"Bei nahezu jedem Klick und jeder Aktion werden Daten gesammelt"
Bundesjustizminister Heiko Maas sieht Rechtsunsicherheit
Mit Heiko Maas, dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, sprach der Wochenspiegel Saarbrücken über die Gefahren aus dem Internet.
Faire Bedingungen?
Betrug, Abzocke, Datenklau – das Internet hat viele Fallstricke. Wie sicher kann sich der Nutzer heute im Netz fühlen?
Heiko Maas: Die Digitalisierung und das Internet bieten uns allen enorme Chancen und neue Möglichkeiten zu kommunizieren und zu interagieren. Sei es durch soziale Netzwerke, in denen wir mit Freundinnen und Freunden in Kontakt stehen, oder durch die Abwicklung vieler Geschäfte des täglichen Bedarfs über das Internet. Allerdings müssen wir darauf achten, dass es auch im Netz faire Rahmenbedingungen gibt. Uns muss die Entscheidungsfreiheit darüber bleiben, ob und welche Daten wir wie preisgeben. Personenbezogene Daten müssen jederzeit in einfacher Weise löschbar und auf andere Plattformangebote übertragbar sein.
Wozu braucht eine Taschenlampe Satellitenortung?
Nimmt die Gefährdung ständig zu – oder ist das eher ein subjektiver Eindruck?
Heiko Maas: Unternehmen erheben und verarbeiten immer mehr personenbezogene Daten. Daten sind im Internet eine Art neue Währung. Egal ob wir surfen, eine App herunterladen oder ein Foto posten, bei nahezu jedem Klick und jeder Aktion werden Daten gesammelt. Diese Daten werden nicht nur für die Vertragsabwicklung benötigt, sondern zunehmend kommerziell verwertet.
Ein Beispiel: Ich frage mich schon, ob es wirklich zwingend erforderlich ist, dass einige Apps, etwa eine Taschenlampen-App, immer gleich auch über GPS mein Handy orten müssen. Ich finde die Anbieter sollten möglichst sparsam mit den Daten der Nutzer umgehen und viel deutlicher darauf hinweisen müssen, welche Daten sie zu welchen Zwecken verwenden wollen.
Wie komme ich wieder raus?
Welche Maßnahmen können Nutzer ergreifen, um für sich ein Höchstmaß an Datensicherheit zu schaffen?
Heiko Maas: Die Meldungen über Hackerangriffe mehren sich. Wer sich selbst vor solchen Angriffen besser schützen will, dem ist vor allem zu raten, regelmäßig die eigenen Passwörter zu ändern. Allgemein gilt: Wir müssen die Medienkompetenz der Menschen fördern, insbesondere auch derjenigen, die keine "digital natives" sind. Konkret fördern wir zum Beispiel mit dem Projekt "watch your web" die Internetkompetenz von jungen Menschen. Kinder und Jugendliche sollten nicht nur lernen, wie sie ins Netz herein kommen, sondern auch, wie sie unbeschadet wieder heraus kommen. Dies gilt natürlich ebenso für ältere Menschen.
Ältere Menschen stehen auch vor der Frage: „Was geschieht nach meinem Tod mit meinen Daten, Profilen oder auch E-Mail-Konten?“ Vielfach erhalten Angehörige oder Erben keinen Zugriff. Es ist dann oft nicht einfach, sich im Dickicht der Regelungen der Internetanbieter zurechtzufinden. Daher fördern wir das Projekt „macht’s gut!“ der Verbraucherzentrale Bundesverband. Hier erhält man Informationen und nützliche Tipps zur Regelung des eigenen „digitalen Nachlasses“ oder als Hinterbliebener darüber, was damit zu tun ist.
"Es besteht Rechtsunsicherheit"
Wo drohen aus juristischer Sicht die größten Bedrohungen?
Heiko Maas: Die Digitalisierung unseres Lebens führt zu tiefgreifenden Veränderungen für unser aller Zusammenleben. Nehmen wir das Zusammenspiel von Musik- oder Filmproduzenten und den Konsumentinnen und Konsumenten. Sehr viele Menschen kaufen sich das aktuelle Album ihrer Lieblingsband nicht mehr auf CD oder leihen sich einen Film beim Videoverleih um die Ecke, sondern nutzten Dienste im Internet, bei denen sie über das sog. Streaming Musik und Videos abrufen können. Doch es besteht Rechtsunsicherheit, ob dies nun ein Urheberrechtsverstoß sei. Der Europäische Gerichtshof zwar hat entschieden, dass das reine Hören oder Betrachten keinen Rechtsverstoß darstellt. Deshalb dürfen auch keine Abmahnschreiben verschickt und erst recht keine Abmahngebühren von Kunden einkassiert werden. Letztendlich muss die urheberrechtliche Frage aber auf europäischer Ebene geklärt werden.
"Fußabdrücke" bleiben
Auf welche zentralen Rechte sollten Internetnutzer bestehen?
Heiko Maas: Ich möchte gern ein Beispiel geben, das auf ein zentrales Problem hinweist: Unser digitaler Fußabdruck, den wir tagtäglich im Internet hinterlassen, lässt sich über lange Zeit in den Suchmaschinen von Google, Bing oder Yahoo nachvollziehen. Der Europäische Gerichtshof hat im letzten Jahr das sog. „Recht auf Vergessen“ gestärkt. Die Suchmaschinenbetreiber sind danach verpflichtet, Verweise auf Webseiten mit persönlichen Daten aus den Ergebnislisten zu entfernen. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich zentral an den Suchmaschinenbetreiber wenden, um Löschungsansprüche durchzusetzen. Dies begrüße ich sehr.
Facebook ohne Transparenz
Ist in den "sozialen" Netzwerken besondere Vorsicht geboten?
Heiko Maas: Soziale Netzwerke sind eine Errungenschaft für die zwischenmenschliche Kommunikation. Allerdings sind die Formulierungen in den Datenschutzbestimmungen vielfach zu unkonkret. Nutzerinnen und Nutzer wissen häufig nicht, welche Daten erhoben und wie sie verwendet werden. Facebook lässt sich pauschal umfassende Möglichkeiten einräumen, ohne dass dies für die Nutzer transparent ist. Doch jedermann sollte wissen können, was mit den Daten geschieht. Außerdem sollte man auch einzelnen Teilen der Datennutzung widersprechen können - anstatt nach dem Motto "Alles oder nichts" allein die Option zu haben, sich ganz aus Facebook abzumelden. Daher ist es gut, dass die Datenschutzbestimmungen von Facebook jetzt rechtlich überprüft werden.
Mehr Info
Zur weiteren Information:
BMJV http://www.bmjv.de/DE/Themen/InternetundDatensicherheit/InternetundDatensicherheit_node.html
Kampagne „watch your web“ http://www.watchyourweb.de/
Kampagne „macht’s gut!“ http://www.machts-gut.de/
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