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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Jeder ist für sich selbst verantwortlich"
Wolfgang Clement und die FDP gehen beim Haderner Dorffest auf Tuchfühlung
"In welcher Welt wollen Sie leben?" Um nicht mehr und nicht weniger geht es bei den Wahlen im September als um die Antwort auf diese Frage, die der Vorsitzende der Münchner FDP, Daniel Föst, beim Haderner Dorffest stellte. Die Liberalen zeichneten im Festzelt ein klares Bild von ihrer Welt: In ihr zählen Leistungsbereitschaft, Mut und Verantwortung ("Wir lassen keinen zurück, aber wir bremsen auch niemanden aus", sagte Föst); in ihr gibt es keine Frauenquote ("Wir wollen nicht die Zwangsquotierung, die die Personalpolitik der Unternehmen in die Zange nimmt", meinte Gabriele Weishäupl, "und Frauen sind nicht unbedingt scharf auf die Aufsichtsratsposten der DAX-Unternehmen!"); in ihr hält man nichts von "mittelstandsfeindlichen Steuererhöhungsorgien" und "absurden Umverteilungsfantasien".
"Nicht in alles einmischen!"
Als entsprechend "starkes Signal" wertete es FDP-Landtagskandidatin Gabriele Weishäupl, dass mit Wolfgang Clement der "Architekt der Agenda 2010" beim Frühschoppen der FDP sprach (Clement war 2002 bis 2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und ist 2008 aus der SPD ausgetreten). "Wir brauchen mehr denn je eine starke liberale Kraft in Deutschland und in Bayern", der Staat dürfe nicht Vormund der Bürger sein, sondern müsse ihre Interessen unterstützen, sagte Clement: "Jeder ist für sich selbst verantwortlich, der Staat darf sich nicht in alles einmischen und schon gar nicht das Volk erziehen wollen!“ Das warf Clement, der "Sozialdemokrat ohne Parteibuch" ist (und "Verkehrsminister ohne Führerschein" war) den Grünen vor.
"Erfolg nicht aufs Spiel setzen!"
Für Clement hat sich die Agenda 2010 längst als Erfolg erwiesen, dank der Deutschland vom " kranken Mann Europas " zur " Wachstumsmaschine " gesundet sei: "Wir brauchten damals einen Push, nachdem die New Economy zusammengebrochen war". Die weitreichenden sozial- und arbeitsmarktpolitischen Reformen jetzt, wo sich erneut rezessive Tendenzen abzeichnen, rückgängig machen zu wollen, sei abwegig: "Das kann ich partout nicht verstehen", beklagte Clement, "ich bedauere, dass sich meine alte Partei mit den Grünen dem ökonomischen Irrweg der Steuererhöhungen verschrieben hat". In Bayern und Baden-Württemberg sei dank der Agenda Vollbeschäftigung erreicht: "Das ist ein gewaltiger Fortschritt, niemand sollte das aufs Spiel setzen".
Für Clement sind vier Ausnahmeeigenschaften der "Grund dafür, dass wir in Deutschland so gut sind: weil wir einen starken industriellen Sockel haben, weil wir einen kraftvollen Mittelstand wie kaum ein anderes Land haben, weil die duale Berufsausbildung vor Jugendarbeitslosigkeit schützt, weil Sozialpartnerschaft und Tariffreiheit herrschen." Letztere dürfe man nicht einschränken - z.B. durch Mindestlöhne.
"Für sichere Renten mehr arbeiten!"
"Wir brauchen einen Mentalitätswandel, um den demographischen Herausforderungen zu begegnen", forderte Clement: Die Schere zwischen Arm und Reich bringe man nicht durch Umverteilung wieder zusammen, sondern dadurch, dass man Chancengleichheit schaffe und jedem den Weg nach oben öffne.
Auch die Senioren müssten umdenken: "Sichere Renten erreicht man nicht durch unbezahlbare Wohltaten, sondern dadurch, dass man mehr arbeitet!" meinte Clement: " 30 Prozent der heute 65- bis 80-Jährigen wollen am liebsten wieder arbeiten!" Auch den Frauen müsse man den Weg in Berufsleben erleichtern (aber nicht indem man eine Frauenquote festlege, sondern indem mehr Kitas und Ganztagesschulen gebaut werden).
"Den Wohlstand sichern!"
Der FDP wünschte Clement "mehr Größe" – und die würde den früheren SPD-Minister am liebsten "eingemeinden". Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch schenkte seinem Gast daher schon mal einen Trachtenhut. "Ohne Investitionen in die Zukunft können wir den Wohlstand nicht sichern", meinte Heubisch mit Blick auf den Campus Großhadern. "Hier arbeiten 10.000 Menschen, hier wird Zukunft gemacht!" Großhadern sei als Kern der Gesundheitsforschung auf Augenhöhe mit den anderen weltweiten Spitzenreitern Boston und Singapur. "Hier werden Arbeitsplätze kreiert und ich bin stolz, dafür verantwortlich zu sein", meinte Heubisch.
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