Wochenanzeiger München Wir sind Ihr Wochenblatt für München und Umland

"Ein Ort des Lebens"

Tina Lamprecht gibt Einblicke in das stationäre Hospiz Germering

"Das Engagement ehrenamtlicher Hospizbegleiter und Helfer ist ein unverzichtbarer Baustein der Hospizarbeit", sagt Hospizleiterin Tina Lamprecht. (Bild: privat)

Der Bau ist in vollem Gange: Im kommenden April soll das stationäre Hospiz in Germering eröffnet werden. Gabriele Strobl, Mitglied des Hospizvereins, hatte ein knapp 2.000 Quadratmeter großes Grundstück in der Unteren Bahnhofstraße gestiftet. Hier entsteht derzeit das "Max und Gabriele Strobl-Haus", in dem, neben einem Frauenhaus, das stationäre Hospiz mit zehn Plätzen eingerichtet wird. Die Trägerschaft und damit den Betrieb des Hospizes übernimmt die "Hospiz Germering gGmbH". Tanja Beetz befragte Hospizleiterin Tina Lamprecht zur Notwendigkeit einer stationären Einrichtung, zu Ehrenamt und Ängsten.

"Letzte Lebensphase Er-Leben"

Der Hospizverein Germering e.V. wurde im Jahr 2000 als ambulante Einrichtung gegründet. Im April kommenden Jahres soll das Hospiz Germering eröffnet werden. Was hat sich in den vergangenen knapp 22 Jahren im Hospizwesen getan und was kann eine stationäre Einrichtung leisten?

Tina Lamprecht: Die Hospizbewegung ist eine der großen sozialen Bewegungen in Deutschland und hat den Umgang mit Sterben und Tod verändert. Bereits seit Anfang der 90er Jahre fanden in Germering immer wieder Veranstaltungen und Seminare zu diesem Thema statt. Aus diesem Engagement und durch das Interesse der BürgerInnen konnte im Jahr 2000 der Hospizverein Germering e.V. gegründet werden. Das Ziel eines menschenwürdigen Sterbens in vertrauter Umgebung fand damit immer stärker Eingang in unsere Gesellschaft und wird durch ausgebildete ehrenamtlichen Hospiz- und TrauerbegleiterInnen umgesetzt. Bereits im Gründungsjahr fand der erste Ausbildungskurs mit 14 Personen statt. Mittlerweile hat der Verein 70 Hospiz- und TrauerbegleiterInnen geschult, die Schwerstkranke und Sterbende sowie deren Angehörige im vertrauten Umfeld Zuhause, im Heim, im Krankenhaus und künftig im stationären Hospiz Germering professionell begleiten. Im Laufe der Jahre wurde das Angebot des Hospizvereins erweitert. Neben der Sterbebegleitung wurde die ebenso wichtige Trauerbegleitung etabliert. Weiterhin fand eine immer stärkere Kooperation und Vernetzung mit Palliativteams in Krankenhäuser, Senioren- und Pflegeheimen sowie ambulanten Pflegediensten statt. Mit der Stiftung des Grundstücks in der Unteren Bahnhofstraße durch Frau Gabriele Strobel kann der Verein den Bau eines stationären Hospizes verwirklichen. Hierzu wurde eine gemeinnützige Gesellschaft gegründet, deren Mehrheitsgesellschafter der Hospizverein Germering ist. Weiterhin engagieren sich die Stadt Germering und der Landkreis Fürstenfeldbruck als Gesellschafter im Hospiz Germering. Das stationäre Hospiz Germering bietet schwerstkranken und sterbenden Menschen sowie deren Angehörigen Raum um die letzte Lebensphase in einem geschützten Rahmen, noch einmal in vollen Zügen zu Er-Leben. Damit ist das Hospiz ein Ort des Lebens.

"Den passenden Weg finden"

Mit dem Hospiz entsteht ein besonderer Ort, an dem Menschen ihre letzten Lebenstage in Würde und liebevoll begleitet verbringen können. Auch wenn es nach Bürokratie klingt: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um in das Hospiz aufgenommen zu werden?

Tina Lamprecht: Hospize sind für Menschen gedacht, die an einer unheilbaren, voranschreitenden Erkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium leiden. Die Lebenserwartung beträgt nur noch wenige Monate, Wochen oder Tage. Aufgrund der Erkrankung ist eine palliativmedizinische und -pflegerische Versorgung notwendig, die Zuhause nicht erbracht werden kann, aber auch ein Krankenhausaufenthalt nicht notwendig ist. Die Begleitung und Versorgung im Hospiz rückt den Sterbenden und seine Zugehörigen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt, um gerade in der letzten Lebensphase ein hohes Maß an Lebensqualität zu ermöglichen. Sie umfasst das Vorbeugen, Lindern und Behandeln von Beschwerden und Schmerzen, die sowohl körperlicher als auch psychosozialer und spiritueller Art sein können. Empfehlenswert ist, ein zeitiges Informationsgespräch zu vereinbaren. Es gilt, für den Sterbenden und deren Angehörigen, den individuell richtigen und passenden Weg zu finden. In diesem Gespräch versuchen wir Ängste zu nehmen und gemeinsam zu überlegen, ob eine Begleitung ambulant zu Hause oder stationär in einem Hospiz erfolgen sollte. Weiterhin wird über die einzubeziehenden Beteiligten wie Hospizbegleiter, Palliativstation oder SAPV gesprochen. Sollte zunächst eine Versorgung Zuhause gewünscht sein, kann sich im weiteren Verlauf erweisen, dass diese Entscheidung für alle Beteiligten nicht mehr tragbar ist. Dann kann und darf eine Veränderung stattfinden, indem der Sterbende seinen letzten Lebensabschnitt im Hospiz verbringt.

"Arbeiten in multiprofessionellen Teams"

Wie wird die Einrichtung personell aufgestellt sein?

Tina Lamprecht: Im Hospiz wird in sogenannten multiprofessionellen Teams gearbeitet. Es gibt ein hauptamtliches Team bestehend aus Pflegefachkräften, Mitarbeitern der Hauswirtschaft, Reinigung und Verwaltung sowie der Hospiz- und Pflegedienstleitung. Darüber hinaus werden externe Therapeuten, allen voran Palliativmediziner, Hausärzte ebenso wie Psycho-, Physio-, Atem-, Musik-, Klangschalentherapeuten und Seelsorger das Team erweitern. Komplettiert wird das multiprofessionelle Team durch den unverzichtbaren Einsatz ehrenamtlicher Hospiz- und Trauerbegleiter und ehrenamtlicher Helfer. Damit die Versorgung auch im medizinischen und pflegerischen Bereich sichergestellt ist, werden wir Kooperationen mit Apotheken und Hilfsmittelversorgern und Sanitätshäusern vereinbaren. Um unserem Ziel, Leben bis zum Ende im Hospiz möglich zu machen, möchten wir in regelmäßigen Abständen gesellschaftliche Veranstaltungen für Gäste und Angehörige gestalten. Das Zusammenspiel all dieser Akteure ermöglicht eine ganzheitliche, symptomkontrollierte Versorgung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen und deren Angehöriger bis zum Tod und darüber hinaus.

"Fachleute für das Alltägliche"

Welche Bedeutung hat insbesondere die Unterstützung von Ehrenamtlichen?

Tina Lamprecht: Die Hospizbewegung findet ihren Ursprung im ehrenamtlichen Engagement. Hiermit wurde der Hospizgedanke in die Gesellschaft getragen, verbreitet und weiterentwickelt. Durch deren Einsatz und Tatkraft entstanden die ersten ambulanten und stationären Organisationen und Einrichtungen. Mit der zwischenzeitlichen Weiterentwicklung der Hospizarbeit und der ganzheitlichen Begleitung und Versorgung der Sterbenden und der Angehörigen ist ehrenamtliches Engagement ein fester Baustein des multiprofessionellen Teams geworden. Ehrenamtliche sind in Hospizteams die "Fachleute für das Alltägliche". Ihre Besuche und Gesprächsangebote bieten betroffenen Familien Unterstützung und emotionale Entlastung, sie helfen bei alltäglichen Verrichtungen im Hospiz, sie bringen Zeit und Ruhe mit, sie sitzen am Bett des Sterbenden, hören zu, schweigen mit, halten die Situation gemeinsam aus, lesen vor, beteiligen sich an Ausflügen und gesellschaftlichen Veranstaltungen im Hospiz. Damit ist das Engagement ehrenamtlicher Hospizbegleiter und Helfer ein unverzichtbarer Baustein der Hospizarbeit.

"Wir können den Weg mitgehen"

Über den Tod spricht es sich schwer, vor allem mit Angehörigen. Wie kann man solche Gespräche führen und auch leichter machen?

Tina Lamprecht: Im Hospiz kommen diese Gespräche von allein. Man kann sie nicht erzeugen. Am wichtigsten ist es authentisch zu sein, Ruhe und die Bereitschaft des Aushaltens mitzubringen. In der Regel muss man selbst gar nicht viel sagen. Vielmehr geht es darum, zuzuhören, wenn der Sterbende oder die Angehörigen ihre Ängste, ihre Wut und Sorgen oder auch das, wofür man dankbar ist, einmal aussprechen können. Oft geht es darum gesehen und wahrgenommen zu werden. Dafür muss man dem Gegenüber Raum geben, den anderen ernst nehmen mit dem was er äußert. Und natürlich begegnet uns immer wieder die Frage nach dem "Warum". Diese Frage können auch wir nicht beantworten. Aber wir können da sein, wir können mittragen und aushalten, wir können an die Hand nehmen und den Weg mitgehen, mitgestalten in dem was medizinisch und pflegerisch in unseren Kräften steht und in dem, was Gast und Angehörige zulassen. Das ist nicht nur unser Auftrag, sondern dass ist vielmehr unsere Profession und unsere Motivation. Deshalb hat sich jeder Einzelne von uns, gleich ob Haupt- oder Ehrenamt, dafür entschieden, sich in diesem Bereich einzubringen und zu engagieren.


Verwandte Artikel

Startseite Anzeige aufgeben Zeitung online lesen Jobs Kontakt Facebook Anfahrt