"Ich bin nicht allein"
Kraft schöpfen in der Selbsthilfegruppe
"Es tut einfach gut, kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen", betont Annegret Weidemann. Helga Bendig freut sich, dass sie einen "netten Bekanntenkreis" gewonnen hat, und Gottfried Freund gesteht, dass ihm erst durch die Gruppe bewusst geworden ist, "wie ich mir und auch Dritten geschadet habe". Es sind sehr offene und ehrliche Antworten, die Monique Braun von Leitern und Mitgliedern der Germeringer Selbsthilfegruppen bekommen hat.
Seit 20 Jahren gibt es die Selbsthilfekontaktstelle in der Germeringer Insel. Die langjährige Sozialreferentin Friedl Off hatte vor 20 Jahren die Initiative ergriffen und den Selbsthilfegruppen in der Germeringer Insel eine "Heimat" gegeben. Monique Braun hat vor zehn Jahren hauptamtlich die Koordination übernommen. Sie hat aus Anlass des Jubiläums eine Ausstellung konzipiert. Unter dem Motto "Geborgenheit und Stärke in der Gemeinschaft finden" stellt sie rund 30 Portraitfotos und Aussagen von Mitgliedern verschiedener Selbsthilfegruppen in der Germeringer Insel aus. Derzeit gibt es hier 16 Selbsthilfegruppen, die von 600 Menschen besucht werden. Zum Beispiel langjährige Gruppen wie die Krebsselbsthilfe, die Rheumaliga, den Kreuzbund oder die Gruppe für Blinde und Sehbehinderte oder Gruppen, die erst vor kurzem gegründet wurden wie die "Burnout"-Gruppe oder das Treffen für Depressionskranke. In einigen treffen sich Menschen mit Krankheiten wie Morbus Crohn oder Diabetes, in anderen – wie der Herzsportgruppe – wird Gymnastik gemacht oder es gibt Gruppen, die Menschen aus der Einsamkeit holen möchten.
"Sie durchbrechen Tabu-Zonen"
Geleitet werden sie meist ehrenamtlich von Betroffenen. Ihre Aussagen geben in der Ausstellung einen Eindruck davon, wie wichtig der Austausch den Mitgliedern ist. Anita Schindler, Leiterin der Insel, erklärte, es gebe viele Gründe wie Krankheit, der Verlust eines geliebten Menschen oder Einsamkeit, die Menschen belasten können. Die Geschichte der Menschen in Selbsthilfegruppen sei "die Geschichte von Menschen, deren Leben einen Bruch erlitt und die sich dann neu finden mussten". Sie würden Geborgenheit und Stärke in der Gemeinschaft finden.
Oberbürgermeister Andreas Haas zollte den Selbsthilfegruppen-Mitgliedern Respekt dafür, dass sie sich öffentlich dazu bekennen, dass sie krank seien, eine Behinderung oder ein soziales Anliegen hätten. Dadurch "durchbrechen sie so manche Tabu-Zone, die da heißt: 'in einer Welt der Gesunden, Starken und Schönen spricht man nicht über Krankheiten, Probleme oder Schwächen'." Was in den Selbsthilfegruppen gilt, fasste Christa Tretschok in Worte: "Reden, nicht resignieren; zuhören, lachen, auch gemeinsam traurig sein und sich gegenseitig unterstützen, lernen, die angebotenen Hilfen anzunehmen. Das Gefühl erfahren und spüren: Ich bin nicht allein."
Die Ausstellung ist bis Ende April in der Germeringer Insel, Planegger Straße 9, zu sehen. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr sowie montags von 14 bis 18 und Donnerstagnachmittag von 14 bis 17 Uhr.
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