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Vom Zwangslager zur Künstlerkolonie

Offene Ateliers und Werkstätten in der Ehrenbürgstraße 9

"Backe, backe Kuchen" hat Alzbeta Müller das großformatige Bild genannt. Es wurde mit Acryl, Kohle und Mehl gemalt. (Bild: pst)

„Für mich ist das hier ein fröhlicher Ort“, sagte Alzbeta Müller. Seit drei Jahren ist sie Mitglied des Vereins Freie Ateliers und Werkstätten Ehrenbürgstraße. Aus dem Fenster ihres Ateliers sieht sie auf grüne Natur. „Das inspiriert mich“, erklärte die gebürtige Tschechin. Beim Tag der offenen Ateliers konnten die Besucher die Ergebnisse ihrer kreativen Arbeit betrachten: oftmals großformatige Gemälde, Menschen, Selbstportraits.

Lautes Lachen und lebhaftes Treiben war auch bei den „Ehrenbürgern“ zu hören; eine Kita, die auf dem Areal des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Unterkunft gefunden hat. Bunte Bilder, Spielgeräte und ein freundliches Ambiente prägen das Gebäude. Kaum zu glauben, dass hier vor rund 70 Jahren Zwangsarbeiter ein karges Leben fristen mussten.

Manch einer der vielen Künstler und Handwerker, die auf dem Areal eine Werkstatt angemietet hat, hat sich von der Vergangenheit in seinem Schaffen beeinflussen lassen. Die vielen Holzlöffel beispielsweise, die Falk Benitz immer mal wieder schnitzt, sehen fast so aus, als ob mit ihnen früher die Arbeiter ihre Kohlsuppe hatten löffeln müssen. Die Erinnerung an die Leiden der Zwangsarbeiter im Dritten Reich ist den Künstlern der Kolonie ein großes Anliegen, aber es erdrückt sie nicht. Aus dem Zwangsarbeiterlager ist ein Freiraum für Kreativität und Freiheit geworden.

Steinskulptur und Live-Musik

Beim Tag der offenen Ateliers herrschte eine gelöste Stimmung. Die rund 50 Handwerker, Künstler und Musiker in ihren 20 Ateliers, Werkstätten und Studios präsentierten sich drei Tage lang mit ihren Werken der Öffentlichkeit. Stein- und Holzskulpturen, Gemälde, Mosaike, Fotos, Keramik und vieles mehr gab es zu besichtigen. Für Kinder gab es ein Mitmachprogramm mit Specksteinschnitzen und Töpfern. Im Café war eine Bühne für die verschiedenen Live-Bands aufgebaut und an den Biertischen machten es sich die Besucher mit leckeren Speisen gemütlich. Außerdem führte Stadtmitarbeiterin Kerstin Schwenke durch das Areal und informierte über das ehemalige Zwangsarbeiterlager.

Die Künstlerkolonie hat sich vor rund 30 Jahren gegründet. 2007 haben die Künstler den Verein FAUWE (Freie Ateliers und Werkstätten Ehrenbürgstraße) gegründet. Ziel ist der Erhalt des Gebäudeensembles für die Künstler. Die Stadt plant das Ensemble zu einem Erinnerungsort zu machen. Infostelen, Workshops und Führungen sind geplant. Die Künstler wollen aber bei den Planungen miteinbezogen werden. Schließlich waren sie es, die die alte Bausubstanz über die Jahre bewahrt und sinnvoll genutzt hatten.


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