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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Zeichen, dass ich nach Hause komme"
Schloss Fürstenried - Frauenkirche: Historische Sichtachse wieder herstellen?
"Seit meiner Kindheit waren die Frauentürme das Zeichen, dass ich nach Hause komme", erzählt Dorle Baumann, Vorsitzende der SPD im Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19). "Wenn wir mit dem Auto aus dem Süden nach München hereinfuhren, konnte ich als erstes in der Ferne die Kuppeln erkennen – heute sehe ich stattdessen blaue Schilder, das ist eine unfassbare Verschandelung." Baumann spricht von der historischen Sichtachse auf die Frauenkirche; unter anderem von Schloss Fürstenried aus hatte der Münchner jahrhundertelang unverstellten Blick auf eines seiner liebsten Wahrzeichen. Seit März aber ist nichts zu sehen als blau: Zur Leitung des Verkehrs in den Luise-Kiesselbach-Tunnel wurden an Brücken über dem Asphalt der A95 Autobahnschilder angebracht – und vorbei war es mit der Sichtachse.
Der BA 19 war sich schnell einig: Die Schilder seien nicht zu akzeptieren, ein Antrag bei der Landeshauptstadt sollte Abhilfe schaffen. Das war es dann allerings auch schon wieder mit der Einigkeit – die Lokalpolitiker verstrickten sich in eine hitzige Diskussion darüber, wie betreffender Antrag beschaffen sein müsse. Die SPD sprach sich dafür aus, die Verwaltung direkt aufzufordern, die Schilder rückzubauen. Der CSU ging es hingegen erst einmal nur darum, dass die Landeshauptstadt überprüfe, wie die Sichtachse wieder hergestellt werden könne – ohne direkt den Abbau zu forcieren. Micky Wenngatz von der SPD: "Das ist doch Quatsch: Wenn wir eine Prüfung verlangen, geben sie uns eine Antwort. Egal wie diese ausfällt, im Anschluss fordern wir sowieso den Rückbau – warum also sollten wir uns die doppelte Arbeit machen?"
"Chance zur Erklärung"
Richard Ladewig von der FDP hielt dagegen: "Man muss schon erst einmal überprüfen, ob es eine rechtliche Grundlage gibt, die erlaubt, einen Rückbau zu fordern. Die beteiligten Stellen brauchen ja wohl die Chance zur Erklärung." Juri Wostal von den Grünen hatte weitreichendere Bedenken: "Ihr geht hier vor nach dem Motto 'seid realistisch, fordert das Unmögliche'. Habt ihr euch mal Gedanken darum gemacht, wie wahrscheinlich es ist, dass man unserer Forderung nach Abbau folgt? Und – sollte wider Erwarten ein Rückbau passieren, was dieser kostet? Da würde Geld ausgegeben, um neuwertige Schilder abzumontieren, die erst seit wenigen Monaten hängen – aber macht nur." Ludwig Weidinger, Vorsitzender des BA 19, fing seine Lokalpolitiker schließlich wieder ein und ließ über die Anträge abstimmen. Die weniger drastische Variante setzte sich durch: "Die Landeshauptstadt München wird aufgefordert, zu prüfen, ob die historische Sichtachse von Schloss Fürstenried auf die Frauenkirche, das Wahrzeichen Münchens, wieder hergestellt werden kann."
Hohe Verpflichtung, den Ausblick freizuhalten
In der Begründung verweist das Gremium darauf, dass "die übergroßen Autobahnschilderbrücken an der A95 von der Autobahndirektion Südbayern ohne Beteiligung des Landesamtes für Denkmalschutz errichtet" wurden. Sie zerstörten nicht nur die Sichtachse, sondern das gesamte Umfeld des von Max Emanuel erbauten Schlosses. "Der BA 19 bedauert, dass die verantwortlichen Stellen in dieser Hinsicht überhaupt keine Sensibilität gezeigt haben." Zudem erinnern sich die Lokalpolitiker der Staffelbauordnung: "Die Stadt München hat unter Theodor Fischer unter anderem diese Sichtachse in der Ordnung selbst normativ geschützt. Dort heißt es 'der Ausblick von der Fürstenrieder Schlossallee auf die Frauentürme muss aus städtebaulichen Erwägungen erhalten bleiben'." Auch wenn die Staffelbauordnung außer Kraft getreten sei, bestehe für städtische Behörden noch heute eine sehr hohe Verpflichtung, den Ausblick freizuhalten.
Der letzte Abschnitt des finalen Antrags ist dann doch noch ein Entgegenkommen an die SPD: "Deshalb fordert der BA 19 einen teilweisen Rückbau und eine Verkleinerung der unbedingt erforderlichen Hinweisschilder bereits jetzt." In Zukunft sei regelmäßig zu überprüfen, ob durch weiteren Einsatz von Navigationssystemen die Schilderbrücken nicht ganz überflüssig würden. Eine Formulierung, die Henriette Holtz von den Grünen "ein Stück weit daneben" fand. Auch Peter Sopp, ebenfalls Grüne, hatte so seine Probleme damit: "Wenn das so da steht, dann sprechen wir aufgrund von Navigationssystemen einem allgemeinen Verkehrsleitsystem die Berechtigung ab – als ob jeder ein Navi hätte." Die weitere Diskussion darf mit Spannung erwartet werden...
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