Herr Funke hat ein Buch geschrieben
84-jähriger Gehörloser aus Großhadern erfüllt sich seinen Herzenswunsch
China, Jemen, Kuwait, Irland – diese Reihe lässt sich noch fortsetzen. Peter Funke ist um die Welt gereist. In 20 Jahren hat er 296.477 Kilometer Luftlinie zurückgelegt, hat die Erde also mehr als siebenmal umrundet. Jedes Mal hat er sich hingesetzt, einen Reisebericht geschrieben und Fotos archiviert. Jedes Mal waren sein Ziele die Gehörlosenschulen dieser Welt, denn: Peter Funke, inzwischen 84 Jahre alt, ist gehörlos. Von Geburt an. Genau wie seine Frau Ursel. Das Buch, an dem er viereinhalb Jahre arbeitete, sei sein Herzensprojekt gewesen, sagt er. Jetzt hält er es stolz in Händen.
Für Gehörlose und Hörende
"7mal um die Erde! Peter Funke besucht Gehörlosenschulen in aller Welt" lautet der Titel des Werkes. "Es sollte ein Buch für Gehörlose und Hörende werden", sagt Peter Funke, ein Inklusionsbuch sozusagen. Angestoßen habe die Idee zu diesem Projekt Pfarrerin Cornelia Wolf, landeskirchliche Beauftragte für die evangelische Gehörlosenseelsorge in Bayern. "Sie hat mich zuhause besucht und meine Sandgläser bewundert", erinnert sich Peter Funke. Denn, das muss man wissen, in der Wohnung des Ehepaars Funke finden sich fein säuberlich auf einem Regal aufgereiht über 50 Gläser. Peter Funke hat von allen seinen Reisen ein Häuflein Welt zu sich nach Hause geholt. Dahinter hängt eine Landkarte, auf der die Orte, die er im Laufe der Jahre besucht hat, mit Nadeln markiert sind.
Aus Sand wird ein Buch
"Mehrere Meter Regal mit farbigem Sand in kleinen Fläschchen fielen mir sofort ins Auge als ich vor etwa drei Jahren das Ehepaar Funke besuchte", schreibt Cornelia Wolf in ihrem Vorwort. "Neugierig fragte ich nach dem Sinn dieser Fläschchen und erhielt zu jedem Fläschchen eine kleine Geschichte aus fernen Ländern. Am Ende unseres langen Gespräches war ich mir sicher, dass die Geschichten dieser Sandfläschchen in ein Buch umgewandelt werden müssten."
Die Idee reifte und Cornelia Wolf stellte Kontakt zu Dr. Katja Sachsenhauser, damals Akademische Oberrätin am Lehrstuhl für Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik der LMU München, her. "Als uns Cornelia Wolf miteinander bekannt machte, war ich sofort fasziniert von Peter Funkes Erzählungen und Geschichten aus aller Welt – und vor allem aus der Welt der Gehörlosen aus aller Welt", erinnert sich Katja Sachsenhauser in ihrem Vorwort.
Schreibstube in der Wohnung
So wurde aus der Wohnung der Funkes in Großhadern eine Schreibstube, ein Redaktionsbüro, in dem die Fäden zusammenliefen. Material wurde gesichtet, ein Konzept erarbeitet, Berichte zusammengestellt. Herausgekommen ist dabei ein 200 Seiten dickes Buch. Jedes Kapitel steht für eine Reise von Peter Funke, an dessen Beginn eine Weltkarte die Tour des 84-Jährigen, ausgehend von München, visualisiert. Weiter geht es mit Informationen zum jeweiligen Land wie Hauptstadt, Fläche, Einwohner und Amtssprache. Es folgt Wissenswertes zur Geschichte, kulturellen Besonderheiten und landestypischem Essen. Peter Funkes Reiseberichte krönen die einzelnen Kapitel, die in sich abgeschlossen sind. Er beschreibt hier seine Besuche in den Gehörlosenschulen, die Begegnungen mit Lehrern und Kindern. Dazwischen gibt es viele Fotos, die der 84-Jährige selbst gemacht hat.
Große Unterstützung fand das Autorenteam dabei von Studierenden des Bachelorstudienganges Prävention, Inklusion und Rehabilitation (PIR) bei Hörschädigung der LMU München. "Sie haben Texte abgetippt und über die Länder recherchiert", sagt Peter Funke. "Die Fotos mussten digitalisiert werden."
Wichtiger Begleiter Smartphone
Peter Funke berichtet gerne über sein Buch. Zahlreiche Vorträge hat er schon darüber gehalten. Wenn er mit Hörenden kommuniziert, liest er von den Lippen ab und verständigt sich auch mit Gesten. Als "Dolmetscherin" bekommt er oft Hilfe von seiner Schwägerin. Ein inzwischen wichtiger Begleiter ist auch sein Smartphone geworden, das ihm die Kommunikation im Freundeskreis erleichtert. "Wenn wir früher in einem Land angekommen sind, haben wir am Flughafen nach der Gehörlosenschule gefragt", erinnert sich Peter Funke. "Dann wurde manchmal die Polizei angerufen und uns so irgendwie weitergeholfen, bis wir die Schule gefunden haben." Mit dem Smartphone und dem Internet sei das natürlich heute viel einfacher.
Nun hofft der 84-Jährige, dass noch mehr hörende Menschen sein Buch lesen, dass die Absicht Inklusionsbuch ihr Ziel erreicht. Unterdessen planen die Funkes wieder eine Reise. Gerade sind sie aus dem Bayerischen Wald zurückgekehrt. Weite Touren seien ihnen inzwischen zu anstrengend, aber im September gehe es, zu Ehren Luthers, nach Wittenberg.
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