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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Ästhetisch zerdonnern!"
Politkabarettist Richard Rogler über langhaarige Linke, Wellness-Perversionen und Sport
„Grandios und hochaktuell!" schrieb die Kölner Rundschau über den Politkabarettisten Richard Rogler. Er war ein junger Wilder und ein Erneuerer des deutschen Kabaretts. Jetzt wünscht er sich, dass der Nachwuchs das Kabarett zerdonnert und ästhetisch erneuert. Der mit Preisen übersäte Wahl-Kölner reist mit seinem aktuellen Programm „Stimmung“ durch das Land und macht am dritten Dezember einen Halt in München. Im Interview spricht Richard Rogler mit uns über langhaarige Linke, Wellness-Perversionen und Sport.
Herr Rogler, wie ist Ihre Stimmung heute?
(lacht) Die Stimmung ist heute und auch schon in den letzten Tagen sehr gut. Ich bin mit dem schönen Stück "Stimmung" gut dabei. Die Leute freuen sich. Gesund bin ich auch. Was will ich mehr?
Sie sind in Oberfranken geboren. Was verschlug Sie denn nach Köln?
Aufgewachsen bin ich in Selb, in Oberfranken, in der Porzellanstadt. Da habe ich Abitur gemacht. Danach war ich in Berchtesgaden bei den Gebirgsjägern. Dann habe ich in Würzburg studiert. Dort haben wir das sehr gute Kindertheater "Ömmes & Oimel" gegründet. Leider mussten wir von Würzburg weg, weil wir Auftrittsverbot in den Schulen hatten. Die hatten damals noch eine stramme CSU-Mehrheit, allerdings mit einem SPD-Bürgermeister. Also wie das lief, weiß ich bis heute nicht so recht. Der ist aber später zu den Republikanern gegangen. Dann hat das Schulamt für Unterfranken uns Auftrittsverbot erteilt, weil wir damals angeblich die langhaarigen, linken Kinderverderber waren. Dann sind wir geflüchtet.
Hat das denn gestimmt?
Also langhaarig waren wir, aber das hat doch keiner verstanden. Da hat sich ja wirklich in dreißig Jahren unheimlich viel verändert. Aber 1974 hatten wir wirklich noch andere Zeiten. Damals waren wir eben die Erneuerer mit dem Grips-Theater und sehr schnell hoch angesehen, auch europaweit. Wir waren überall mit den Stücken. Aber wir waren halt die antiautoritären, die angeblich zu Ungehorsam aufgefordert und den Kindern auch mal ein Stimmrecht gegeben haben. Aber das haben damals die Anderen anders interpretiert.
Hat es denn gefruchtet bei den Zuschauern?
Na, da hat sich doch wahnsinnig viel getan. Wenn ich heute sehe, was die Kinder für Rechte und Möglichkeiten haben. Die Eltern haben da auch umgedacht. Das ist ja im Grunde rasant gegangen.
Haben Sie denn damals schon Kabarett auf der Bühne gemacht?
Nein, das war reines Kindertheater. Wir waren zu sechst. Das war, wie man es damals noch nannte, ein Kollektiv. Ich habe das bis 1979 gemacht, dann bin ich weg. Wir haben zwar in Köln gewohnt, haben aber in Leverkusen gespielt. Die Stadt hat uns als offizielles Kinder- und Jugendtheater eingekauft. Die waren da schon etwas weiter. Danach habe ich angefangen Theater und Kabarett zu machen.
1980 bekamen Sie ein Engagement am Kölner Schauspielhaus. Welche Rollen spielten Sie dort?
Ich war im gesamten klassischen Repertoire drin, z. B. in der Handwerkertruppe bei Shakespeare. Das war schon klasse. Da war ja Jürgen Flimm noch Intendant. Da hat sich ein illustres Ensemble getroffen, absolute Cracks und ich habe dann immer geguckt, wie die das machen. Habe da gelernt. Und weil Jürgen Flimm so ein politisch denkender Mensch war, hatte ich auch die Freiheit, Spezialstücke zu machen. Da gab’s dann so eine Schlosserei, die ich zu einem Nebenspielplatz umgebaut habe. Um 23 Uhr begann da immer die Nachtvorstellung mit selbst produzierten Stücken. Die habe ich gemacht. Wir haben z. B. einen ganzen Tschernobyl-Abend gemacht. Da hatte ich schon eine ziemliche Freiheit, auch mit den Schauspielern zusammen. Das war so meine Nebentätigkeit. Ich war der Ausputzer, der dem Theater den politischen Anstrich gegeben hat. War eine tolle Zeit.
Vermissen Sie manchmal das Theater?
Im Grunde nicht. Ich würde vielleicht eine Produktion machen, das müsste aber eine freie Produktion sein. Ich habe dann doch etwas darunter gelitten, dass man immer die alten Stücke spielt. Das schlimmste waren für mich die Auseinandersetzungen im Ensemble. Das ist so ein Hauen und Stechen. Da lässt man so viel Energie in so einem Betrieb. Das hat mich genervt und dann bin ich 1986 fluchtartig raus und habe dieses Solostück "Freiheit aushalten!" gemacht, was auch wieder ein Meilenstein im Kabarett war. Da war ich sozusagen stilbildend. Das war das erste Gesangstück, aber trotzdem als Kabarett und mit einer durchgehenden Handlung.
Damals spielten Sie noch mit einem Alter Ego …
Ja damals noch mit dem Alter Ego Kamphausen. Ich hatte diese Figur eingeführt, die ich über viele Stücke gezogen habe. Jetzt im Moment habe ich ihn mal gelassen, weil ich wieder etwas direkter spiele, etwas Agit-Pop-mäßiger, als vor dreißig Jahren. Ich bin der Meinung, dass die heutige Zeit durchaus mal einen richtigen Klops in direkter Haltung und Ansprache des auftretenden Kabarettisten vertragen könnte oder nötig hat.
Aber eigentlich haben Sie ja Französisch und Sport auf Lehramt studiert …
Das war dann doch nix für mich, das merkte ich schon während des Studiums. Ich komme ja aus sehr kleinen Verhältnissen. Da war der Aufstieg natürlich der Wunsch meiner Eltern. Zur Bundeswehr bin ich auch nur, weil ich von Zuhause weg wollte. Ich war damals noch sehr gut in Sport, habe viel trainiert, hatte dort viel Freiraum und war immer sehr oft freigestellt. Ich wollte aber trotzdem früher raus. Da gab's nur eine Möglichkeiten, die Bundeswehr drei Monate früher zu verlassen, wenn man ein Studium anfing, dass nur im Herbstsemester zu beginnen ist. Es gab dann Werkstoffkunde, das war nicht so meins, und Sport. Ich habe dann die Aufnahmeprüfung für Sport in Würzburg mit Links gemacht und schon war ich drin.
Machen Sie heute noch Sport, vielleicht als Ausgleich zur Bühne?
Ich mach noch ein bisschen was, aber sehr reduziert. Ich laufe und wenn es geht, dann schwimme ich ein bisschen, aber das ist nicht der Rede wert.
Pilates oder Tai Chi?
Weniger. (lacht) Das kann ich überhaupt nicht leiden. Dazu habe ich auch eine schöne Stelle in meinem Stück drin über diese Perversion der Wellness-Bereiche. Das geht mir sehr auf den Keks – z. B. auch wenn viele laufen. Es laufen ja alle und vor allem die, die es nicht können.
Sie wurden schon mit etlichen Kabarettpreisen ausgezeichnet. Welche Preisverleihung ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Na ja, es war natürlich der erste, den ich bekommen habe. Das war damals der Förderpreis im Mainzer Unterhaus. Da war ich sehr stolz. Ansonsten sind die Preise, wie sie sind. Man freut sich drüber. Sie sind ja auch eine Bestätigung, dass man bisher so schlecht nicht war. Ich brauche jetzt aber eigentlich keine mehr. Ich habe einige zwei, drei Mal bekommen und habe eine ganze Wand voll hängen.
Aber nehmen würden Sie schon noch einen?
Ach ja, wenn noch so ein richtiger kommt, bei dem ich nicht so viel arbeiten muss. (lacht) Meistens sind ja die Preisverleihungen mit Arbeit verbunden. Da musst du hinfahren, dann musst du umsonst spielen, dann musst du noch mal umsonst spielen. Mal gucken was noch kommt.
Was erwartet denn die Gäste bei Ihrem Programm "Stimmung" im Schloss?
Das ist im Grunde eine klassische Bestandsaufnahme der jetzigen gesellschaftlichen Situation. Das geht von Politik über Sport bis in andere Bereiche rein wie Parteienentwicklung. Das ändert sich auch alle zwei, drei Wochen. Je nachdem, was angesagt ist. Es ist eine gute Improvisationsgeschichte. Ich weiß noch gar nicht welche Fassung ich in München spiele. Jetzt ist ja alles drin, Atomsachen, die unsägliche Integration, Diskussion der Konservativen.
Haben sie das Buch von Thilo Sarrazin gelesen?
Ich habe ein Drittel gelesen, dann war es mir zu blöd. Das meiste kannte ich schon. Außerdem interessiert es mich nicht. Das sind ja olle Kamellen und vor allem stimmt das nicht. Ich habe sehr viel Kontakt mit Ausländern hier in Köln. Ich kenne mehr Deutsche als Türken, die sich in Sozialsysteme einkaufen.
Wie halten Sie sich politisch fit?
Jo, ich rauche immer noch. (lacht) Als Widerstand. Ach Gott, ich bin ja voll in der Arbeit. Ich bin politisch. Ich denke, ich kenne mich ganz gut aus. Ich kenne auch viele Politiker persönlich und habe dann immer noch gute Kontakte. Die Sachen, die sie erzählen, kann ich dann immer gut verwerten. Die meisten wissen das ja auch, dass ich das offen verwende. Die sind ja nicht doof. Und privat sind die ja auch ganz nett. Mit denen kann man auch mal ein Bier trinken. In der Partei sind die dann ganz anders.
Meinen Sie, das Kabarett erholt sich langsam von der Finanzkrise?
Das wird sich zeigen. Was fehlt, ist, dass mal wieder ein radikaler Schlag in der Ästhetik passiert. Mir ist es einmal gelungen, aber das ist trotzdem nicht so einfach. Die Verjüngungskur fehlt mir ein wenig. Die Jungen spielen ja manchmal wie die alten Säcke. Eigentlich gehört das Kabarett mal ästhetisch zerdonnert. Da muss mal von der Jugend erneuert werden.
Interview: Alexander Funk
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