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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
„Offene Gewässer werden häufig unterschätzt“
Wasserwacht Ortsgruppe Karlsfeld sorgt für Sicherheit am Karlsfelder See
Pünktlich zum Fronleichnamswochenende erreichte der Sommer Karlsfeld. Nicht nur viele Gemeindebürger zog es bei hochsommerlichen Temperaturen an den Karlsfelder See. Das Naherholungsgebiet lockte auch wieder viele Freizeitsuchende aus dem Umland an. Gedanken um die Badesicherheit machten sich bei 30 Grad im Schatten wohl nur die wenigsten. Dabei gibt es besonders bei sehr heißen Temperaturen einiges zu beachten, weiß Jürgen Fritsch. Er war 37 Jahre lang erster Vorsitzender der Wasserwacht Ortsgruppe Karlsfeld und kann aus Erfahrung sagen: „Die Gefährlichkeit eines offenen Gewässers wird häufig unterschätzt.“
So auch bei einem Fall vor zehn Jahren. Es war ein kurzer Moment der Unachtsamkeit. Während die Eltern den Sommertag am Grillplatz genießen, erfrischt sich ihr achtjähriger Sohn im See. Als Schwimmhilfe dient ihm ein aufblasbarer Delfin. Eigentlich kann dann ja nichts passieren, dachten sich die Eltern wahrscheinlich. Eigentlich. Als den beiden auffällt, dass ihr Sohn nicht mehr in Sichtweite ist, gehen sie den Strand ab, fragen andere Badegäste, suchen das Kind in der Umgebung. Vergeblich. Schließlich sehen sie das Schwimmtier ihres Sohnes alleine im Wasser treiben. Erst jetzt alarmieren sie die Wasserwacht. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schon zwei Stunden tot.
"Baderegeln beachten!"
Für Jürgen Fritsch kein Einzelfall. Insgesamt 20 Tote musste er in 37 Jahren bergen. 20 zu viel. "Die meisten Unfälle passieren, weil die Baderegeln missachtet oder die eigenen Fähigkeiten überschätzt werden", berichtet er. Nicht mit vollem Magen baden! Bei Gewitter den See verlassen! Lange Strecken nie alleine schwimmen! Die wichtigsten Regeln zur Badesicherheit lernt man eigentlich schon als Kind. Eine weitere wichtige Vorschrift: Vor dem Sprung ins kalte Nass abkühlen! Denn gerade wenn die Außentemperatur sehr hoch, das Wasser jedoch wie derzeit mit 16,8 Grad recht kühl ist, besteht die Gefahr eines Kreislaufversagens. „Bewusstlosigkeit ist im Wasser tödlich“, mahnt Jürgen Fritsch. Denn wer nicht auf sich aufmerksam machen kann, kann auch nicht gerettet werden.
"Wir helfen jedem"
Hilfsaktionen auf See machen jedoch nur einen kleinen Teil der Einsätze der Wasserwacht aus. Ob Bienenstich, Schürfwunde oder Kreislaufprobleme - die freiwilligen Helfer leisten bei medizinischen Notfällen am See oder in der Umgebung die Erstversorgung vor Ort. "Wir sind da und helfen generellem jedem", betont Jürgen Fritsch. Sein Sohn Tobias meint jedoch: „Viele wissen gar nicht, dass wir da sind, weil sie uns noch nie gebraucht haben“. Mitte Mai löste er seinen Vater im Amt des Vorsitzenden ab. Gemeinsam mit rund 35 ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen verbringt er seine Freizeit damit, für Sicherheit am Karlsfelder See zu sorgen. Von Mitte Mai bis Mitte September, bei Badewetter an Wochenenden und Feiertagen, acht bis zehn Stunden am Tag. In einer Saison kommt da einiges zusammen: Ein paar Hundert Erste-Hilfe-Leistungen. Hinzu kommen zwei bis drei Vermisstensuchen im Wasser. Zwei Jahre dauert die Ausbildung der Wasserwacht-Taucher.
"Es ist die Arbeit wert"
Auch Tobias Fritsch hat diese absolviert. Ein Vorfall im Sommer vor zwei Jahren ist ihm ganz besonders im Gedächtnis geblieben: Ein junger Mann spielt mit seinem Ball am Ufer des Sees; er ist Nichtschwimmer. Als ihm sein Ball entgleitet und auf den See hinaus treibt, will der 22-Jährige hinterher. Und sinkt unter Wasser. Weil Tobias Fritsch zufällig in unmittelbarer Nähe ist, kann er sofort reagieren: Er taucht den Bewusstlosen vom Boden des Sees an die Oberfläche – und rettet ihm mit seinem schnellen Einsatz das Leben. Es sind Erfolgserlebnisse wie diese, welche Tobias Fritsch und seine Kollegen antreiben. „In solchen Momenten weiß man: Es ist die Arbeit wert.“
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