Lehrlinge direkt bei der Hand nehmen
Wie die Konditorei und Bäckerei Isaak für die Fachkräfte von morgen sorgt
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist in aller Munde, allein in Bayern waren laut Pressemitteilung der IHK „vor Beginn des Ausbildungsjahres am 1. September noch 32.545 Lehrstellen frei“. Eine Zahl, die Paul Isaak sen., Inhaber der traditionsreichen Konditorei und Bäckerei Isaak am Nymphenburger Kanal, nicht verstehen kann. „Entweder die Lernbereitschaft schwindet, oder die Jugendlichen sind aufgrund der riesigen Auswahl an Berufsmöglichkeiten orientierungslos“, lautet sein Fazit. Im Verhältnis zu früher seien viele Schüler kurz vor dem Abschluss oder weit danach noch unsicher, in welche Richtung es weitergehen soll. Als denkbar schlecht empfindet er es, wenn sich die Jugendlichen nur auf Anraten der Eltern für eine bestimmte Lehre entscheiden. „Zu einer Ausbildung gehört natürlich der Wille zu lernen; dafür muss man motiviert sein. Macht das Handwerk dann aber keinen Spaß, hilft die Aussage 'Meine Mama hat gesagt...' auch nicht weiter“, so der Bäcker- und Konditormeister. Ein Grund, weshalb er seine Bewerber beim Vorstellungsgespräch stets selbst unter die Lupe nimmt, denn „ich kann durch jahrelange Erfahrung gut einschätzen, wer aus eigenem Antrieb hier ist und wer nicht.“
Gut vernetzt
Das Problem mangelnder Azubis hat Paul Isaak sen. in seinem 118-jährigen Traditionsbetrieb, in dem die ganze Familie mitwirkt, nicht. Aktuell beschäftigt er vier Lehrlinge, darunter einen Flüchtling mit „hohem Eigeninteresse, der sehr motiviert ist“, berichtet er erfreut. Mit ausländischen Mitarbeitern sei er bislang immer gut gefahren. „Sie haben eine ganz andere Mentalität und die meisten sind unheimlich stolz, einen Beruf erlernen oder ausüben zu dürfen. Diese Einstellung fehlt mir bei unseren Jugendlichen manchmal“, gesteht er ein.
Zu der Suche nach geeigneten Azubis trägt sein Sohn – ebenfalls gelernter Bäcker - tatkräftig bei: „Paul-Wolfgang ist ehrenamtlicher Fachdozent an der Adolf-Kolping-Berufsschule München und nimmt den Nachwuchs direkt bei der Hand. Durch die Schule haben wir uns ein gutes Netzwerk in der Stadt aufgebaut, darunter auch zum Jugendamt, das uns engagierte junge Menschen vermittelt.“
Eine Chance zur Ausbildung gibt der passionierte Bäcker- und Konditormeister jedem, der sich aus eigener Ambition für die Lehre entscheidet und zuvor ein 14-tägiges Praktikum im Betrieb absolviert hat. „Auf diese Weise können wir uns vor der Ausbildung ein Bild darüber machen, wie geschickt sich die jungen Leute anstellen – und sie können für sich austesten, ob das Handwerk ihnen Spaß macht und sie mit den Rahmenbedingungen klar kommen.“
Nachts in der Bäckerstube
Zu diesen Rahmenbedingungen zählt natürlich auch die Bereitschaft, aus den Federn zu steigen, wenn andere noch schlafen – eine Tatsache, die viele vorher übersehen und erst bei einem Praktikum realisieren. „Wir fangen nachts um vier Uhr mit den Vorbereitungen für das Tagesgeschäft an und produzieren bis ca. 13.30 Uhr frisch“, klärt Paul Isaak sen. auf. „Bei solchen Anfangszeiten ist natürlich auch die Wohnortnähe meiner Lehrlinge entscheidend. Ich kann schließlich keinen Auszubildenden aufnehmen, der es nicht in den Betrieb schafft, weil die U- oder S-Bahnen zu dieser Zeit noch nicht regelmäßig fahren.“ Flexible Arbeitszeiten könne er dennoch bieten: „Am Tag haben wir nur drei Stunden Produktionspause, weshalb in Schichten gearbeitet wird. Unsere Lehrlinge können also auch mal länger schlafen.“
Geschickte Lösungen
Die Herstellung der Waren erfolgt hier noch nach alter Handwerkstradition, „alles frisch und ohne Backmischungen“, versichert der Inhaber. Aber Geschmack braucht nicht nur gute Zutaten (die Paul Isaak sen. allesamt selbst auswählt und nur von regionalen Händlern bezieht) sondern auch Können und Zeit. Technisch gebe es jedoch vernünftige Lösungen: „Mit moderner Kältetechnik steuern wir die Gärzeit von Teiglingen, indem wir sie auf eine Kerntemperatur von 0 Grad Celsius runterkühlen und bis zu 24 Stunden im Kühlraum ruhen lassen. So können wir zum einen Produktionsspitzen vermeiden, zum anderen erzielen wir mit dieser sogenannten Gärverzögerung einen maximalen natürlichen Geschmack. Bei diesem langsamen Gärverfahren können sich nämlich spezifische Aroma- und Geschmacksstoffe bilden, die sich bei einer warmen und kurzen Teigführung nicht so intensiv entwickeln.“ Dadurch sorgt das Unternehmen sogar für Nachhaltigkeit, denn „mit diesem Verfahren sparen wir im Gegensatz zu Bäckereien, die eingefrorene Ware aufbacken, 15 Prozent Energie ein.“
„ Immer eine Daseinsberechtigung“
Paul Isaak sen. sieht das Bäckerhandwerk auch in den kommenden Jahrzehnten nicht gefährdet: „Der Trend bei jungen Familien geht hin zu gesunden und regionalen Lebensmitteln, Discount-Ware steht nicht mehr unbedingt ganz oben auf der Einkaufsliste. Betriebe, die sich spezialisieren, wohnortnahe Ausbildungsplätze zu fairen Konditionen bieten und sich vernünftig darstellen, werden meiner Meinung nach immer eine Daseinsberechtigung haben.“
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