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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Roman mit Pudding
Premierenlesung: "Mein Leben mit Martha" von Martina Bergmann
Gestreifter Pudding im Glas: Diese süße Köstlichkeit wurde kürzlich in der Buchhandlung LeseZeichen in Germering gereicht. Weil Martha den so gerne mag. Und die Gäste ja vielleicht auch. Gestreifter Pudding also, Vanille und Schoko. Und eine Lesung vorab. Um die ging es nämlich eigentlich. Um "Mein Leben mit Martha" von Martina Bergmann.
600 Kilometer Freundschaft
Zu einer Premierenlesung hatte Katrin Schmidt von der Buchhandlung LeseZeichen eingeladen. Die Autorin: ihre Kollegin und Freundin Martina Bergmann, 39, aus Borgolzhausen in Nordrhein-Westfalen. Seit sechs Jahren kennen sich die beiden Frauen, persönlich begegnet sind sich indes erst am Tag der Lesung. Rund 600 Kilometer liegen zwischen Germering und Borgolzhausen, eine stundenlange Autofahrt. Per Facebook ist es nur ein Mausklick. Genau über dieses soziale Netzwerk verfolgte Katrin Schmidt regelmäßig die Berichte von Martina Bergmann über ihre Freundschaft mit einem Paar in den 80ern und ganz konkret ihr Leben mit Martha. Zu dem Zeitpunkt, als Katrin Schmidt ihre Freundin Martina motivierte, ein Buch aus den Blogbeiträgen zu verfassen, stand diese schon mit der Münchner Verlegerin Julia Eisele in Kontakt. Jetzt ist "Mein Leben mit Martha" erschienen.
"Demenz ist nicht die ganze Person"
Martina Bergmann hat Martha geerbt. Sozusagen. Als Marthas Partner Heinrich stirbt, bleibt sie zurück. Alleine leben kann sie nicht. Sie ist dement. Kurzerhand zieht Martina bei ihr ein. Was klingt wie eine erfundene Geschichte, hat sich wirklich so zugetragen. Trägt sich immer noch zu. Die Autorin berichtet in ihrem Romandebüt über ihren Alltag mit Martha, argwöhnische Nachbarn und einen verständigen Richter ("Das ist nicht selbstverständlich"). Und dann gibt es da ja noch ihre kleine Buchhandlung und eine Katze. "Martha heißt in echt ein bisschen anders. Aber alles, was hier steht, ist passiert", sagte die Autorin zu Beginn der Lesung. Aus Gründen des Persönlichkeitsrechts habe sie allerdings einige Personen rauslassen müssen. "Martha hat Pflegegrad III", so Martina Bergmann. Das sei eine ganze Menge. "Aber jemand mit Demenz ist nicht nur eingeschränkt. Demenz ist ein Element, nicht die ganze Person."
Humor und Respekt
Wenn Martina Bergmann aus ihrem Buch liest, klingt das Leben meistens leicht. Und echt. Ihr Ton ist voll von Humor – und Respekt. Das macht das Buch so besonders. Martha ist dement. Und schön. Und schlau. All das. Und Martina Bergmann nimmt sie genau als diesen Menschen wahr. "Martha hat seit 15 Jahren Demenz, nicht Alzheimer. Diese Form der Demenz hat den Speicher kaputt gemacht, aber nicht den Intellekt", sagt sie über ihre Mitbewohnerin. Die Autorin schildert urkomische Situationen, kommt aber auch mit leisen Tönen daher, etwa als Martha Angst hat, ihr Heim verlassen zu müssen: "Sie sieht mich an. Große, dunkle Augen voller Furcht. Ich erschrecke mich. Wir haben schon eine Menge erlebt. Martha und ich. Das Betreuungsgericht, die Krebsstation, den sterbenden Heinrich. Wir haben gemeinsam viel ausgehalten, und sie war meistens furchtlos. Sie war aufgebracht und traurig, sie war überdreht vor Stress, war manchmal wild. Aber noch nie hatte sie solche Angst."
Im Anschluss an die Lesung nutzten viele der rund 30 Besucher die Gelegenheit, ein Buch signieren zu lassen. Dazwischen wurde geratscht. Und Pudding gegessen.
(Martina Bergmann: Mein Leben mit Martha. Julia Eisele Verlag München, 223 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 18 Euro, ISBN 978-3-96161-053-2).
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