"In großen Teilen nicht nachvollziehbar"
Bezirksausschuss erneuert seine Vorschläge zum Verdichten des Appenzeller Quartiers
1.500 Wohnungen aus den sechziger und siebziger Jahren besitzen fünf der von der Bayerischen Versorgungskammer verwalteten Versorgungswerke im Quartier an der Appenzeller Straße. Seit 2014 laufen die Planungen für eine zusätzliche Bebauung der Siedlung (aktuell geht man von 640 bis 660 zusätzlichen Wohnungen aus). Die Versorgungskammer hofft, dass der inzwischen zur Debatte stehende Bebauungsplan bald rechtskräftig wird. Dann könne man 2022 mit dem Bau beginnen und nach sechs bis acht Jahren mit der "Nachverdichtung" fertig sein. Die Stadtverwaltung hat den Entwurf für einen Bebauungsplan erarbeitet. Bevor der Stadtrat über diesen entscheidet und ihn (vermutlich am 4. Dezember) billigt, hat der Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19) nochmals dazu Stellung genommen. Die Lokalpolitiker betonen, dass ihre Vorschläge sowohl dem Natur- und Klimaschutz als auch der notwendigen Schaffung von bezahlbaren, langfristig gesicherten
Mietwohnungsbau eher entgegenkommen als die Planung, die die Stadt entworfen hat.
"Wir sind nicht einverstanden"
Der BA 19 kritisiert die Stadtverwaltung, weil diese ihn nur zu einem kleinen Teil des Beschlussentwurfs hören will. In dem Papier der Stadt nehmen deren Experten Stellung zu Einwänden und Vorschlägen der Bürger. Diese Stellungnahmen waren dem Bezirksausschuss zuvor noch nicht bekannt. Zudem seien die Antworten der Stadtverwaltung "in großen Teilen nicht nachvollziehbar" und "einfach unsinnig", findet der Bezirksausschuss. "Wir sind nicht glücklich mit der Vorlage der Stadt", fasste BA-Vorsitzender Ludwig Weidinger (CSU) zusammen. "Unsere Einwände wurden weggewischt." Ähnlich äußerte sich Micky Wenngatz (SPD): "Wir sind mit den Ausführungen der Stadt überhaupt nicht einverstanden!"
Der Bezirksausschuss hat daher seine wichtigsten Anliegen zur bervorstehenden Nachverdichtung des Appenzeller Quartiers nochmals festgehalten:
Wäldchen erhalten
Vor zweieinhalb Jahren hatte die Bürgerversammlung im Münchner Süden u.a. empfohlen, das kleine Linden- und Ahornwäldchens an der Forst-Kasten-Allee (Höhe Bellinzonastr. 10 bis Graubündener Str. 107) unbedingt zu erhalten und nicht der Nachverdichtung zu opfern. Hier geht es um 18 Bäume, die etwa 50 Jahre alt sind. Der Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19) sieht das Wäldchen als sehr erhaltenswert an. Eine Ersatzpflanzung nach einer Fällung würde diesen Wert über Jahrzehnte hinweg nicht erreichen. Um den Baumbestand zu schützen, erinnert der BA zudem an seinen Vorschlag, auf den östlichsten zusätzlichen Hochbau zu verzichten und stattdessen andere An- und Neubauten im Quartier aufzustocken. Dadurch würde weniger Fläche versiegelt als in dem Entwurf, den die Stadtverwaltung ausgearbeitet hat.
Die fehlenden Besucherparkplätze, die viele Bürger im Appenzeller Quartier vermissen, will die Stadt nördlich der Forst-Kasten-Allee unterbringen. Dieses Gebiet ist jedoch ein Landschaftsschutzgebiet, für das eine Ausgleichsfläche bisher fehle. Der BA 19 kritisiert, dass ein solcher Eingriff in ein Landschaftsschutzgebiet überlegt wird, ehee dass Klarheit über Ausgleichsflächen geschaffen ist.
U-Bahn-Kapazität reicht nie und nimmer aus
Heftigen Widerspruch erntet die Stadt seitens des BA für ihre Einschätzung, dass "Taktverdichtungen bei der
U-Bahn derzeit nicht nötig sind, da noch genügend Kapazität besteht.“ Nur auf den Ist-Zustand hinzuweisen, sei unzureichend, kritisierte Michael Kollatz (SPD) die Stadt: "Das Planungsreferat verliert keinen Satz darüber, wie der ÖPNV im Quartier in fünf oder zehn Jahren aussieht."
"Aufgrund unserer Ortskenntnis und aufgrund der uns bekannten Bürgerbeschwerden kann nicht die Rede davon sein, dass derzeit in der Hauptverkehrszeit bei der U3 Kapazitätsreserven gegeben sind", betont der Bezirksausschuss. Er bemängelt zudem, dass die Stadt nichts zur Situation der U3 bis zur Fertigstellung der entlastenden U9 (vermutlich nicht vor 2030) sagt. Es gehe nicht um die derzeitige Kapazität, sondern um die prognostizierte Kapazität im Jahr 2029, also nach dem geplantem Abschluss der Nachverdichtung im Appenzeller Quartier, so der BA. Auch alle anderen bis dahin fertiggestellten Nachverdichtungsmaßnahmen im Stadtbezirk müsse man bei der jetzigen Planung berücksichtigen.
Von etwaigen Kapazitäten an der Start- / Endhaltestelle der U3 in Fürstenried West sei in Stoßzeiten spätestens an der Haltestelle Machtlfinger Straße nichts mehr zu spüren. Die ohnehin angespannte Situation werde sich verschärften, wenn das EON-Gelände vollständig bezogen sei wird und die dortigen Bewohner ebenfalls in der Machtlfinger Straße in die U3 einsteigen. "Deshalb muss der BA davon ausgehen, dass die ÖPNV-Erschließung für die zusätzlichen Bewohner in Fürstenried-West nicht gegeben ist", schreiben die Lokalpolitiker.
Neue Realschule ist noch nicht sicher
Außer Frage steht, dass der Stadtteil dringend eine neue Realschule benötigt. Dass der Schulstandort an der Engadiner Straße entlastet sei, wenn es eine neue Realschule an der Forstenrieder Allee gebe, ist eine für den Bezirksausschuss nicht unbedingt schlüssige Erklärung. Denn: Eine Realschule am Ende der Forstenrieder Allee sei zwar in Planung, es sei aber noch keineswegs gesichert, ob diese Planung auch umgesetzt werde. zudem sieht der Bezirksausschuss bei der Verkehrsanbindung dieser angekündigten Realschule erhebliche Probleme.
An der Stadtgrenze parken
Da die Stadtverwaltung eine Erweiterung der P&R-Anlage Fürstenried West nicht für möglich hält, schlägt sie vor, auf die P&R-Anlage an der Aidenbachstraße auszuweichen. Weil diese erweitert werden soll, verdopple sich das Stellplatzangebot, so der städtische Entwurf. Der Bezirksausschuss hält dieses "Ausweichen" nicht für sinnvoll, denn es zöge zusätzlich unnötigen motorisierten Individualverkehr bis in die Mitte des Stadtbezirks hinein, anstatt Pendler bereits an der Stadtgrenze (also in Fürstenried West) zum Umsteigen auf den ÖPNV zu motivieren. Der Bezirksausschuss hat die Stadt daher aufgefordert, ihre Einschätzung zu belegen, wonach die P&R-Anlage Fürstenried West nicht zu erweitern sei.
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