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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Lebendig, lustig, wunderbar"
In die HpT der Aktion Sonnenschein kommt jetzt öfters der Kasperl
Sie lachen aus vollem Halse – die Kinder und Jugendlichen der Heilpädagogischen Tagesstätte (HpT) der Aktion Sonnenschein. Erzieherin Maria Bernlochner hat ihr Puppentheater aufgebaut und zeigt "Kasperl und der Platzerldieb". Das Stück dauert nur 20 Minuten und hat einen klaren Handlungsstrang. Der Kasperl hat extra für Gretels Geburtstag ein großes Platzerl gebacken, doch die böse Hexe klaut es ihm sozusagen unter der Nase weg. Jetzt heißt es einen Plan entwickeln und der Diebin die Leckerei wieder abzujagen. Schlau tauscht er das Platzerl gegen ein steinhartes Teil vom letzten Jahr aus, an dem sich die Hexe fast noch ihren letzten Zahn ausbeißt.
Gut gefallen hat es ihnen, das ist die einhellige Meinung der Buben und Mädchen, die in der Bibliothek des Schulgebäudes in der Heiglhofstr. 63 vor der einfachen Bühne sitzen: zwei Trittleitern, eine Stange quer gelegt und eine Decke drüber – das genügt. "Das hat sich bewährt", sagt Maria Bernlochner. Fürs Drumherum ist einfach Phantasie gefragt – und an dieser mangelt es den Kindern nicht.
Theaterfreude
"Wie die Maria das macht, ist super schön", meint Simon und fügt hinzu: "Die Hexe war schon ziemlich dämlich." Eine Aussage, die Philipp zu der ziemlich coolen Schlussfolgerung führt, dass die Kombination von dämlich und fies ja nicht gut ausgehen könne. "Ein bisschen vergisst man, dass die Maria dahinter steckt", stellt er außerdem fest. Auch Nina, Maida und Maya sind begeistert. Sie erzählen, dass sie schon mehrere Stücke von Maria gesehen haben. Und Elias betont, dass er sich "so totlachen" musste. "Ich bin sehr stolz auf dich, Maria", sprudelt es aus ihm heraus – eine Bemerkung, die seine Erzieherin mit einem Schmunzeln quittiert.
Maria Bernlochner ist seit April Erzieherin bei der Aktion Sonnenschein und mit dem Kasperltheater hat sie, wie die Leiterin der HpT, Gerda Lehrer, erklärt, eine "zusätzliche Freude" in die Tagesstätte gebracht. Die Stücke seien "lebendig, lustig, wunderbar", konstatiert die Einrichtungsleiterin, vor allem weil sie "mit so viel Herzblut durchgeführt" würden.
Selbst geschriebene Geschichten
Die Theaterpädagogik ist eine Leidenschaft von Maria Bernlochner. Bereits seit 13 Jahren spielt sie Theater und ebenso lange arbeitet sie freiberuflich in der Puppentheaterabteilung im Stadtmuseum fürs Museumspädagogische Zentrum München (MPZ). "So bin ich dazu gekommen", beschreibt sie ihren Werdegang. Die meisten ihrer Figuren sind hochwertige Hohensteiner Handpuppen, einen Teil davon hat sie auf Flohmärkten gefunden.
Neben ihrer Tätigkeit in der HpT tritt sie mit ihrem Kasperltheater unter anderem auch in Altenheimen und Kindergärten auf und arbeitet mit dem Verein zur Betreuung und Integration behinderter Kinder und Jugendlicher (BIB e.V.) zusammen. Ihre Familie ist ihr Probepublikum, und bisweilen schreibt ihr Mann, der Lehrer ist, Lieder zu den Stücken und begleitet sie bei den Auftritten auf der Gitarre.
Ihre Stücke denkt sich Maria Bernlochner selbst aus, sie sind ganz auf ihre Zuschauer zugeschnitten – und die Erzieherin improvisiert gerne auch mal. "Es muss nicht so geregelt ablaufen", sagt sie. Der Vorteil hier sei, dass sie wisse, wer vor der Bühne sitzt. "Ich kann die Kinder also direkt ansprechen." Überhaupt sei es wichtig, dass das Publikum sich beteiligt fühle. "Die Geschichten entwickeln sich mit dem Input der Kinder."
Etwas anstoßen
Dass sich die Kinder in den Geschichten gut aufgehoben fühlen, liege auch an den traditionellen Rollenklischees, die das Puppentheater bediene, erläutert Maria Bernlochner. Der Kasperl zum Beispiel sei ein Hallodri, der nicht immer regelkonform agiere, es zum Schluss aber immer richte. Darauf könnten sich die Kinder verlassen. Sie könnten sich Streitsituationen zwischen den Figuren von außen ansehen, eigene Ängste in Spielszenen wiederfinden – etwa wenn der Tod auftritt – und sich selbst in manchen Dingen erkennen, beispielweise wenn der Kasperl erkläre, er habe heute keine Lust in die Schule zu gehen. Ihre Zuschauer hier in der Heilpädagogischen Tagesstätte hätten alle einen besonderen Förderbedarf und es sei durchaus anspruchsvoll, sie einzufangen. Dass das gelinge, zeige auch die Tatsache, dass die Mädchen und Buben mit ihren ausgemusterten Puppen die Stücke gerne nach- und weiterspielten. "Man sieht den Verarbeitungsprozess."
Ihr Theaterspiel sei eine "Mischung aus Klamauk und dem, was man wirklich brauchen kann", resümiert Maria Bernlochner. "Und es soll den Kindern einfach guttun."
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