"Das kann Kunst leisten"
Künstler Martin Blumöhr erläutert sein Kunstwerk an der Ammerseestraße
"Public Viewing" heißt die Serie von Martin Blumöhr, in deren Rahmen er das Stromhäuschen an der Ammerseestraße verschönert hat. Martin Blumöhr ist ein Münchner Original und hat sein Handwerk an der Kunstakademie im Fachbereich Freie Malerei erlernt. Heute stellt er in mehreren Galerien aus und glänzt mit einem reichen Portfolio zu dem unter anderem seine Serie "Public Viewing" zählt. Seit den Umbauarbeiten am Marienplatz von 2005 arbeitete er wiederholt mit der Stadt München zusammen. Damals hatte Blumöhr vorgeschlagen, die Sichtschutzwände künstlerisch zu verschönern, nachdem die Stadtverwaltung zahlreiche wütende Bürgerbriefe erhalten hatte. Aufgrund des positiven Feedbacks beschloss Blumöhr die Gestaltung des öffentlichen Raumes im Austausch mit den Passanten fortzuführen und so wurde die Serie "Public Viewing" geboren.
Im Gespräch mit Wochenanzeiger-Werkstudentin Sabrina Flemmig stellte der Künstler sein Konzept vor.
"Klinken putzen" und Kooperationen
Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit mit der Stadt München? Fand das Projekt an der Ammerseestraße auch im Rahmen dieser Kooperation statt?
Martin Blumöhr: Ich sehe mich in der glücklichen Position, von meiner Kunst leben zu könne,n und bin wirklich sehr froh über das Vertrauen, dass mir die Stadt München entgegen bringt. "Mal halt mal" haben sie mir damals gesagt und das erschafft einen großartigen kreativen Freiraum. Ich muss zwar noch oft "Klinken putzen", aber manchmal werde ich auch von Gremien direkt angefragt. Das Projekt an der Ammerseestraße ist beispielsweise eine Kooperation mit der Autobahndirektion. Mein nächstes Projekt an der Domagkstraße hingegen findet in Zusammenarbeit mit dem BA Schwabing statt. So stößt ein Job den nächsten an.
"Glutpunkte" und "verzauberte Orte"
Der Westpark stellt die zentralen Motive für Ihre Arbeit an der Ammerseestraße. Was fasziniert Sie so besonders an dem Ort?
Martin Blumöhr: Der Westpark ist ja das, was hier am massivsten auf die Umgebung ausstrahlt. Da hatte ich Lust drauf, weil diese ausschweifenden Stadtparks genau das sind, was ich an der Stadt so sehr liebe. Das funktioniert in München besonders gut; unsere Gesellschaft ist nicht gespalten, sie ist multikulturell geworden. Das "Schickproblem" oder "zu viel Geld", das lähmt unsere Stadt wie Gift, aber sie hat auch schöne Seiten − homogene Flächen. Der Westpark ist darum unbedingt der "Glutpunkt" von dem Viertel; nicht ohne Reibung, aber alle leben eben zusammen und das finde ich bemerkenswert. Ich finde den Westpark einfach toll.
"Gefühle transportieren"
Die Motive - Sujets, wie sie es nennen - sind das persönliche Kindheitserinnerungen, beispielsweise der Bergriese?
Martin Blumöhr: In meiner Kunst geht es oft darum, Gefühle zu transportieren. Darum bediene ich mich auch gerne dem Mittel der Traumdeutung und ich konterkariere Unterbewusstes mit Bewusstem. Ein Sujet ist ein einzelnes Bildelement, dem ich bestimmte Aspekte zuordne. Es gibt aber eben nicht nur ein Hauptelement, sondern viele verschiedene, weil das Rätsel eben nicht nur im Hauptelement steckt. Darum sind meine Bilder auch eher "überbordend".
Der Bergriese, das ist der Hügel, wo das Theatron im Westpark ist. Ich finde, das ist eine verzauberte Landschaft da im Westpark. Mit den Kindheitserinnerungen liegen Sie nicht ganz falsch. Seit meiner Kindheit mache ich mir dieses Spiel, in der Landschaft Gesichter zu suchen. Das Kernstück dieser Arbeit stellt aber die Pagode dar. Sie symbolisiert die Kommunikation zwischen den Kulturen. Das ist so ein symbolischer Ort, da muss man einfach über den Sinn des Lebens nachdenken, finden Sie nicht? Das mag ich sehr. Und diese Kugel am Rand zum Westend und Sendling, die vom Wasser angetrieben wird, fand ich schon immer faszinierend. Wasser symbolisiert für mich ohnehin das Leben und, dass dieses bißchen Wasser, diese schwere, massive Steinkugel bewegen kann, ist einfach fantastisch. Als Kind habe ich mich damit stundenlang beschäftigt und die Kugel berührt und bewegt.
"Als Kind habe ich das Funkeln gesehen"
Stichwort Wasser − In ihrer Malerei finden sich bestimmte Gegenstände immer wieder in ungewöhnlichen Formen. So stellen Sie das Wasser in Form von Augen dar. Welche Bedeutung messen Sie dem bei?
Martin Blumöhr: Als Kind habe ich im Wasser immer diese mandelförmige Textur gesehen und dieses Funkeln. Das erschien mir damals wie ganz viele kleine Augen. Und wie gesagt, Wasser symbolisiert für mich das Leben. Außerdem gibt es Wasser in jedem Stadtviertel. Darum taucht es auch in meinen Bildern so oft auf.
"Kunst im öffentlichen Raum als Dialogfenster"
Das Projekt Ammerseestraße ist nun beendet, die nächsten Projekte stehen bereits an. Was können Sie sich für die Zukunft erträumen?
Martin Blumöhr: Ich würde mir wünschen, dass wir die Subkulturen noch viel mehr fördern. Kunst sollte meiner Meinung nach für jeden erfahrbar und nicht hermetisch sein. Es muss daran gearbeitet werden, Kunst im öffentlichen Raum als Dialogfenster zu integrieren, um den Leuten einen Zugang zu verschaffen; eine empathische Wahrnehmung zu öffnen, mit Hilfe eines Metaprogrammes. Wichtig ist dabei der Aspekt der sozialen Verantwortung: Gerade in Zeiten, in denen wir uns in diese sozialen Blasen begeben, in denen man die Anderen gar nicht mehr wahrnimmt, ist die Rückbesinnung darauf sehr wichtig. Das kann solch ein Projekt zwar nur kurz leisten, aber es kann es leisten und das finde ich spannend.
"Empathie ist dabei wichtig"
Sie möchten also mit Hilfe des Metaprogrammes Kunst soziale Grenzen abbauen?
Martin Blumöhr: Kunst ist auf jeden Fall ein Gedanke oder ein Gefühl, das man vermittelt. Empathie ist dabei wichtig. Schade, dass es dafür kein Unterrichtsfach in der Schule gibt. Das "Wer bin ich und wer ist der andere", das sollte man doch lernen.
Wie bei meinen Projekten mit Schülern. Ich hole da die Jugendlichen aus den verschiedenen Schulformen an einen Tisch. Am Anfang sitzen die in Ihren Grüppchen zusammen, am Ende jedoch ist da was zusammengewachsen, einfach durch den Austausch über die Arbeit. Denn diese indoktrinierten Unterschiede sind einfach nicht reell.
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