"Individuelles Gedenken"
BA 8 fordert die Zulassung von Stolpersteinen auf öffentlichem Grund
Auf Initiative der Fraktion der Grünen hat der Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe (BA 8) auf seiner jüngsten Sitzung mit zwei Gegenstimmen die Zulassung sogenannter Stolpersteine auf öffentlichem Grund gefordert. „Die Landeshauptstadt München ist die einzige Großstadt in Deutschland, die sich vehement dieser Form des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus verweigert“, erklärten die Grünen in ihrem Antragsentwurf. „Diese Position gilt es endlich zu überdenken.“
Stolpersteine sind zehn mal zehn Zentimeter große auf Pflastersteinen angebrachte Messingplatten, in welche die Namen und persönlichen Daten von Opfern des Nationalsozialismus eingraviert sind. Sie werden auf dem Gehweg vor den früheren Wohnhäusern der Deportierten und Ermordeten verlegt. Das Projekt „Stolpersteine“ wurde 1993 von dem Bildhauer Gunter Demnig initiiert, im Jahr 1997 verlegte er die ersten nicht legalisierten Steine in Berlin. 2005 erhielt er für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz.
Stolpersteine für das Westend
„Für Opfer des 8. Stadtbezirks wurden bereits drei Stolpersteine gespendet“, so BA-Mitglied Myriam Schippers (Grüne) in ihrem Antrag. Hilda, Ernst und Liselotte Abeles wohnten damals in der Geroltstraße 37 und wurden am 20. November 1941 von den Nationalsozialisten deportiert und in Kausas in Litauen ermordet. Ihre Steine werden derzeit von der Initiative „Stolpersteine für München“ aufbewahrt, da sie gemäß einem Stadtratsbeschluss von 2004 nicht auf öffentlichem Grund verlegt werden dürfen. Rund zwanzig Steine wurden deshalb in München bisher auf Privatgrund verlegt, möglichst nah an der Grenze zum öffentlichen Grund, wie beispielsweise in der Viktor-Scheffel-Straße in Schwabing. Andere Steine sind in öffentlichen Ausstellungen in der Hochschule für Musik und Theater oder im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten zu sehen.
„Die Stolpersteine sind einem bestimmten Menschen gewidmet und gedenken seiner persönlich. Somit steht nicht wie oftmals die erschreckende Zahl an Opfern der Shoah im Vordergrund und bleibt somit abstrakt, sondern das Individuum“, verdeutlichte Schippers die Relevanz ihres Anliegens. Seit sich der Stadtrat 2004 gegen die Verlegung der Stolpersteine ausgesprochen habe, seien in über 600 Städten und Gemeinden in Deutschland sowie im Ausland mehr als 26.000 Steine verlegt worden. „Im vergangenen Jahr haben auch einige Bezirksausschüsse das Thema wieder aufgegriffen. Zudem hat die Münchner SPD im Mai auf ihrem Parteitag endlich für die Verlegung von Stolpersteinen gestimmt“, berichtete Schippers. Es sei nun für den Stadtrat an der Zeit, die Entscheidung von damals zu überdenken. „Von öffentlichem Grund und von öffentlicher Hand wurden diese Menschen deportiert und da gehört die Erinnerung an sie auch hin“, so Schippers.
Gedenktafeln „im Straßenschmutz“
Dem Antrag der Grünen stimmten nahezu alle Mitglieder des BA zu. Lediglich Gerhard Mayer (SPD) und der BA-Vorsitzende Ludwig Wörner (SPD) sprachen sich gegen den Antrag aus. „Mir geht es nicht um das Gedenken an sich. Ich halte die Form der Stolpersteine einfach für unangemessen“, erklärte Mayer. Er erinnerte damit auch an die damaligen Gründe der Ablehnung durch den Stadtrats, der unter anderem anführte, dass die Anbringung von Gedenktafeln „im Straßenschmutz“ als herabwürdigend empfunden werden könne. Zudem hatte sich auch die Israelische Kultusgemeinde und insbesondere deren Präsidentin Charlotte Knobloch gegen diese Form des Gedenkens ausgesprochen.
„Ich stehe Frau Knoblochs Argumenten mit Verständnis und Empathie gegenüber“, versicherte Schippers. Jedoch könne sie nicht verstehen, warum Knobloch für alle Opfergruppen sprechen wolle: „Die Stolpersteine gedenken aller von den Nazis Ermordeten, seien es Juden, Homosexuelle, Roma und Sinti oder Sozialdemokraten. Das ist auch etwas Besonderes an diesem Projekt, dass aller Opfer gedacht wird, egal welcher Herkunft oder Gruppenzugehörigkeit.“ Natürlich seien die Bedenken, die gegen die Verlegung von Stolpersteinen vorgebracht werden, ernst zu nehmen. „Doch die Gefahr der Schändung betrifft leider jedes Mahnmal, und die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, darauf zu achten, dass dies nicht geschieht"
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