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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Mit Wissen unterstützen"
ArrivalAid bildet Integrationsbegleiter aus
Es ist noch früh, gerade einmal 9 Uhr und das am Samstag. Der Seminarraum der Evangelischen Stadtakademie ist dennoch gut gefüllt – einzige Spur möglicher Müdigkeit sind dampfende Kaffeetassen an allen Plätzen. Rund zehn Freiwillige haben sich eingefunden, außerdem das Team der Initiative ArrivalAid: Heute beginnt das Qualifizierungswochenende zum Integrationsbegleiter. Nach einem Pilotversuch vor zirka sechs Monaten startet ArrivalAid bereits die zweite Ausbildungsrunde, in der Ehrenamtliche zu Integrationshelfern geschult werden. "Geflüchtete kommen hier in Deutschland an und sind in neuem Umfeld auf sich gestellt. Der Begleitungsbedarf im täglichen Leben ist enorm. Wir haben uns gedacht: Das muss man anpacken, gerade auf kommunaler Ebene", erklärt Paul Kuhlmann, Leiter des Münchner ArrivalAid Standortes.
"Asylverfahren aufgeklärt wahrnehmen"
Seit 2014 arbeitet die Organisation im Bereich der Flüchtlingshilfe. Zunächst hat die Initiative da geholfen, wo am meisten Bedarf bestand: Ehrenamtliche wurden zu Anhörungsbegleitern ausgebildet. Die Helfer gehen mit Geflüchteten zur Anhörung, haben ihnen zuvor bereits erklärt, worauf zu achten ist. Sie begleiten das Interview, folgende Entscheidungen und klären Missverständliches. Kuhlmann: "Wir machen keine Lobbyarbeit. Wir möchten, dass Geflüchtete das Asylverfahren aufgeklärt wahrnehmen und ihre Situation bewusst darstellen können. Es geht aber nicht darum, möglichst viele Asylbewerber durchzudrücken. Im Fokus steht, dass der Termin gerecht, rechtsstaatlich abläuft." Möglichst viele positive Asylbescheide seien vielleicht persönliche Hoffnung, aber nicht Ziel der Organisation.
Inzwischen hat ArrivalAid das Angebot deutlich erweitert – immer in die Gebiete der Flüchtlingshilfe, in denen Not am Mann war: TranslAid, eine Austauschplattform für Dolmetscher ist hinzugekommen, IntegrAid, eine Integrationsbegleitung speziell für Unternehmen oder die ArrivalAid Akademie, in der Experten Tipps für Ehrenamtler und Geflüchtete geben. Außerdem arbeiten die Verantwortlichen daran, ein deutschsprachiges Monatsmagazin für Geflüchtete anzubieten, ArrivalNews. Und dann ist da natürlich noch die Integrationsbegleitung.
"Wir leben extrem privilegiert"
"Ich arbeite im Job viel mit Zahlen, komme aus der Wirtschaft. Da möchte ich gerne in der Freizeit die Gelegenheit nutzen, mich im sozialen Bereich zu engagieren", erklärt eine Teilnehmerin des Qualifizierungswochenendes. "Wir leben hier extrem privilegiert, ich denke, da kann man auch einmal etwas weitergeben und einem Menschen den Start in der neuen Heimat erleichtern."
In den nächsten beiden Tagen erfahren die künftigen Integrationsbegleiter zum einen, wie die Arbeit formal abläuft: ArrivalAid bringt Geflüchtete und Ehrenamtler zusammen, sie lernen sich kennen, eine Ansprechperson von ArrivalAid ist dabei. Verstehen sich die beiden, folgen gemeinsame Treffen, bei denen Ziele und Herausforderungen besprochen werden. Zudem besuchen Helfer und Geflüchtete die Akademie, um Tipps von Profis nutzen zu können. ArrivalAid klinkt sich bei verschiedenen Zwischentreffen regelmäßig in die Begleitung ein, um mögliche Probleme zu lösen und Fortschritte zu beobachten.
Zum anderen klären die Verantwortlichen, wie die Arbeit inhaltlich aussehen könnte: Externe Referenten von Fachstellen sprechen Themenfelder an, die für gelungene Integration besonders wichtig sind und die Geflüchteten voraussichtlich beschäftigen werden: Wohnungs- und Arbeitssuche oder richtiger Umgang mit Behörden. Zudem lernen die Helfer, wie Grenzen und Rollen der Patenschaft aussehen und wie Ehrenamtler Stress besser bewältigen. David Offenwanger, ArrivalAid Geschäftsführer: "Wir möchten Geflüchtete über unsere Integrationsbegleiter mit Wissen und Informationen unterstützen." Nach dem gelungenen Pilotversuch sei klar: "Es bringt etwas, die Arbeit ist nicht immer einfach, aber wir können Kompetenzen vermitteln. Die Geflüchteten lernen erfolgreich, erste Schritte zu machen."
ArrivalAid Akademie
Wer seine Kenntnisse der Integrationsbegleitung vertiefen will, hat dazu in der ArrivalAid Akademie regelmäßig Gelegenheit. Am Mittwoch, 8. November, startet das neue Semester. Die Akademie ist offen für ArrivalAid Ehrenamtler und Geflüchtete, aber auch für alle externen Interessierten. Los geht es um 18.30 Uhr im Evangelischen Bildungswerk München an der Herzog-Wilhelm-Straße 24. Thema des ersten Abends: "Als Helfer Geflüchtete bei der Arbeitssuche begleiten". Im wöchentlichen Rhythmus schließen sich weitere Termine an. Alle Akademie Abende sind mit renommierten externen Experten besetzt. Das Angebot ist kostenlos. Unter https://www.arrivalaid.org/akademie/ gibt es im Internet weitere Informationen. Hier ist auch die Anmeldung möglich.
"Wir gehören zusammen"
Unter dem Motto "Wir gehören zusammen" schauen die Münchner Wochenanzeiger in den nächsten Monaten einem Pärchen aus Integrationsbegleiter und Geflüchtetem über die Schulter. In regelmäßigem Rhythmus zeigen wir, welche Herausforderungen Ehrenamtler und Schützlinge meistern müssen und wie die Zusammenarbeit gelingt.
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