Mieten, Kinderbetreuung und Verkehr
Bürgermeister Reiter besuchte Laim und hörte zu
„Feuer frei“ – mit diesen Worten eröffnete Oberbürgermeister Dieter Reiter die Sprechstunde in Laim, zu der er eingeladen hatte. Nur um Beachtung des Anstandes hatte er im Vorfeld gebeten, ansonsten wollte er sich alle Kritik, alle Wünsche und auch Sorgen der Stadtteilbewohner anhören. Die Laimer hielten sich daran – und der OB hörte zu. Etliche der rund 130 Bürger meldeten sich am Donnerstagabend in der Turnhalle der Georg-Büchner-Realschule, um ihr Anliegen öffentlich vorzutragen. Reiter nahm sich Zeit, überzog sogar den auf zwei Stunden angesetzten Termin. Was die Laimer vorbrachten, waren jedoch kaum spezifischen Stadtviertelprobleme, sondern Anliegen, die aktuell in Ballungsräumen und in München verschärft als drängende gesellschaftspolitische Problemlagen beklagt werden: Hohe Mieten, zu wenig Kinderbetreuungsplätze und immer dichterer werdender Stadtverkehr.
Familie, Kinder, Mieten
„Was sollen wir tun?“, fragte Franziska Schneider den Oberbürgermeister. Sie und ihr Mann sind berufstätig, für ihr Kind haben sie jedoch keinen Betreuungsplatz, so dass nun einer der beiden seinen Beruf an den Nagel hängen muss. Unmittelbar mit dem Thema Kinderbetreuung verknüpft ist die Misslage der hohen Münchner Mieten. „Die Frauen müssen arbeiten, denn auch mit zwei Gehältern kann man in München kaum mehr wohnen. Aber ohne Betreuung kann man nicht ins Büro“, ergänzt eine Mitstreiterin. Ein Teufelskreis, dem sich viele Laimer Familien ausgesetzt sehen. Vor allem mit der Mittagsbetreuung für Grundschulkinder ist es im 25. Stadtbezirk schlecht bestellt: Nur 28 Prozent der Laimer Kinder haben einen Hortplatz, im städtischen Durchschnitt sind es 45 Prozent. „Das Hauptproblem ist, Personal zu gewinnen“, erklärt Reiter die Lage. 3.000 Stellen im Sozialbereich habe die Stadt ausgeschrieben. Zu wenig Gehalt, zu teurer Wohnraum und mangelnde Anerkennung für soziale Berufe hielten viele von dieser Berufswahl ab. 200 Euro Zulage gäbe es für die Erzieher in München – „dafür habe ich gestritten“, erklärt Reiter. Den Flächentarif, der für Deutschland gelte, könne jedoch auch er nicht übergehen. Außerdem wolle man bezahlbaren Wohnraum schaffen – auch für Erziehungs- und Pflegepersonal, natürlich auch für die Münchner. Schnell ginge das freilich nicht: „Das Problem ist bekannt und angekommen, aber das lässt sich nicht in den nächsten zwei-drei Jahren lösen.“
„Zuzug steuern“
„Das Problem sind die vielen ausländischen Investoren“, kritisiert Tizia Helfmann. Die Bodenpreise explodierten und die Münchner könnten sich Eigentum nicht mehr leisten. „Zuzug steuern“, fordert Sabine Kiermeier, denn München werde die stetige Nachverdichtung nicht packen. Dass München wachse, könne die Kommunalpolitik nicht zügeln, meint Reiter. Auch gegen Investoren, die ihr Geld zu Betongold machen, hat der OB wenig entgegenzusetzen: „Wir könne nicht verhindern, dass Investoren von privaten Bauherren kaufen. Wir können nur über das bestimmen, was uns gehört.“ Deshalb treibe die Stadt derzeit so viele Bauvorhaben an: 13.500 waren es im vergangene Jahr. „Aber Bauen ruft oft Kritik hervor“, moniert Reiter. „Laim wird in den nächsten Jahren Zentrum für große Bauvorhaben sein. Das freut hier auch nicht jeden.“ Das Beispiel hierfür folgte auf den Fuß, als ein Laimer forderte, dass beim Bau der U-Bahnverlängerung nach Pasing Rücksicht auf die Anwohner genommen werden solle.
„Rücksichtnahme und Respekt“
Die Unsitten der Münchner Radler beklagten die Laimer außerdem: „Mit Stöpsel im Ohr, Helm auf dem Kopf und scheinbar ohne Klingel rasen sie durch“, schimpft unter anderem Inge Schneider. Sie hielten nicht und schauten nicht nach rechts und links. „Eine Gefahr für Autofahrer, Fußgänger und untereinander.“ Reiters Antwort glich einem Plädoyer für gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt – gesellschaftliche Tugenden, die politisch kaum zu steuern seien.
Radwegsicherheit könnte nach Ansicht der Laimer u.a. durch bessere Markierung und bauliche Radwege geschaffen werden. Als problematisch empfinden die Laimer das in der Elsenheimerstraße durchgeführte Projekt mit den Radstreifen auf der Fahrbahn. Die Ortslage will der OB ebenso im Detail prüfen wie Martin Klingers Anliegen zur Anwendung der Erhaltungssatzung für ein Laimer Wohnhaus. Ideen wie etwa Drehkreuze im U- und S-Bahnhöfen, um Schwarzfahrer zu verhindern oder auch Nummernschilder für Radfahrer, um Verkehrssünder besser identifizieren zu können, nimmt der OB aus Laim mit. Helmut Schmidts Anregung, Haltverbote an den Einfahrten zur Gotthardstraße einzurichten und somit die Ausfahrten sicherer zu machen, will Reiter ans Kreisverwaltungsreferat weitergeben.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH