"Ich vermisse politisches Engagement"
Hans Bauer beklagt Pseudotransparenz im Bezirksausschuss und freut sich auf mehr Zeit für die Familie
Vor 43 Jahren begann Hans Bauer (SPD) seine kommunalpolitische Tätigkeit im Münchner Süden. 27 Jahre lang war er Vorsitzender des Bezirksausschusses (BA 19). Im vergangenen Jahr musste Bauer eine bittere Pille schlucken: Nach einem Patt im ersten Wahlgang scheiterte er an der Wiederwahl zum BA-Vorsitzenden mit 17:19 Stimmen. Nun hat Hans Bauer überrachend sein Mandat im BA niedergelegt. Tanja Beetz sprach mit ihm über seine Beweggründe.
"Der Stil sagt mir nicht zu"
Herr Bauer, warum haben Sie Ihr Amt im Bezirksausschuss 19 niedergelegt?
Hans Bauer: Seit 1972 bin ich Mitglied im Bezirksausschuss immer unter den Bedingungen, dass ich gesund bin und die Tätigkeit Freude und Spaß macht. Gesund bin ich ...
Warum zu diesem Zeitpunkt?
Hans Bauer: Die neue Mehrheit praktiziert eine Pseudotransparenz, pflegt einen Stil, der mir nicht zusagt und ich vermisse politisches Engagement.
Sie haben Ihre kommunalpolitische Tätigkeit vor über 40 Jahren begonnen und waren 27 Jahre als BA-Vorsitzender tätig. Können Sie sich ein Leben ohne Bezirksausschuss überhaupt vorstellen?
Hans Bauer: Gewiss, der BA ist das gewählte Gremium im Stadtbezirk. Es gibt aber genügend andere Tätigkeitsfelder für mein politisches und gesellschaftliches Engagement. Außerdem kann ich jetzt die zusätzliche freie Zeit mit der Familie verbringen, was mir viel bedeutet.
"Viertel erlebt raschen Wandel"
Wie hat sich der 19. Stadtbezirk in den vergangenen Jahren gewandelt?
Hans Bauer: Der Stadtbezirk erlebt einen raschen strukturellen Wandel, insbesondere im ehemaligen Obersendlinger Industriegebiet. Wohnungsbau in Form von „Betongold“ als rentable Verwertung schafft Probleme bei der nötigen Infrastruktur und gefährdet den Charakter des Münchner Südens.
Welches Vorhaben blieb unerfüllt?
Hans Bauer: Beispielsweise die Entwicklung des Ratzingerplatzes.
Erfolge in der Gemeinschaft
Über welchen Erfolg freuen Sie sich am meisten?
Hans Bauer: Da gibt es in 40 Jahren mehr als ein positives Ergebnis, wobei klar ist: Erfolge sind immer gemeinschaftlich erzielte positive Ergebnisse.
Dazu gehört die Verhinderung der extremen Bodenspekulation und Verschandelung der berühmten Münchner Silhouette durch Hochhäuser. Außerdem konnte der BA dem Bau eines Müllverbrennungswerkes am Warnberger Feld sowie dem vierspurigen Ausbau der Wolfratshauser Straße entgegenwirken. Ebenfalls verhindert wurde eine Monsterschießanlage im Forstenrieder Park und der "Konsumtempel“ Züricher Straße.
Wir blicken aber auch auf die Entstehung eines positiven Strukturwandels und der sozialen Infrastruktur in Neubaugebieten. Ein weiterer Erfolg ist das Stadtteilzentrum Fürstenried Ost mit Einrichtungen wie Bibliothek, VHS, ASZ und Meldestelle sowie die Renaturierung der Isar und der Landschaftsschutz. Die Thalkirchner Brücke wurde saniert und der Flößerkulturverein gegründet. Der BA hat sich auch erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Heizkraftwerk nicht abgerissen, sondern anderweitig genutzt wird.
Soziales und historisches Gewissen
Der 19. Stadtbezirk steht gut da. Wir haben ein soziales Gewissen im Münchner Süden mit Einrichtungen wie Treff & Tee, dem Treibhaus, Musikübungsräumen am Ratzingerplatz und Inititativen wie 'München ist bunt'.
Und wir haben ein historisches Gewissen, eine aktive Erinnerungskultur. Ich denke da beispielsweise an die öffentliche Namenlesung der Münchner Juden, die während der NS-Zeit entrechtet, deportiert und ermordet wurden oder unter ungeklärten Umständen ihr Leben verloren haben.
"Oft wird Rahmen übersehen"
Wie werden der BA und seine Arbeit von den Bürgern wahrgenommen?
Hans Bauer: BA-Mitglieder sind oft der erste Ansprechpartner bei Sorgen und Nöten. Häufig wird aber übersehen, dass gesetzliche Rahmen und mangelnde Entscheidungsmöglichkeiten die Erwartungen an den BA enttäuschen müssen.
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