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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Erinnerungsorte setzen
Bei Straßenbenennungen soll genauer auf NS-Zeit geprüft werden
Geht es nach dem Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) dann sollen Straßen beziehungsweise auch andere Verkehrsflächen, die nach Personen benannt werden, genauestens auf eine mögliche „Belastung“ in der NS-Zeit sowie im Hinblick auf völkische, antisemitische und rassistische Äußerungen und Handlungen geprüft werden. Einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion hat das Gremium in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich so beschlossen.
„Das Ergebnis dieser Prüfung sowie die zur Beurteilung relevanten Informationen über die Biografie der vorgeschlagenen Person werden dem Bezirksausschuss im Rahmen der Sitzungsvorlage zur Straßenbenennung zugeleitet, so dass dieser über eine adäquate Grundlage für seine Beratungen verfügt“, erklärt Jörn Retterath in seinem Antrag. Mit der Benennung von Straßen, Plätzen oder Brücken würdige die Landeshauptstadt München bedeutende Personen und setzt ihnen einen dauerhaften „Erinnerungsort“ in der Stadttopografie.
„Entsprechende Würdigkeit“
„Bevor einer Person eine solche Ehre zuteilwird, sollte geklärt sein, dass die vorgeschlagene Person durch ihre Biografie eine entsprechende Würdigkeit aufweist. Neben dem Lebenswerk der zu ehrenden Person sollten mögliche ‚Belastungen‘, etwa während der Zeit des Nationalsozialismus und im Hinblick auf völkische, rassistische und antisemitische Äußerungen sowie Handlungen, geprüft werden“, so der Antragsinitiator weiter. „Entsprechende Informationen sind dem Bezirksausschuss zuzuleiten, damit sich dieser ein eigenes Urteil über die zu ehrende Person bilden kann. Dies soll verhindern, dass nach Personen benannte Verkehrsflächen später aufgrund von nun vorliegenden Informationen umbenannt werden müssen.“
Beispiel Hilblestraße
Dies trifft unter anderem auf die Hilblestraße zu. Vor zehn Jahren hatte die Geschichtswerkstatt Neuhausen in ihrem Buch „Von der Aiblinger Straße bis zum Künstlerhof“ darauf hingewiesen, dass der Namensgeber der Straße, Friedrich Hilble (1881 bis 1937), ein eifriger Antisemit war, der die diskriminierende Politik gegen die „nichtarische Bevölkerung eigenmächtig und ohne dazu gezwungen zu sein“ verschärfte. Friedrich Hilble, bis 1937 Leiter des Münchner Wohlfahrtsamtes, schilderte die Aufgaben seiner Behörde gegenüber Fürsorgeempfängern mit folgenden Worten: „Pflichtarbeit, Fürsorgearbeit, Unterstützungssperre, schärferes Vorgehen gegen Drückeberger, Faulenzer, Unterhaltsverweigerer usw.“ Und so sah die Realität dann aus: Ab 1934 konnten „arbeitsscheue“ Fürsorgeempfänger in KZ eingeliefert werden, so ein Erlass des bayerischen Innenministers. Die Hilble-Behörde hat nach Recherchen der Geschichtswerkstatt von diesem Erlass eifrig Gebrauch gemacht. Zudem habe er Juden die Sozialhilfe verweigert und „Asoziale“ (so der Nazi-Jargon) in Arbeits- und KZ-Lager bringen lassen.
Symbolische Umbenennung
Bereits seit 2011 setzt sich auch der BA 9 für eine Umbenennung der Straße ein, und auch in den Bürgerversammlungen des 9. Stadtbezirks wurde in den vergangenen Jahren regelmäßig eine Umbenennung gefordert. Ursprünglich hätte das Ganze bereits 2012 erledigt sein sollen – doch passiert ist bis jetzt immer noch nichts. Erst im vergangenen Jahr haben BA-Mitglieder daher selbst Hand angelegt und die Straße, so der Vorschlag des Gremiums, nach Marie Luise Kohn (Künstlername Maria Luiko) umbenannt – zumindest symbolisch.
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