"Woanders ist man immer fremd"
Germeringer Künstler mit Migrationshintergrund stellen aus
Beim Sortieren alter Unterlagen ist Angelika Brach ihr alter Flüchtlingsausweis in die Finger geraten. „Damals war ich drei Wochen alt“, berichtete die Künstlerin. Die 1947 in Dresden Geborene war also auch einmal Flüchtling. „Mir ist dann aufgefallen, dass ich so viele Kollegen kenne, die ebenfalls nicht hier geboren sind“. So entstand die Idee zur Ausstellung des Kunstkreises Germering: „Woanders ist man immer fremd“. 15 Künstler mit Migrationshintergrund aus Ländern wie Südafrika, Algerien, Frankreich, England, Südkorea, Irak oder der DDR haben sich mit dem Thema künstlerisch auseinander gesetzt. Außerdem hat Brach ihre nach Kanada ausgewanderte Freundin Angelika Jäger dazu genommen. Ein dreiviertel Jahr lang dauerten die Vorbereitungen. „Wir haben uns mehrfach getroffen und ausgetauscht“, berichtete Brach. Viel wurde über die Gründe gesprochen, die zu den Ortswechseln geführt hatten. „Manchmal ist man gezwungen sein Land zu verlassen, manchmal tut man es freiwillig und zuversichtlich, manchmal einfach aufgrund eines Studiums, eines Arbeitswechsels oder einer Heirat“, meinte Brach. Gemeinsam war, dass es einen Neuanfang gab, der in irgendeiner Form bewältigt werden musste, dass es manches Fremde zu überwinden und anzunehmen galt. „Die Idee war, ein Projekt zu verwirklichen, bei dem es nicht über das Emigrieren und Immigrieren geht, sondern über das Angekommen sein“, so Brach.
Karten eines Lebenswegs
Im Ergebnis spiegeln sich die unterschiedlichen Ansätze der Künstler wieder. Angelika Jäger hat Bayern vor 28 Jahren verlassen. Auf zwei Leinwandfahnen hat sie ihre alte Heimat und die neue in Kanada symbolisiert. Der dunklen, eng wirkenden Vergangenheit hat sie eine lichte, weite Gegenwart entgegengestellt. „Während der Erstellung dieser Arbeiten war ich oft in Gedanken an Orten, die mir gut bekannt sind und so entstanden Bilder als Karten meines Lebenswegs: vom ersten Schultag, Erinnerungen an Gebäude und Natur, Farben und Kontraste“.
Constanze Wagner stammt aus Südafrika. Ihre an Patchworkarbeiten erinnernden Collagen sind mit schwermütigen Gedichten ergänzt. „Nichts als meine Füße und Hände habe ich hier. Der Rest ist auf dem Weg hierher verloren gegangen“, heißt es beispielsweise. Hugo Wolff wurde 1950 in Rumänien geboren. Seine Kohlezeichnungen zum Thema „Kirche in Siebenbürgen“ hat er hinter aufgestellten Fensterläden versteckt. Nur durch einen schmalen Spalt sind die Bilder zu erkennen. „Dreh dir einen Fremden“ heißt die Installation, die Eckhard Hollmann, Guiseppe Tore und Hugo Wolff angefertigt haben. Auf dreiteiligen Holzplatten haben sie Figuren gezeichnet. Der Besucher kann Köpfe, Torsi und Beine nach Wunsch verdrehen und so immer neue Figuren schaffen. Eines der größten Werke der Ausstellung heißt „Multi.Munich“. Aus einem abstrakten Farbenreigen erheben sich die beiden Türme der Frauenkirche. Die 24-jährige Künstlerin Maria Weiß hat das Werk gemalt. Mit zwölf Jahren ist sie aus Kiew nach Deutschland gekommen. „Meinen Anschluss in Deutschland fand ich in meinen künstlerischen Aktivitäten“, berichtete sie. Als riesige Projektionsfläche für Gedanken, Gefühle und Träume, die mit eigenen Einflüssen bereichert werden, sieht sie die Stadt München.
Die Ausstellung ist noch bis zum Freitag, 30. September, im Forum der Stadthalle Germering zu besichtigen. Öffnungszeiten sind täglich von 16 bis 20 Uhr.
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