"Wir haben ein Monster bekommen"
Einmalig und wiederkehrend? Gemeinderat diskutiert die Ausbaubeiträge
Was tun mit der Straßenausbaubeitragssatzung? Sie kommt dann zum tragen, wenn eine Straße ausgebaut oder verbessert wird. Zahlen müssen dann in der Regel auch die Anwohner. Die Gemeinde Karlsfeld verfügt seit 2011 über eine (einmalige) Ausbaubeitragssatzung, die bisher aber noch nicht angewendet wurde. „Sie ist bis dato nur ein Papiertiger“, erklärte Fachanwalt Klaus Halter den Mitgliedern des Gemeinderats im Rahmen einer Sondersitzung. Der Bayerische Landtag hat mittlerweile noch eine weitere Möglichkeit geschaffen, denn seit April dieses Jahres haben die Gemeinden die Wahl zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen. „Diese Entscheidung trifft der Gemeinderat unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten“, so Klaus Halter. „Für viele Gemeinden ist das die Wahl zwischen Pest und Cholera. Meines Erachtens sind die Beiträge zu Unrecht so in der Kritik. Zumindest beim einmaligen Beitrag haben die Bürger, die gezahlt haben, einen Vorteil: sie haben eine schöne neue Straße vor der Haustür.“
In Karlsfeld sind sich die Gemeinderäte nicht sicher, welches Modell sie denn nun anwenden sollen. „Bei wiederkehrenden Beiträgen ist ganz wichtig, dass es sich um voneinander abgrenzbare Gebietsteile in der Gemeinde handelt“, sagte Klaus Halter. „Der wiederkehrende Beitrag ist aber kein Ansparmodell für die Gemeinden. Es darf nur der tatsächliche Aufwand umgelegt werden oder – wahlweise – der voraussichtliche Aufwand bis zu fünf Jahren. Nach diesen fünf Jahren muss dann spitz gerechnet werden, und eventuelle Über- oder Unterdeckungen auf die Folgejahre ausgeglichen werden.“
Der wiederkehrende Beitrag müsse immer einen Vorteil voraussetzen – und hier liege die verfassungsrechtliche Problematik. „Wenn praktisch die eigene Straße ausbaut wird, ist der Vorteil für den Bürger relativ leicht zu begründen“, so Klaus Halter. „Wenn ein ganzes Straßennetz ausgebaut wird, vernebelt sich der Vorteil natürlich. Viele Bürger fragen sich: Warum soll ich eine Straße bezahlen, die ich vielleicht nie benutze?“ In der jeweiligen Abrechnungseinheit gelte beim wiederkehrenden Beitrag derselbe Anliegeranteil, unabhängig davon, welche Straße ausgebaut wird, ob das Grundstück also an einer Anlieger- oder einer Hauptverkehrsstraße liegt. „Deshalb ist Fakt: Anlieger der Ortsdurchfahrten sind durch den wiederkehrenden Beitrag stark benachteiligt.“
„Wo macht man den Cut?“
Ein wiederkehrender Beitrag eignet sich nach Ansicht von Klaus Halter nur für kleinere Gemeinden mit höchstens 3.000 Einwohnern und einer kompakten Ortslage, bei denen in der Vergangenheit keine einmaligen Beiträge erhoben wurden. In Karlsfeld bräuchte es mehrere Abrechnungsgebiete, wie zum Beispiel die Rothschwaige. Hier wäre es eventuell relativ einfach, aber im Gegensatz hierzu leben allein im Bereich zwischen Krenmoos- und Hochstraße geschätzt 8.000 bis 10.000 Einwohner. „Dieses Gebiet ist meines Erachtens für einen wiederkehrenden Beitrag deutlich zu groß. Die Frage ist dann, wo macht man hier den Cut. Das wäre reine Willkür.“
Das Ganze sei ein schwieriges Thema, betonte auch Bürgermeister Stefan Kolbe. „Ich habe mich sehr intensiv damit befasst und auch mit Bürgermeister-Kollegen aus ganz Oberbayern gesprochen. Die meisten wenden die Satzung an und es funktioniert. Viele scheuen sich vor den wiederkehrenden Beiträgen. Ich denke, wir sollten das Thema noch mal intensiv diskutieren, aber irgendwann auch eine Entscheidung treffen, denn die Garten- und die Krenmoosstraße stehen an.“
„Enorme Rechtsunsicherheit“
Grundsätzlich sei es so, erklärte Klaus Halter, dass in Bezug auf die wiederkehrenden Beiträge eine enorme Rechtsunsicherheit herrsche, vor allem bei der Abgrenzung der Abrechnungseinheiten. „Und auch der Verwaltungsaufwand ist gigantisch.“ Auf lange Sicht biete der wiederkehrende Beitrag also keine Entlastung für die Bürger, weil er im Grunde ein Endlos-Beitrag ist und auch für Straßen gilt, die von den meisten Bürgern nie befahren werden. „Meiner Meinung nach ist deshalb der einmalige Beitrag besser. Und ich habe in meinen 28 Jahren, in denen ich mich mit dem Thema befasse, noch nie erlebt, dass jemand sein Haus verloren oder in existentielle Schwierigkeiten geraten ist, wenn die Straße ausgebaut wurde.“
„Einfache und gerechte Lösung für die Bürger“
Die Situation sei wirklich sehr schwierig, sagte Johann Willibald (CSU). „Die große Hoffnung war, dass wir die Bürger mit wiederkehrenden Beiträgen entlasten könnten. Aber allein mit dem Aufteilen der Abrechnungsgebiete laufen wir Gefahr, dass wir erst recht in die Bredouille kommen“, so der Verkehrsreferent der Gemeinde weiter. „Ich habe sehr viele Fragezeichen vor mir.“ Ähnlich geht es Hiltraud Schmitt-Kroll: „Ich bin leicht frustriert, hätte mir das Ganze wesentlich leichter vorgestellt.“ Die SPD-Fraktionssprecherin hatte eigenen Angaben zu Folge gehofft, dass wiederkehrende Beiträge die einfachere Lösung seien. „Wir hatten uns gefreut, als die Regierung die Änderungen vorgenommen hat. Jetzt habe ich allerdings den Eindruck, es ist verschlimmbessert worden.“ Und ihr Parteikollege Franz Trinkl ergänzte: „Idee und Ziel war es, eine einfache und gerechte Lösung für die Bürger zu finden. Davor steht aber noch die Rechtssprechung. Gefühlt haben wir ein Monster bekommen.“
Stefan Handl (CSU), zweiter Bürgermeister der Gemeinde, wies noch darauf hin, dass sich auch die kommunalen Spitzenverbände sehr kritisch zu diesem Thema äußern. „Grundsätzlich habe ich die Botschaft von Klaus Halter verstanden – sie lautet: keine wiederkehrenden Beiträge.“ Das sieht Wolfgang Offenbeck ähnlich: „Das fachliche Urteil scheint relativ eindeutig, nämlich dass es höchst schwierig sein wird, in Karlsfeld einen wiederkehrenden Beitrag einzuführen“, so der CSU-Gemeinderat. Und Bündnis-Fraktionssprecherin Mechthild Hofner betonte: „Das ist speziell auch der Lage unserer Gemeinde geschuldet. Wir stehen jetzt im Gemeinderat vor einer großen Herausforderung, um das Ganze so zu gestalten, dass die Bürger es auch mittragen und verstehen können.“
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