainer und Übungsleiter im Vordergrund, wohingegen die städtische Pauschale umso höher ausfalle, je mehr Kinder und Jugendliche sowie Mädchen und Frauen in einem Verein aktiv seien. „Nehmen wir den TSV München Ost als Beispiel. Der Verein hat ca. 3.500 Mitglieder und erhält gemäß Anzahl der lizenzierten Trainer und der Mitglieder vom Staat und von der Stadt jeweils ca. 30.000 Euro für die Aufrechterhaltung des Sportbetriebs. Damit lässt sich gut arbeiten.“
Was die Förderung des Sportstättenbaus anbelangt, gibt es wieder zwei Möglichkeiten: „Vereine, ob mit oder ohne eigene Sportanlagen, erhalten bei Bedarf eine Unterstützung von der Stadt, die ebenfalls nach bestimmten Richtlinien berechnet wird. Den Vereinen werden zudem von der Stadt kostengünstig Bezirkssportanlagen und Schulsporthallen überlassen“, erläutert Hesse und erklärt, weshalb seiner Meinung nach Vereine oftmals unberechtigt lamentieren: „Die Überlassung von Sportstätten durch die Stadt halte ich persönlich für die wichtigste Förderung. Vereine ohne eigene Anlage wissen dies häufig nicht zu schätzen. Der Unterhalt ist sehr teuer und oftmals wird von einer 'Miete' gesprochen, die der Stadt gezahlt werden muss. Das ist schlichtweg falsch!“ Die Geldsumme betrage im Vergleich zu einer eigenen Anlage nur ca. 50 Prozent der Betriebskosten. „Eineinhalb Stunden wöchentlich auf einer Freianlage kosten im Jahr 197 Euro. Bei einer vereinseigenen Anlage kostet jede Stunde das Siebenfache“, so Hesse.
Große Versäumnisse der Politik
„Trotz Förderungen: Aktuell fehlen München ca. 100 Halleneinheiten sowie münchenweit mindestens vier Bezirkssportanlagen“, meint der Vorsitzende des Sportbeirats. Doch wie kam es zu diesem enormen Mangel?
Im Jahr 2010 wurde eine Kölner Studie zur Sportstättensituation durchgeführt, wie Hesse erklärt. Das Ergebnis: Im Jahr 2020 werde es in München zu viele Fußballplätze geben. Daraufhin führte der Bayerische Fußball-Verband (BFV) eine Eigenuntersuchung durch und bestätigte das Ergebnis. „Die Politik und Verwaltung reagierten natürlich mit Umplanungen in diesem Bereich. Was bei beiden Untersuchungen jedoch keine Beachtung fand: München erfährt bereits seit Jahren einen enormen Zuzug. Die viel schneller steigende Bevölkerungszahl wurde einfach übersehen. Bei der aktuellen Entwicklung wird mit allem, was in Sachen Sport gemacht wird, nicht mal der Status-Quo aufrechterhalten werden können“, betont Hesse und fordert deshalb: „Dieses Gutachten muss vom BFV und im Bewusstsein der Politik revidiert werden!“
Doch ein Ausbau der Sportstätten sei in einer so dicht besiedelten Stadt wie München ohnehin schwierig: „Neben Geld bedarf es dringend weiterer Flächen. Um das Problem in einem Satz zu formulieren: Mit welchem Geld bauen wir welche Sportanlage für wen und wohin?“ Viele Flächen, die bebaut werden könnten, gehören zudem dem Freistaat Bayern und kämen daher für Sportstätten nicht in Frage. Hier sei die Kommunalpolitik besonders gefragt und auch in der Bringschuld, meint Hesse: „Sport muss wohnortnah sein! Die Politik sollte also nicht nur profitable Wohnsiedlungen bauen, sondern sich auch um eine angemessene Infrastruktur mit Sportmöglichkeiten kümmern. Als Beispiel möchte ich hier die Flächen der freigewordenen ehemaligen Kasernengelände nennen.“
Zu den mangelnden Flächen kämen große Versäumnisse der Politik in den 80er und 90er Jahren hinzu, denn viele Anlagen seien nicht erst seit heute absolut sanierungsbedürftig: „In Ratssitzungen wurde damals immer wieder darauf hingewiesen, dass Renovierungen nötig seien. Die Politik ignorierte dies wissentlich! Das ist im einzelnen belegbar“, lautet Hesses Vorwurf.
Schleppende Sanierungen?
Seitens des Sports wurde damals immer für Neubauten und Sanierungen eine Prioritätenliste eingeführt, doch diese ist den Antragstellern oftmals unverständlich. Dazu erklärt Hans-Ulrich Hesse am Beispiel Fußball: „In der Regel werden jährlich drei Kunstrasenflächen gebaut oder erneuert. Die Reihenfolge wird einerseits durch die Realisierbarkeit und Planungssicherheit festgesetzt, andererseits können die Vereine in der Liste nach oben rutschen, wenn sie Eigeninitiative zeigen und zu den Kosten beitragen.“ Dabei verteidigt Hesse, dass nur drei Maßnahmen pro Jahr umgesetzt werden, denn man dürfe nicht vergessen, dass die Bauarbeiten für einen Kunstrasenplatz in der Regel ein Jahr dauern. „Der Platz ist während dieser Zeit nicht bespielbar, also müssen diese Mannschaften an einem anderen Ort trainieren und spielen. Doch angesichts der wenigen Flächen: an welchem? Würde man jährlich mehr Bauarbeiten in Angriff nehmen, würde das die Spielmöglichkeiten deutlich reduzieren.“
Die Vereine, deren Kummer Hesse sehr gut nachvollziehen kann, ruft er zu mehr Verständnis und Zusammenhalt auf: „Es ist wichtig, München als Gesamtkonstrukt zu betrachten. Wenn im Süden oder Norden eine neue Anlage gebaut wird, lautet der Vorwurf aus dem Westen oder Osten, dass ihnen dies nichts bringe. Aber letztendlich profitiert die ganze Stadt davon.“ Mit gerunzelter Stirn räumt Hesse ein, dass die Problematik um die Sportstätten nicht behebbar sei, dennoch „muss man ständig daran arbeiten, um den aktuellen Stand zu wahren.“ Optimierungen seien bereits erreicht worden, denn „immerhin sind die Bezirkssportanlagen auch montags geöffnet und das Training in den Sporthallen ist bis 23 Uhr möglich. Doch darauf darf sich die Politik nicht ausruhen.“
So viel zu den generellen Schwierigkeiten des Münchner Sportbetriebs. Um auch den Standpunkt der Vereine darzustellen, haben sich die Münchner Wochenanzeiger in den einzelnen Stadtteilen und Gemeinden umgesehen und jeweils einen Verein nach der aktuellen Situation befragt. Alle Artikel gibt es unter www.muenchenweit.de im Internet.
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