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Bommelohrringe machen sprachlos

Germeringer Fund schafft es in Archäologisches Jahrbuch

Bestaunen das Ohrgehänge: (v.l.) Wilhelm Wagner, Oberbürgermeister Andreas Haas, Professor Sebastian Sommer, Professor Bernd Päffgen, Archivar Markus Guckenbiehl. (Bild: pst)

Es ist die Pflichtlektüre für alle Archäologen und Heimatforscher: „Das Archäologische Jahr in Bayern 2015“. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und die Gesellschaft für Archäologie in Bayern haben darin die spannendsten Grabungsprojekte des vergangenen Jahres zusammengestellt. Aus 650 Maßnahmen schafften es 69 in das Jahrbuch. Einer der Beiträge handelt von den Grabungsfunden in der Germeringer Steinbergstraße.

Es gibt noch viele Schätze, die unter dem Teer der alten Straßen, den Ackerkrumen, den nicht unterkellerten Häusern schlummern, betonte Professor Sebastian Sommer bei der Buchpräsentation. Wenn es nach dem Landeskonservator ginge, dann könnten die Zeugnisse alter Kulturen weiterhin unter ihrer Schutzschicht vergaben bleiben. Bei aller Euphorie über Grabungsfunde erinnerte der Landeskonservator daran, dass jeder Fund die Anzahl der Bodendenkmäler reduziere. Denn nachdem alles ausgegraben und dokumentiert worden ist, kommen meistens die Baufahrzeuge, um alles für Straßen, Häuser und Tiefgaragen umzupflügen.

Großes Lob zollte er dem Zeit+Raum-Museum. Es sei „ganz selten in Bayern“, dass die Ergebnisse von Grabungen gleich im Museum präsentiert werden. Archäologie-Professor Bernd Päffgen, der auch Vorsitzender der Gesellschaft für Archäologie ist, stimmte in das Lob ein. Immerhin haben es die Germeringer geschafft, in den 35 Bänden des Jahrbuches zwölf Mal vertreten zu sein. 1998 sogar mit drei Beiträgen. Es sei gut, dass „die Archäologie in der durch Fortschritt und Zuzug geprägten Großen Kreisstadt etwas gilt“.

Laserscanner und Pollenanalyse

Der Grund für die Erwähnung im Jahrbuch liegt in einer Vitrine des Zeit+Raum-Museums. Es handelt sich um die Ohrhänger aus goldgefassten Amethysten. „Dass so etwas in Germering gefunden wurde, machte uns sprachlos“, gestand Päffgen. Nur in großen Metropolen hätten sich bisher solch edle Schmuckstücke gefunden. „Das bedarf einer endgültigen wissenschaftlichen Aufarbeitung“, forderte der Professor.

„Frühmittelalter unter der Kreuzung – Ein Gräberfeld und Siedlungsbefunde aus Germering“ lautet der Titel der Abhandlung im Jahrbuch. Beschrieben werden die Funde, die 2015 bei Straßenbauarbeiten in der Steinbergstraße entdeckt wurden. Es handelte sich um 17 Gräber, die allerdings früher schon von Grabräubern heimgesucht worden waren. So waren aus einem Grab fast alle Knochen entfernt worden, „nur die Unterschenkel und Füße blieben zurück“. Trotzdem lieferten die verbliebenen Reste wie die Ohrgehänge oder eine Gürtelgarnitur wertvolle Hinweise. Bei den Ohrringen handelt es sich um eine seltene Art der „Bommelohrringe“. Sie datieren aus der Zeit 680 bis 730. Die Beigaben in den übrigen Gräben erhärten die Aussagen. Neben den Gräbern gibt es auch Siedlungsspuren wie zahlreiche Grubenhäuser und etliche Brunnen.

Überregionale Bedeutung

Stadtarchäologe Marcus Guckenbiehl hatte die Buchvorstellung im Zeit+Raum-Museum initiiert. Er nutzte die Gelegenheit, um auf die modernen Techniken bei Grabungen hinzuweisen. „Heute können wir konkretere Aussagen machen als noch vor 70 Jahren“, erklärte er. Dies werde durch Datierungsmethoden wie Laserscanner, Pollenanalysen und andere moderne Techniken ermöglicht. Auch die Kartierungen erfolgen längst digital.

Guckenbiehl hatte die Grabungsfunde im Computer eingetragen und konnte so Siedlungsstrukturen anhand der Umrisse erkennen. „Germering hat in der Archäologie eine überregionale Bedeutung“, folgerte er und spannte den Bogen von dem „mesolithischen Rastplatz“ 6000 vor Christi bis zur Jetztzeit. Allerdings sei bis in die 1990-er Jahre viel weggebaggert und zerstört worden. Derzeit gibt es in Germering 12 Baudenkmäler und 42 Bodendenkmäler. Es könnten bald mehr werden. Denn im Zuge der Baumaßnahmen im Germeringer Norden erhofft sich der Stadtarchivar neue Funde. Darüber wird dann sicher wieder in einem der archäologischen Jahrbücher berichtet werden.


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